Wirtschaftsumfeld | Kambodscha | Konjunktur
Kambodscha setzt neue Wachstumsimpulse
Die Covidwelle in Kambodscha ebbt ab. Das Land öffnet seine Grenzen und ergreift Maßnahmen für mehr Investitionen und freien Handel.
20.01.2022
Von Thomas Hundt | Bangkok
Die Weltbank äußert sich im Dezember 2021 in ihrem Wirtschaftsausblick für Kambodscha optimistisch und prognostiziert, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 um knapp 5 Prozent zulegen werde.
Die Deltavariante des Coronavirus hatte von Frühjahr bis Herbst 2021 Kambodscha erfasst und die Wirtschaft lahmgelegt. Der Fremdenverkehr und der Einzelhandel leiden schon seit 2020 besonders stark unter den verordneten Einschränkungen. Der gesamte Dienstleistungssektor ist 2021 nach Schätzungen der Weltbank um circa 1,5 Prozent geschrumpft.
Anfang November 2021 wurden die Einschränkungen im Inland weitgehend aufgehoben, denn über 80 Prozent der Bevölkerung haben inzwischen ihre zweite Impfung erhalten. Auch vollgeimpfte Ausländer dürfen seit Mitte November 2021 ohne Quarantäne ins Land reisen.
Industrie und Landwirtschaft wachsen relativ stabil
Die Herstellung von Bekleidung, Reiseartikeln und Schuhen ist der wichtigste Industriesektor in Kambodscha, und die Nachfrage nach diesen Waren ebbt in den Hauptabsatzmärkten USA und Europa nicht ab. Die Exporte Kambodschas - ohne Gold - wuchsen von Januar bis September 2021 um 23 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode auf 12,6 Milliarden US-Dollar (US$). Auch komplexere Produktionsstätten wie die von elektrischen Geräten und Kfz-Teilen siedeln sich zunehmend in dem Tropenland an und erreichten im entsprechenden Vergleichszeitraum einen Ausfuhrwert von 400 Millionen US$. Das kommt ebenfalls einer Steigerung von 23 Prozent gleich.
Die Landwirtschaft macht etwa ein Fünftel der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Das Wachstum des Sektors dürfte nach Prognosen der Weltbank 2022 und 2023 bei jeweils über 1 Prozent liegen. Die Reisernte wird im Erntejahr 2021/2022 (Mai bis April) voraussichtlich etwas höher ausfallen, auch die Agrarpreise weisen wieder nach oben. Zudem plant Kambodscha mehr Reis, Maniok und Früchte zu exportieren, hauptsächlich nach China.
Privater Verbrauch legt langsam wieder zu
Die privaten Konsumausgaben machen rund 70 Prozent der Gesamtnachfrage aus. Allerdings gaben die meisten Haushalte während der Covidwellen in den Jahren 2020 und 2021 an, dass ihre Einkünfte zurückgegangen seien. Der Staat zahlte deshalb an bedürftige Haushalte, die sich über die Identifikationskarte IDPoor als solche ausweisen konnten, mehrfach direkte Hilfen aus.
Die Stimmung hellt sich etwas auf, wie beispielsweise die Zunahme der Neuwagenkäufe erkennen lässt. Die Firma RMA Automotive will daher 21 Millionen US-Dollar (US$) in eine Fabrik zur Montage von Geländewagen der Marke Ford investieren.
China ist wichtiger Investor
Im Zeitraum Januar bis September 2021 legten nach Angaben der Zentralbank die ausländischen Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) um 7,6 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode zu. 2019 und 2020 hatten sie bei jeweils circa 3,5 Milliarden US$ gelegen. Ungefähr ein Drittel der FDI flossen 2020 in die Finanzwirtschaft, die Hälfte aller Investments stammten aus China.
Der nationale Wirtschaftsrat Council for the Development of Cambodia teilte im Dezember 2021 mit, dass chinesische Firmen seit 1990 über 27 Milliarden US$ im Land investiert haben und der chinesische Staat 4,6 Milliarden US$ an Zuschüssen zu Projekten gewährt habe.
Der jahrelange Immobilienboom, den Investoren und Wohnungskäufer aus China bis Covid-19 befeuert hatten, ist allerdings vorerst beendet. Der Hochbau meldet kaum noch neue Großaufträge, arbeitet aber noch viele Vorhaben ab. Die Risiken steigen. Die Immobilienblase könnte platzen, wenn Neubau und Nachfrage nach Immobilien noch stärker aus dem Gleichgewicht fallen. Weniger als 70 Prozent der Büro- und Einzelhandelsflächen im Zentrum der Hauptstadt Phnom Penh waren nach Angaben der Immobilienagentur CBRE im 3. Quartal 2021 vermietet.
Der ambitionierte Ausbau der Infrastruktur läuft hingegen auf Hochtouren. Mehrere Schnellstraßen sowie neue internationale Flughäfen in Phnom Penh und in Siam Reap sind im Bau. Weitere Großvorhaben sind geplant. Bauaufträge gehen meist an chinesische Firmen.
Das Parlament hat im September 2021 ein neues Investitionsgesetz verabschiedet. Es ordnet die Befreiungen von der Körperschaftssteuer neu. Zudem stellt es Investoren weitere Förderungen in Aussicht, wenn sie zur nationalen Entwicklung beitragen, forschen und neue Maschinen einsetzen.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (in Millionen US-Dollar) | Projektstand | Projektträger |
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Wasserkraftwerk Stung Treng (900 MW) | 1.663 | Planungsphase | |
Reifenwerk Celimo Tires (Jahreskapazität 6 Millionen Reifen) | 300 | Ankündigung | |
Neuer Containerterminal Hafen Sihanoukville | 200 | Ausschreibung Phase I, Baustart 2022 | Sihanoukville Autonomous Port, Finanzierung Japan International Cooperation Agency |
Livable Cities Investment Project (unter anderem Abfall- und Wasserprojekte) | 180 | Laufzeit bis 2027 | |
Siem Reap Tourism Development Masterplan (unter anderem Verkehrsprojekte) | k. A. | 2021 bis 2035 |
Offene Märkte und Freihandel weiter im Fokus
Im Januar 2022 trat das asiatische Freihandelsabkommen Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) in Kraft, dem Kambodscha von Beginn an angehört. Die United Nations Conference on Trade and Development schätzt, dass RCEP sich negativ auf die kambodschanischen Exporte auswirken werde, unter anderem weil China gegenüber anderen Ländern höhere Zollschranken abbaut.
Dennoch setzt die Regierung weiter auf Freihandel. Anfang Januar treten auch entsprechende bilaterale Abkommen mit China und Südkorea in Kraft. Beide Länder gewähren Kambodscha leichtere Marktzugänge für Bekleidung und Agrarerzeugnisse. Außerdem führt Phnom Penh mit der Eurasischen Wirtschaftsunion Gespräche über einen Start von Freihandelsverhandlungen.
Die deutschen Exporte nach Kambodscha beliefen sich von Januar bis September 2021 zwar nur auf 121 Millionen Euro. Allerdings wuchsen sie damit immerhin um knapp 9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Deutsche Hauptausfuhrgüter sind Maschinen, Kfz und Kfz-Teile.