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Drehscheiben für den Handel vor Ort und die Welt
Der Logistiksektor Nordafrikas hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Der Ausbau verlief jedoch in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich.
28.08.2023
Von Michael Monnerjahn | Bonn
Auf dem afrikanischen Kontinent können Transportkosten bis zu viermal so hoch sein wie in Europa, Nordamerika oder Asien – nicht jedoch in Nordafrika. Marokko ist nicht nur geografisch lediglich 14 Kilometer von Europa entfernt, sondern erreicht mit seinem Hafen Tanger Med internationales Niveau bei der Seefracht. Ägypten ist seit langem der größte nordafrikanische Markt. Entsprechend lange und gut sind deutsche Unternehmen aus der Logistikbranche vor Ort vertreten. Zuletzt wurden auch größere Investitionen, etwa durch DB Schenker in Umschlagplätze und Hapag-Lloyd an Hafenterminals bekannt gegeben.
Marokkos Transportsektor entwickelt sich dynamisch. In den vergangenen Jahren ist das Königreich als Absatzmarkt sowie als Investitionsstandort bedeutender geworden. Auch deutsche Logistikunternehmen wie DHL, Hapag-Lloyd, Kühne + Nagel und Rhenus, haben ihre Präsenz in Marokko zuletzt verstärkt. Sowohl in Marokko als auch in Tunesien gibt es zahlreiche Unternehmen, die Lieferungen Just-in-Time über das Mittelmeer organisieren. Tunesien bietet einen schnellen Frachtverkehr nach Italien, und die Anbindung im Land ist gut. In Algerien sind ebenfalls deutsche Logistikunternehmen vor Ort oder haben enge Kooperationspartner. Allerdings gibt es bisher wenige deutsche Firmen, die vor Ort für den europäischen Markt produzieren. Die Anbindung ist deshalb nicht so dicht wie in Tunesien oder Marokko.
Häfen wollen mehr als Logistik anbieten
Ägypten und Marokko profitieren jeweils von ihrer geografischen Lage. Marokko bildet gemeinsam mit Spanien den Eingang zum westlichen Mittelmeerraum. Ägypten bietet wiederum mit dem Suezkanal den Zugang zum östlichen Mittelmeer. Beide Länder nutzen ihre Position, um auch ein attraktiver Umschlagplatz für die rege Schifffahrt zu sein. Dazu gehören eine moderne Hafeninfrastruktur sowie industrielle Zonen, die neben Logistikdienstleistungen auch die Produktion von Waren ermöglichen. Die Häfen sind für alle nordafrikanischen Staaten von zentraler Bedeutung. Über sie wird der Großteil des Außenhandels – oft über 95 Prozent – abgewickelt. Lediglich der Export von Erdgas kann zu einem wesentlichen Teil mit Europa auch durch Pipelines abgewickelt werden. Während die Häfen im Westen und Osten des Mittelmeers jeweils internationale Standards erreichen oder dabei sind, diesen zu erreichen, sieht es in den Ländern dazwischen recht unterschiedlich aus.
Algerien und Tunesien benötigen weitere Investitionen
Der Hafen in Algier befindet sich in einem Ranking der Weltbank – dem Global Ranking of Container Ports – lediglich auf Rang 306 von 370, während der marokkanische Tanger Med auf Platz 6 und der ägyptische Port Said auf Platz 15 in diesem Ranking landet. Allgemein dauert der Umschlag der Container in Algerien länger als in den modernen Häfen von Ägypten und Marokko. In Tunesien haben mangelnde Investitionen im vergangenen Jahrzehnt die Leistung der Häfen zurückfallen lassen.
Die Häfen in Algerien und Tunesien haben nicht nur bei den Investitionen Defizite. Sie profitieren auch nicht von dem Know-how-Transfer durch weltweit tätige Reedereien, wie Hapag-Lloyd und Maersk, die sich in Ägypten und Marokko teilweise an Terminals beteiligen. Die libyschen Häfen leben praktisch seit über einem Jahrzehnt von der Substanz.
Straßen genießen Priorität bei Investitionen
Während im Außenhandel der Schiffsverkehr dominiert, ist es im Binnenhandel die Straße, über die meist deutlich mehr als 90 Prozent des Handels abgewickelt wird. Die Gesamtlänge der befestigten Straßen Nordafrikas ist mit 231.000 Kilometer nur gut ein Drittel so lang wie das deutsche Straßennetz. Über das längste Straßennetz verfügt das größte Land der Region, Algerien. Darauf folgt Marokko, dessen Straßennetz auf den Hauptverkehrsadern gut ausgebaut ist. Die Strecke von der nördlichen Hafenstadt Tanger über Kenitra, Rabat, Casablanca und Marrakesch nach Agadir ist modern und bietet eine schnelle Verbindung. Das Gleiche gilt für die Straße von Rabat am Atlantik nach Osten über Fes bis zur algerischen Grenze nach Oujda. Weniger gut ist die Anbindung der Regionen außerhalb dieser Hauptachsen des Landes.
Die wichtigste Verbindung in Algerien verläuft in der Nähe der Küste von Ost nach West. Die bisher kostenlose Autobahn soll im Verlauf des Jahres 2023 in eine mautpflichtige Straße umgewandelt werden. Kurz vor der Fertigstellung ist eine Verbindung durch die Sahara Richtung Süden: Eine über 5.000 Kilometer lange Straße soll in Zukunft Algier mit der nigerianischen Stadt Lagos verbinden. Tunesien verfügt als kleinstes Land der Region über das kürzeste, aber zugleich auch dichteste Straßennetz. Derzeit wird ein Teil der Straßeninfrastruktur mit Unterstützung der Europäischen Investitionsbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank erneuert. Die wichtigste Straßenverbindung in Libyen verläuft entlang der Küste in Ost-West-Richtung. Der jahrelange Bürgerkrieg macht Investitionen praktisch unmöglich und verhindert außerdem einen landesweiten Straßenverkehr.
Ägypten hat ein stetig wachsendes Straßennetz. Allein seit 2014 sind im Rahmen eines nationalen Infrastrukturprogramms 7.000 Kilometer erneuert oder neu gebaut worden. Nach Ansicht des World Economic Forum verfügt Ägypten inzwischen über die beste Straßenqualität in Afrika. Entlang des Niltals und zwischen den großen Häfen im Norden ist ein schneller Gütertransport per Straße möglich.
Mit Hochgeschwindigkeit in die moderne Bahninfrastruktur
Der Schienenverkehr spielt in den meisten nordafrikanischen Ländern bisher eher eine nachrangige Rolle. Für den Transport von bestimmten Rohstoffen sind die Eisenbahnstrecken zwar von großer Bedeutung, aber der Anteil der Eisenbahn am gesamten Transportvolumen liegt unter 10 Prozent. In Ägypten liegt der Anteil der Schiene sogar noch unter 5 Prozent, aber das Transportministerium will das auf Schienen transportierte Volumen an Waren bis 2025 auf 25 Millionen Tonnen verfünffachen. Die ägyptische Regierung will dazu die Häfen besser mit dem Großraum Kairo verbinden und vor allem die Umschlagmöglichkeiten in den Städten verbessern.
Neben dem Güterverkehr wird auch kräftig in den Passagierverkehr investiert. Ein internationales Konsortium um Siemens Mobility soll bis 2025 in einem ersten Schritt eine 660 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitsstrecke vom Roten Meer bis nach Alexandria am Mittelmeer fertigstellen. Das umfasst neben dem Bau der Gleise auch die Gleistechnik, die Elektrifizierung und die Züge. Insgesamt sollen dann 2.000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecken entstehen. Eine Tochter der Deutschen Bahn soll wiederum für den Betrieb des neuen Schienennetzes sorgen.
Das erste Hochgeschwindigkeitsnetz Afrikas hat jedoch Marokko verwirklicht. Im ersten Abschnitt mit einer Länge von 323 Kilometer von Tanger nach Casablanca kommt auf den Gleisen französische Technologie zum Einsatz. Der Zug Al-Boraq hat eine Geschwindigkeit von bis zu 350 Kilometer pro Stunde. Bis 2040 soll ein Hochgeschwindigkeitsnetz mit einer Länge von insgesamt 1.300 Kilometer entstehen. Algerien setzt ebenfalls auf den Ausbau seines Eisenbahnnetzes, aber zunächst auf den Passagier- und Güterverkehr mit normaler Geschwindigkeit. Das bisherige Streckennetz von rund 4.000 Kilometer soll bis Ende 2023 auf zunächst 6.500 Kilometer; bis 2030 sogar auf 12.500 Kilometer ausgebaut werden. Die ersten neuen Züge von Alstom fahren bereits an der Küste zwischen den Städten Algier und Oran. Im Süden soll die 800 Kilometer von der Küste entfernte Eisenerzmine Gara Djebilet angeschlossen werden.
Tunesien hat im Schienenverkehr ein vergleichsweise dichtes Netz. Bis 2040 sollen insgesamt 8,5 Milliarden Euro in den Schienenverkehr investiert werden, um vor allem den Stadt- und den Regionalverkehr auszubauen. Ein Land ganz ohne Schienenverkehr ist seit 1965 Libyen.