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Niederlande streben bis 2050 klimaneutralen Energiemix an

Die Regierung will aus fossilen Energiequellen aussteigen und setzt dabei auf Windkraft, Solarenergie, Wasserstoff und Atomstrom. Der Umbau kostet hunderte Milliarden Euro.

Von Torsten Pauly | Berlin

Die Niederlande streben an, im Jahr 2050 nur noch 5 Prozent der Treibhausgase von 1990 auszustoßen. Dieses Ziel ist äußerst ambitioniert, denn 2020 lag das Niveau bei 76 Prozent. Das Land verursachte 2020 sogar die vierthöchsten Treibhausgasemissionen pro Kopf in der Europäischen Union (EU). Beim Endenergieverbrauch je Einwohner lagen die Niederlande 2021 EU-weit auf Rang sechs. Erdgas- und -öl haben 2021 noch 78 Prozent des Energieaufkommens ausgemacht. Fossile Brennstoffe spielen im Energiemix wegen der reichen Vorkommen seit Jahrzehnten eine tragende Rolle.

Niederländisches Energieaufkommen nach Quelle (2021)

Energiequelle

Menge (in Petajoule)

Insgesamt, darunter

3.011

  Erdgas

1.262

  Erdöl und Erzeugnisse daraus

1.090

  Abfall von Haushalten und Energie

116

  Feste primäre Biobrennstoffe

115

  Windkraft

65

  Photovoltaik

45

  Atomkraft

37

  Geothermie, Wärmepumpen

23

  Biogas

18

Quelle: Eurostat 2023


Bereitschaft zum Umbau ist groß

In weniger als drei Jahrzehnten wollen die Niederlande eine vollständige Transformation ihrer Energiewirtschaft erreichen, sowohl bei der Erzeugung als auch beim Verbrauch. Dies erfordert sehr hohe öffentliche und private Investitionen. Die Bereitschaft hierzu ist seitens der Regierung, der Unternehmen und in weiten Teilen der Bevölkerung vorhanden.

Niederländische Wind-, Solar- und Wasserstoffanlagen werden sich 2030 auf mindestens 49 Gigawatt, eventuell sogar bis zu 58 Gigawatt summieren. Das entspricht einem Kapazitätsanstieg um 81 bis 115 Prozent gegenüber 2022. Die Leistung pro Kopf war 2022 mit 1,6 Kilowatt leicht höher als in Deutschland (1,5 Kilowatt). Bis 2030 werden die niederländischen Kapazitäten mindestens 2,8 Kilowatt pro Kopf erreichen.

Das Klimabewusstsein hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Etwa 26 Prozent der niederländischen Landfläche liegen unter dem Meeresspiegel. Dort leben 21 Prozent der Bevölkerung. Die Niederlande zählen somit zu den Ländern, die von einer Erderwärmung, einem steigenden Meeresspiegel und von Sturmfluten weltweit am meisten Schaden nehmen können.

Große Nordseewindparks entstehen

Der Windkraftausbau geht rasch voran. Ende 2022 summierte sich die installierte Rotorleistung auf 6 Gigawatt zu Lande und 3 Gigawatt auf See. Hiervon haben die deutschen Hersteller Siemens 24 Prozent, Enercon 19 Prozent und Nordex 14 Prozent geliefert.

Laut dem Nationalen Energie- und Klimaplan von 2019 sollen die Windkraftkapazitäten bis 2030 auf 16,1 Gigawatt ansteigen. Davon entfallen 10 Gigawatt auf Nordseeparks. Dieses Ziel hat die Regierung Ende 2022 nochmals in die Höhe geschraubt: Nunmehr sollen 2030 bereits 21 Gigawatt in Offshore-Windparks am Netz sein. Es ist aber unklar, ob dies in der Kürze der Zeit und angesichts des planerischen Aufwands, der Kosten und der benötigten Lieferungen und Fachkräfte realisierbar ist. Über alle geplanten Offshore-Windparks informiert der Stromnetzbetreiber TenneT.

Starker Ausbau von Photovoltaikanlagen

Die Leistung von Photovoltaik (PV) in den Niederlanden hat Ende 2022 insgesamt 18,2 Gigawatt erreicht. Projekte mit einer Gesamtleistung von 11 Gigawatt befinden sich 2023 in der Planung. Das Ziel der Regierung, 2030 PV-Anlagen mit einer Kapazität von 27 Gigawatt am Netz zu haben, wird damit erreicht. Die Realisierung einiger Vorhaben kann sich aber verzögern, wenn Lieferanten und Installateure die große Nachfrage nicht bedienen können.

Viele große PV-Projekte entstehen innerhalb von Windparks. Da größere Freiflächen in den dicht besiedelten Niederlanden knapp und teuer sind, gibt es zudem immer mehr schwimmende PV-Parks.

Zwei Atomreaktoren geplant

Nuklearstrom ist für die Regierung die dritte Komponente für eine CO2-freie Elektrizität. Die Niederlande planen keinen Atomausstieg, sondern investieren sogar in neue Reaktoren. Dies hat das Kabinett in seinem Koalitionsvertrag Ende 2021 beschlossen. Die Regierung plant hierfür 5 Milliarden Euro ein.

Derzeit arbeitet ein Atomkraftwerk in Borssele in der Provinz Zeeland mit einem Block von 500 Megawatt Leistung. Zwischen 2028 und 2035 sollen dort zwei neue Reaktoren mit 1.000 und 1.650 Megawatt entstehen.

Niederlande wollen zum europäischen Wasserstoffhub werden

Die Niederlande wollen in der EU auch zu einem führenden Erzeuger und Importeur von Wasserstoff werden. Bis 2027 investiert die öffentliche Hand zunächst 1,5 Milliarden Euro in ein 12.000 Kilometer langes Leitungsnetz. 

Zudem sollen 2030 klimaneutrale Elektrolyseanlagen mit einer Gesamtkapazität von 4 Gigawatt existieren. Das ist ein Zehntel der bis dann EU-weit anvisierten Wasserstoffkapazitäten. Um dies zu erreichen, fördert die Regierung acht Großprojekte mit insgesamt 785 Millionen Euro.

Elektromobilität boomt

Auch die Emissionen des Verkehrssektors werden im kommenden Jahrzehnt stark sinken. Im Jahr 2022 hatten bereits 23,5 Prozent aller Neuwagen einen reinen Elektro- und weitere 36,1 Prozent einen Hybridantrieb. Damit sind die Niederlande in der EU zusammen mit skandinavischen Ländern führend in der Elektromobilität.

Die Niederlande haben auch das dichteste Ladenetz in Europa. Dabei fördern die Provinzen Elektromobilität mit kostenlosem Aufladen. Auf Landesebene gibt es zudem Kaufprämien für Elektroautos.

Industrie muss Schadstoffausstoß drastisch senken

Das verarbeitende Gewerbe und der Energiesektor waren 2021 für insgesamt 48 Prozent aller niederländischen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Um die Freisetzung von Kohlendioxid zu verringern, setzen die Niederlande auf dessen Abscheidung und Speicherung (Carbon Capture Storage). Zur Lagerung bieten sich ausgebeutete Gasfelder an.

Bis 2027 wollen die Niederlande 10,2 Megatonnen Kohlendioxid im Jahr unter die Erde bringen. Hierfür gibt es Projekte in Rotterdam, die der Staat mit 2,1 Milliarden Euro fördert. Die Niederlande wollen auch ein Leitungsnetz im Inland und nach Deutschland und Belgien errichten.

Versorger schalten jedes Jahr 200.000 Gaskunden ab

Parallel zu diesen Investitionen fahren die Niederlande die Erdgasnutzung herunter und nehmen bis 2030 etwa 1,5 Millionen Abnehmer vom Netz. Ab 2026 will die Regierung nur noch neue Heizungen mit Fernwärme oder Wärmepumpenkomponente erlauben. Deren Anschaffung unterstützt der Staat mit 150 Millionen Euro im Jahr.

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