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Electronic circuit board with processor, close up. Electronic circuit board with processor, close up. | © krasyuk/stock.adobe.com

Special | Niederlande | Beschaffung

Niederlande fördern Chipfabriken

Die Niederlande bestechen als Standort für die Elektronikindustrie durch Innovationskraft und eine exzellente Anbindung nach Deutschland. Allerdings sind die Lohnkosten sehr hoch.

Von Torsten Pauly | Berlin

Anfang 2023 lief die Konjunktur in der niederländischen Elektronikindustrie rund. Für das Gesamtjahr rechnen 45 Prozent aller Branchenunternehmen mit steigenden und nur 2 Prozent mit sinkenden Umsätzen. Dies ergibt eine Erhebung des Statistikamtes CBS. Bereits 2022 war die Produktion von elektronischen, Datenverarbeitungs- und optischen Erzeugnissen kalendertagbereinigt um 14,1 Prozent gewachsen.

Auch neue Großfabriken lassen die Erzeugung weiter steigen. Allein 1,1 Milliarden Euro investiert das Unternehmen PhotonDelta in Eindhoven. Dort entsteht eine Produktionsstätte für photonisch-elektronisch integrierte Schaltkreise. Die öffentliche Hand fördert das Projekt mit 470 Millionen Euro.

Etwas weniger dynamisch entwickelt sich die niederländische Elektroindustrie. Deren Erzeugung hat 2022 kalendertagbereinigt um 3 Prozent zugenommen. Für 2023 erwarten zwar 45 Prozent aller Elektrohersteller ein Umsatzplus. Doch 21 Prozent aller Branchenfirmen gehen auch von einem niedrigeren Umsatz aus.

Elektro- und Elektroniklieferungen nach Deutschland steigen stark

In den letzten Jahren haben deutsche Unternehmen elektronische und elektrische Produkte bereits zunehmend in den Niederlanden beschafft. Dies liegt auch an den vielfach unterbrochenen Lieferketten aus Übersee. So waren die niederländischen Elektronikexporte nach Deutschland 2022 um 9,1 Prozent höher als im Vorjahr. Gegenüber 2018 betrug das Plus sogar 33,1 Prozent. Die niederländischen Sendungen von Elektrotechnik nach Deutschland haben sich von 2018 bis 2022 sogar mehr als verdoppelt (+126,6 Prozent).

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Im Jahr 2022 kamen 23 Prozent aller deutschen Elektronikimporte aus den Niederlanden. Damit hatte das Nachbarland einen noch höheren Lieferanteil als die Volksrepublik China (20 Prozent). Dazu hat Deutschland 2022 über 8 Prozent seiner Einfuhren von Elektrotechnik aus den Niederlanden bezogen.

Dabei ist aber zu beachten, dass sich in Rotterdam Europas größter Hafen befindet. Daher spielen Transitwaren beim niederländischen Außenhandel eine große Rolle. So machten Reexporte 2021 etwa 45 Prozent der niederländischen Gesamtausfuhr aus. Dennoch exportieren die Niederlande sehr viel Hightech aus eigener Erzeugung. Die Ausfuhr von selbst gefertigten Maschinen und Elektronikgeräten hat sich 2021 laut CBS auf 67,8 Milliarden Euro summiert.

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Viele Kleinunternehmen, aber auch ein Weltmarktführer

Im Jahr 2021 haben die Hersteller von Elektronik 4,7 Prozent und die von Elektrotechnik 4,1 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung im niederländischen verarbeitenden Gewerbe erbracht. Damit bilden die Branchen den viertwichtigsten Industriezweig, nach der Nahrungsmittel- und Getränkeverarbeitung, dem Maschinenbau und dem Chemiesektor. Insbesondere zur Mechatronik und zu Maschinenbauern hat die Elektronikindustrie große Schnittmengen. Der Technologiekonzern FME unterhält dazu branchenübergreifende Arbeitsgruppen.

Die beiden größten Branchenunternehmen sind der Elektrokonzern Philips und der weltgrößte Chipmaschinenbauer ASML, der einst aus Philips hervorgegangen ist. Vornehmlich ASML hat volle Auftragsbücher. Die niederländische Regierung hat 2023 allerdings entschieden, dass ASML keine Anlagen mit der neuen Deep-Ultra-Violet-Technologie (DUV) mehr nach China liefern wird. Der Grund ist Technologiesicherheit. ASML hat die DUV-Technik als bisher einziger Hersteller weltweit zur Serienreife gebracht.

Insgesamt sind in der niederländischen Elektronikindustrie 1.850 Unternehmen tätig. Diese sind mit durchschnittlich 15 Beschäftigten oftmals klein, jedoch in Nischen technologisch stark. Hinzu kommen knapp 1.400 Firmen in der Elektroindustrie. Diese stellen im Mittel 17 Arbeitsplätze.

Die niederländische Elektro- und Elektronikindustrie in Zahlen

Kennziffer

2020

Elektronikindustrie 1)

  Unternehmen (Anzahl)

1.849

  Umsatz (in Milliarden Euro)

25,9

  Beschäftigte (Anzahl)

27.000

Elektroindustrie 2)

  Unternehmen (Anzahl)

1.389

  Umsatz (in Milliarden Euro)

11,8

  Beschäftigte (Anzahl)

23.400

1 NACE-2.0-Position 26; 2 NACE-2.0-Position 27Quelle: Eurostat 2023

Weltklasse in Forschung und Entwicklung

Die Niederlande sind ein sehr innovationsstarker Elektronikstandort. Forschungsnetzwerke haben sich unter anderem im Umfeld der renommierten Technischen Universitäten in Eindhoven und Delft sowie der Universität Groningen gebildet. Alle drei Hochschulen haben einen starken Fokus auf Elektronik und Elektrotechnik. Hierzu forscht auch das öffentliche niederländische Institut TNO.

Ein starkes Elektronik- und Elektrocluster ist vor allem im Großraum Eindhoven entstanden. Dort hat auch Philips seinen Hauptsitz. Das Europäische Patentamt hat Eindhoven 2020 sogar zum innovativsten europäischen Gebiet in Sachen Industrie 4.0, künstliche Intelligenz und 5G-Netze erklärt. Damit liegt Eindhoven noch vor den Agglomerationen London und München. In den Niederlanden gibt es auch ein eigenes Cluster für Halbleitertechnologien.

Fachkräftemangel und Lieferengpässe bleiben ein Problem

Im Februar 2023 beklagten 48 Prozent aller Elektronikunternehmen und 36 Prozent aller Elektrofirmen in einer Erhebung von CBS, nicht genug Vorprodukte zu erhalten. Die Knappheit bringt auch mit sich, dass die Produzentenpreise im niederländischen verarbeitenden Gewerbe im Januar 2023 um 10,6 Prozent höher waren als vor Jahresfrist.

Auch die Besetzung offener Stellen war im Februar 2023 laut CBS für 14 Prozent aller Elektronik- und für 22 Prozent aller Elektrofirmen ein Problem. Zudem zählen die niederländischen Bruttoindustrielöhne mit durchschnittlich 3.673 Euro im Monat (2021) zu den höchsten in Europa.

Viele Firmen sind unweit von deutscher Grenze ansässig

Räumliche Zentren der Elektronik- und Elektroindustrie sind zum einen die bevölkerungs- und wirtschaftsstärksten Provinzen Nord- und Südholland, zum anderen die von Deutschland besonders gut erreichbaren Regionen Nordbrabant und Gelderland. Es existiert auch ein niederländisch-nordrheinwestfälisches Cluster für Photonik, Materialforschung und Nanotechnologie.

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Hinweise zu Transport und Logistik

Egal ob Straßen, Bahntrassen und Wasserwege - die nationalen Verkehrsnetze sind in den Niederlanden in einem hervorragenden Zustand. Mit den großen Seehäfen in Rotterdam, Amsterdam und in Zeeland sind die Niederlande auch für Deutschland ein Drehkreuz für den Handel mit Übersee.


Die meisten deutschen Regionen sind von niederländischen Standorten aus innerhalb weniger Stunden erreichbar. Insgesamt profitieren die Niederlande von ihrer Lage im Zentrum der sogenannten "blauen Banane", jener wirtschaftsstarken Region, die sich von Südengland über Nordfrankreich, die Benelux-Staaten, den Westen Deutschlands und die Schweiz bis nach Norditalien erstreckt.


Weitere Informationen zu zollrechtlichen Regeln bietet unser Überblick zur Wareneinfuhr in die EU.

Hinweise zur Geschäftspraxis

Treffen mit niederländischen Geschäftspartnern sollten gut vorbereitet sein - insbesondere sollten Sie die möglichen Vorteile für beide Seiten klar benennen können. Oft wollen niederländische Geschäftspartner auch etwas über Sie wissen. Daher ist zu Beginn eines ersten Treffens oft eine Aufwärmphase gewünscht, bevor es zum wirtschaftlichen Kern des Besuchs kommt. Als Verhandlungssprache sollten Sie immer von Englisch ausgehen, obschon viele Niederländer Deutsch sprechen. Schlagen Sie Deutsch jedoch nicht selber vor.

Kontaktadressen

Bezeichnung

Anmerkung

AHK Niederlande

Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

Ministerie van Economische Zaken en Klimaat

Ministerium für Wirtschaft und Klima

Koninklijk Nederlands Normalisatie Instituut

Verband der Technologieindustrie (u.a. Elektronik-, Elektroindustrie, Maschinenbau)

FME

Verband der Technologieindustrie (u.a. Elektronik-, Elektroindustrie, Maschinenbau)

Dutch Data Center Association

Vereinigung der Datenzentren

World of Technology and Science

Zweijährliche Fachmesse für Elektronik, (Industrie-)Automatisierung, Robotik in Utrecht; nächster Termin im September 2024

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