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Branchen | Niederlande | Gesundheitswesen

Healthcare Monitor - Hohe Qualität in den Niederlanden

Das Gesundheitsbudget steigt infolge der Coronapandemie. Im internationalen Vergleich ist das System sehr gut. Die Pharma-, Biotech- und Medizintechnikbranche ist stark.

Von Torsten Pauly | Berlin

  • Entwicklungen im Gesundheitswesen

    Der Markt für digitale Gesundheitsleistungen wird sich in den kommenden Jahren sehr dynamisch entwickeln. Für deren Entwicklung bestehen in den Niederlanden gute Voraussetzungen.

    Die Covid-19-Pandemie hat das niederländische Gesundheits- und Pflegesystem stark in Mitleidenschaft gezogen. Dies zeigt sich daran, dass die Aufwendungen hierfür 2020 zwar um 8,3 Prozent gestiegen, die erbrachten Leistungen jedoch um 2,8 Prozent gesunken sind. Der Grund ist, dass viele Einrichtungen Kapazitäten für mögliche Coronapatienten freihalten mussten. Teilweise wurden andere Leistungen wie nicht akut nötige Operationen dafür verschoben. Im Jahr 2021 sollen die erbrachten Pflege- und Gesundheitsleistungen aber wieder um 4,5 Prozent steigen. Dies erwartet die ING Bank.

    Stark zunehmen wird die Digitalisierung im niederländischen Gesundheitswesen. Dies treibt auch die Regierung voran. Im letzten European eHealth Survey 2018 von HIMSS, der das Innovationspotenzial beleuchtet, belegten die Niederlande den dritten Rang nach Dänemark und Estland. Die Pandemie hat jedoch Kapazitätsgrenzen und Verbesserungspotenzial aufgezeigt. Wegen Corona hat die Regierung 2020 zusätzliche 77 Millionen Euro zur digitalen Fernbetreuung bereitgestellt.

    Die Niederlande haben zur Entwicklung von digitalen Gesundheitslösungen hervorragende Voraussetzungen. Es gibt einen starken Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), der 2020 etwa 5,2 Prozent der landesweiten Wirtschaftsleistung erbracht hat. Insbesondere die Erforschung der Künstlichen Intelligenz (KI) ist sehr gut aufgestellt und das Netzwerk entwickelt sich ständig weiter. Bereits Ende 2019 hat der Strategische KI-Aktionsplan der Regierung einen Schwerpunkt künftigen Wachstums explizit bei der Analyse gesundheitlicher Daten und regenerativer Medizin ausgemacht. Die Covid-19-Pandemie hat dann in den Niederlanden zu einer sehr raschen Entwicklung von KI-Applikationen geführt.

    Es gibt etwa 600 Start-ups im Sektor Gesundheit und Life Science, die sich vor allem in Amsterdam, Utrecht, Leiden, Rotterdam, Eindhoven und Maastricht konzentrieren. In Amsterdam hat auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA (European Medicines Agency) ihren Sitz. Darüber hinaus gibt es renommierte Institute wie das Niederländische Kompetenzzentrum zum elektronischen Austausch von Gesundheits- und Pflegedaten NICTIZ. Es gibt auch starke Gesundheitscluster wie das Health Valley, den Health Hub Utrecht oder Health Holland. Health Holland hat auch ein spezielles Start-up-Programm.

    Die Analysten von Fitch Solutions beziffern das Volumen des niederländischen Medizintechnikmarktes 2021 auf 5,1 Milliarden Euro und erwarten bis 2025 einen Anstieg auf 6,4 Milliarden Euro. In den Niederlanden selbst existiert eine starke Medizintechnikbrache. Diese zählte 2018 insgesamt 2.028 Unternehmen, die mit 13.320 Mitarbeitern 1,8 Milliarden Euro umgesetzt haben. Neben Konzernen wie Philips und ausländischen Investoren gibt es viele mittelständische Hersteller, die oft innovativ an der Schnittstelle zu IKT und Elektronik sind. In regionaler Hinsicht sind viele Firmen in den südlicheren Provinzen Süd-Holland, Noord-Brabant, Geldernland und Limburg zu finden.

    Der niederländische Pharmamarkt soll zwischen 2021 und 2025 kräftig von 7,4 Milliarden Euro auf 8,4 Milliarden Euro anwachsen, so Fitch Solutions. Die niederländische Pharmaindustrie und Biotechnologie ist ebenfalls stark entwickelt. Im Jahr 2018 haben 229 Pharmaunternehmen mit über 13.100 Beschäftigten 6 Milliarden Euro umgesetzt. Diese sind oft mittelständisch, forschungsintensiv und exportstark.

    Die Ausfuhrstärke der Hersteller wie auch die Rolle der Niederlande als internationale Logistikdrehscheibe dokumentiert sich im sehr intensiven Außenhandel. Sowohl mit Produkten aus eigener Herstellung wie auch mit Transitwaren erzielen die Niederlande hohe Erlöse. Im Jahr 2020 standen Medizintechnikimporten von 16,7 Milliarden Euro Exporte von 24,2 Milliarden Euro gegenüber. Auch bei Arzneimitteln war die niederländische Ausfuhr 2020 mit 45,2 Milliarden Euro bedeutend höher als die Einfuhr (30,6 Milliarden Euro).

    Eckdaten Gesundheitsmarkt in den Niederlanden

    Indikator

    Wert

    Einwohnerzahl (2021 in Mio.)

    17,2

    Bevölkerungswachstum (2020 in % p.a.)

    3,9

    Altersstruktur der Bevölkerung (2020)

     Anteil der unter 14-Jährigen (in %)

    15,7

     Anteil der über 65-Jährigen (in %)

    20,0

    Durchschnittsbruttomonatslohn (2019 in Euro)

    4.208

    Gesundheitsausgaben

     pro Kopf (2020 in Euro)

    5.147

     öffentlich

    4.352

     privat

    795

    Anteil der Gesundheitsausgaben

     am BIP (2020 in %)

    11,2

    Medikamente (Absatz 2020 in Mrd. Euro)

    7,1

    Anzahl Krankenhäuser (2019), davon

    568

     privat (in %)

    100

    Ärzte/1000 Einwohner (2019)

    3,7

    Krankenhausbetten/1000 Einwohner (2019)

    3,1

    Quelle: Eurostat 2021; OECD 2021; Fitch Solutions 2021

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Gesundheitssystem

    Das niederländische Gesundheitswesen erhält im internationalen Vergleich hervorragende Bewertungen. Eine Herausforderung ist die Alterung der Gesellschaft.

    Der EuroHealth Consumer Index der schwedische Agentur Health Consumer Powerhouse listet die Niederlande 2018 unter 35 untersuchten europäischen Ländern auf Rang zwei hinter der Schweiz und vor Norwegen. Eine Spitzenposition belegen die Niederlande unter anderem beim Umfang der Leistungen und in der Kategorie präventive Maßnahmen.

    Dies liegt auch an den sehr hohen finanziellen Mitteln, welche die Niederlande für die Gesundheit aufwenden. Im Jahr 2020 haben sich die Ausgaben für Gesundheit und Pflege auf 116,2 Milliarden Euro summiert. Das entsprach 6.660 Euro je Einwohner oder 14,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die reinen Gesundheitsausgaben beliefen sich 2020 auf 5.147 Euro pro Kopf- beziehungsweise 11,2 Prozent des BIP.

    Dabei dominiert der öffentliche Sektor, da alle niederländischen Beschäftigten in die gesetzlichen Versicherungen einzahlen. Dafür erhalten alle Einwohner eine sehr breite Basisversorgung. Darüber hinaus ist es möglich, bestimmte Zusatzleistungen gegen höhere Beiträge zu integrieren. Im Jahr 2020 hatte das öffentliche Gesundheitswesen einen Anteil von 85 Prozent an allen Gesundheitsausgaben.

    Viele Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen werden allerdings privat betrieben. Dabei haben einzelne Kliniken oder Gruppen und andere Träger häufig die Rechtsform einer Stiftung (niederländisch Stichting). Oft bilden mehrere Einrichtungen auch Einkaufsgemeinschaften.

    Die Aufwendungen für Pflege und Gesundheit nehmen weiter zu. Der im September 2021 vorgelegte Haushaltsentwurf für 2022 sieht vor, dass die Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Versicherungen um 6,9 Prozent auf 87 Milliarden Euro steigen.

    Stark erhöhen werden sich in den kommenden Jahren die Pflegekosten für Ältere. Dies liegt an der demographischen Entwicklung. Zwischen 2020 und 2035 soll die niederländische Bevölkerung über 64 Jahren laut Eurostat um 1,2 Millionen Menschen oder 35,1 Prozent zunehmen. Dieser Anstieg ist weit höher als im EU-Schnitt (+26,9 Prozent).

    Die Kaufkraft der älteren Bevölkerung ist in den Niederlanden im EU-Vergleich sehr hoch. So können niederländische Beschäftigte mit einer Pension oder Rente in Höhe von durchschnittlich 80 Prozent ihres letzten Arbeitslohns rechnen. Diese Rate ist weit höher als im OECD-Mittel (63 Prozent).

    Daher wird der Markt für Altenpflegeprodukte und -innovationen in den kommenden Jahren stark wachsen. Die Nachfrage nach Medikamenten und Gesundheitslösungen speziell für Ältere wird sich ebenfalls sehr dynamisch entwickeln. Auch hierfür bestehen in den Niederlanden sehr gute Voraussetzungen. Unter anderem hat die Uniklinik Groningen ein Zentrum für gesundes Altern.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Förderung und Investitionen

    In den Niederlanden existieren sowohl öffentliche als auch private Geldgeber für Innovationen im Gesundheitswesen.

    Die öffentliche Hand fördert Innovationen in den Niederlanden stark, unter anderem durch den National Growth Fund und die Wagniskapitalinitiative Dutch Venture Initiative. Im Jahr 2019 hat die Zentralregierung 29 Prozent aller Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Höhe von 17,8 Milliarden Euro finanziert. Im medizinischen beziehungsweise Gesundheitsbereich konzentrieren sich viele Forschungsvorhaben an den Universitätskliniken oder in deren Umfeld.

    Eine öffentliche Förderagentur für Gesundheitsprojekte ist ZonMw. Speziell für eHealth hatte die Regierung 2019 einen Finanzierungsleitfaden veröffentlicht. Private Financiers von medizinischen Entwicklungen sind etwa Gilde Healthcare, Lux Research, der PHS Fund, die Noaber Foundation und KPN Ventures.

    Im Oktober 2021 dauern die niederländischen Koalitionsverhandlungen seit der Wahl im März immer noch an. Daher steht nicht fest, ob die kommende Regierung für die nächsten Jahre spezielle Förderprogramme für den Gesundheitssektor auflegen wird. Es ist auch noch unklar, ob die Niederlande hierfür Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der EU verwenden werden.

    Große Investitionsprogramme eröffnen deutschen Anbietern besondere Geschäftschancen. Diese legen Kliniken oder auch Stiftungen, die mehrere Krankenhäuser oder andere Einrichtungen betreiben, auf.

    Ausgewählte Investitionsvorhaben in den Niederlanden

    Stadt/Region

    Art des Projekts

    Art der Investition

    Zeitraum

    Investitionssumme (in Mio. EUR)

    Kurze Beschreibung des Projekts

    landesweit

    Behinderteneinrichtungen


    Neubauten,

    Modernisierungen

    Bis 2025

    660

    Erstellt oder modernisiert werden Einrichtungen für 5.000 Menschen; Stichting s’Heeren Loo Zorggroep

    Hilversum

    Krankenhäuser

    Umbau, Neubau

    Bis 2023

    330

    Eine neue Klinik soll zwei alte Einrichtungen ersetzen; Stichting Tergooi

    Nord-Holland

    Krankhaus

    Neubau, Modernisierung, E-Health

    Bis 2022

    277

    In Alkmaar entsteht eine neue Klinik und am Standort Den Helder finden Modernisierungen statt. Dazu investiert die Gesellschaft in elektronische Patientenakten. Stichting Noordwest Ziekenhuisgroep

    Süd-Holland

    Behinderteneinrichtungen


    Neubau,

    Modernisierung

    Bis 2028

    250

    Einrichtungen zur Langzeitpflege werden neu errichtet oder modernisiert; Stichting Ipse de Bruggen


    Leythendorp

    Krankenhäuser

    Neubau

    Bis 2023

    140

    Ein Neubau soll stationäre und ambulante Betreuung bündeln. Dazu entstehen neue Unterbringungen für Krankenschwestern;

    Stichting Alrijne Zorggroep

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Rahmenbedingungen und Marktzugang

    Für Anbieter aus Deutschland und andere EU-Mitglieder bestehen in den Niederlanden keine Hemmnisse beim Marktzugang.

    Die Registrierung medizinischer Produkte obliegt der öffentlichen Agentur CBIG.

    Alle öffentlichen Ausschreibungen finden sich in den Niederlanden auf dem Portal Expertisecentrum Aanbesteden.

    Der digitale Vertrieb von Arzneien und anderen medizinischen Produkten nimmt stark zu und eröffnet Anbietern aus Deutschland neue Marktzugänge. Im zweiten Quartal 2021 ist der Absatz von ausländischen EU-Internetverkäufern um 16,9 Prozent auf 810 Millionen Euro gestiegen. Insgesamt hat sich der Umsatz des niederländischen Onlinehandels 2020 um 7 Prozent auf 26,6 Milliarden Euro erhöht. In einer Umfrage 2019 gaben bereits 76 Prozent der Befragten an, auch Gesundheits- und Pflegeprodukte im Internet zu kaufen. Allerdings sollten sich digitale Händler von Gesundheitsprodukten in den Niederlanden bei der Agentur CBIG registrieren und eine entsprechende Zertifizierung auf ihrer Webseite aufführen. Dies dient auch der Qualitätssicherung beziehungsweise dazu, den Vertrieb von Fälschungen zu vermeiden.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Kontaktadressen

    Die niederländische Gesundheits-, Pharma- und Medizintechnikbranche ist in vielen Vereinigungen organisiert.

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest 

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Exportinitiative Gesundheitswirtschaft

    Die Exportinitiative bündelt Unterstützungsangebote für die Internationalisierung der Gesundheitswirtschaft.

    AHK Niederlande

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministerie van Volksgezondheid, Welzijn en Sport (VWS)

    Ministerium für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport

    Nederlandse Zorgautotiteit (NZA)

    Behörde für das Gesundheitswesen

    Zorginstituut Nederland

    Nationales Gesundheitsinstitut, erstellt u.a. Analysen über das Gesundheitswesen

    Inspektie Gezondheitszorg en Jeugd

    Aufsichtsbehörde über das Gesundheits- und Jugendwesen

    Federatie van Medische Technologie

    Fachverband für Medizintechnik

    FME

    Technologieverband mit Untergruppierung zu Gesundheit und Pflege

    NVDG

    Pharmaverband

    NBV

    Biotechnologieverband

    Zorg totaal

    Fachmesse zu Gesundheit und Pflege; nächste: 14.-16.6.2021 in Utrecht

    Von Torsten Pauly | Berlin

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