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Entscheidungen für elf Offshore-Flächen

Bei der Vergabe der neuen Offshore-Gebiete setzen sich offenbar die polnischen Staatskonzerne durch. Für Zulieferer gibt es weiterhin Potenzial. Wichtig sind Partner in Polen.

Von Christopher Fuß | Warschau

Polens Infrastrukturministerium hat für alle Offshore-Windgebiete aus der zweiten Vergaberunde eine Investorenentscheidung getroffen. Von den elf Flächen sollen fünf an den staatlichen Energiekonzern PGE gehen. Tochtergesellschaften des staatlichen Mineralölkonzerns PKN Orlen werden nach aktuellem Stand ebenfalls fünf Gebiete erhalten. Ein Offshore-Bereich bleibt ohne Investor. Orlen verfolgt alle neuen Projekte im Alleingang. PGE hingegen arbeitet bei drei Projekten mit Partnern zusammen.

Das Infrastrukturministerium musste aus über 100 eingereichten Anträgen entscheiden. Zu den Bewerbern gehörten neben der deutschen RWE auch Firmen wie Shell, Total oder Equinor. Das Rennen um Polens Offshore-Gebiete ist mit der Vergabe der elf Gebiete nicht vorbei. Unternehmen, die leer ausgegangen sind, haben mehrere Einspruchsmöglichkeiten. Wie das Branchenmagazin WysokieNapiecie berichtet, wehren sich Interessenten bereits gegen die Ergebnisse.

Die Standortentscheidungen fielen anhand eines Punktekatalogs. Wirtschaftsverbände bemängeln an den Kriterien des Infrastrukturministeriums vor allem einen Aspekt: Unternehmen mit einem hohen Anteil an konventionellen Kraftwerken erhalten mehr Punkte als Firmen mit viel erneuerbarer Energie im Strommix. Polen wolle damit den eigenen Kohle- und Gas-intensiven Energieerzeugern einen Vorteil verschaffen, so der Vorwurf. Andere Länder in der EU würden Offshore-Gebiete einfach versteigern.

Unternehmen aus Deutschland können sich durchsetzen

Die Zukunft der elf Gebiete aus der zweiten Vergaberunde scheint noch offen. Bei den neun Offshore-Flächen aus dem ersten Zuschlagsprozess ist die Lage hingegen klarer. Hier konnten sich neben den staatlichen Energiekonzernen auch RWE sowie Unternehmen aus Dänemark, Frankreich, Norwegen und Portugal durchsetzen.

Deutsche Zulieferer freuen sich in diesem Zusammenhang über weitere Aufträge. Der deutsch-spanische Windturbinenhersteller Siemens Gamesa hatte bereits Abkommen mit dem Offshore-Konsortium aus Polenergia und Equinor getroffen. RWE gehört ebenfalls zum Kundenkreis. Im April 2023 unterzeichnete auch das Konsortium aus PGE und der dänischen Ørsted einen Liefervertrag.

Nicht nur Turbinenhersteller profitieren von den Offshore-Investitionen. Das Konsortium aus Orlen und der norwegischen Northland setzt beispielsweise auf Fundamente des deutschen Zulieferers Steelwind Nordenham. Von polnischer Seite können vor allem Kabelproduzenten Aufträge an Land ziehen. Große polnische Hersteller wie TFKABLE arbeiten mit Orlen zusammen.

Internationale Zulieferer investieren in Polen

Der ehemals größte polnische Hersteller von Fundamenten ST3 musste vor einigen Jahren Konkurs anmelden. Mittlerweile scheint es einen Käufer für das Firmengelände in Szczecin zu geben. Der dänische Turbinenhersteller Vestas konnte sich bei einer Versteigerung durchsetzen - gegen den deutschen Mitbieter ThyssenKrupp. Verschiedene Ministerien müssen dem Kauf noch zustimmen. Überhaupt setzt Vestas verstärkt auf Szczecin. In der polnischen Hafenstadt baut das Unternehmen ein Werk für Turbinenkomponenten. Orlen wird seine Offshore-Anlagen mit Technik von Vestas ausstatten.

Dass ausländische Investoren neue Produktionsstandorte aufbauen, hängt auch mit Anforderungen der polnischen Regierung zusammen. Sie möchte, dass ein guter Teil der Wertschöpfung in Polen stattfindet (Local Content). Bereits 2021 unterzeichneten die wichtigsten Spieler am Offshore-Markt einen sogenannten Sector Deal - eine Art freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie, um eine polnische Wertschöpfungskette aufzubauen. Demnach werden bei Projekten aus der ersten Vergaberunde zwischen 20 und 30 Prozent der Wertschöpfung in Polen stattfinden. Bis 2030 steigt der Wert auf 50 Prozent.

Um die Quoten zu erfüllen, gründen Unternehmen in Polen Niederlassungen oder beauftragen polnische Lieferanten. Der Geschäftsführer von Siemens Gamesa in Polen, Paweł Przybylski, erklärte gegenüber dem Portal Zielonagospodarka beispielsweise: "Wir kaufen in Polen jedes Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von mehr als 250 Millionen Euro ein. Im September 2021 haben wir den Sector Deal unterzeichnet. Infolgedessen sind wir ständig auf der Suche nach neuen lokalen Partnern, auch für unsere globale Lieferkette."

Prognose und Potenzial

Laut der aktualisierten Energiestrategie Polens (PEP2040) soll im Jahr 2030 die installierte Leistung von Offshore-Windkraftwerken bei 5,9 Gigawatt liegen. Bis 2040 soll die Leistung auf 18 Gigawatt steigen. Der polnische Branchenverband der Windenergie (PSEW) schätzt, dass Polens Ostsee ein Potenzial für bis zu 33 Gigawatt hat.

Die Häfen sind noch nicht vorbereitet

Zu den Dreh- und Angelpunkten in der Offshore-Wertschöpfung zählen die Häfen. Investoren bauen mehrere Standorte aus. Orlen beispielsweise setzt ganz auf den Hafen von Świnoujście. Dort will das Unternehmen bis Anfang 2025 ein Installationsterminal errichten. Die neue Anlegestelle ist nötig, um Türme und Turbinen umzuschlagen. Die Bauarbeiten sollen schon 2023 beginnen - und das nicht nur an Land. Baggerschiffe werden die Fahrrinne des Hafens vertiefen. Weitere Installationsterminals entstehen in den Hafenstädten Gdańsk und Gdynia.

RWE hingegen konzentriert sich auf den Hafen Ustka. Den Plänen zufolge soll hier ein Wartungsterminal entstehen. Das Projekt befindet sich noch in einer frühen Phase. RWE ist nicht der einzige Offshore-Investor in Ustka. Auch PGE will hier ein Wartungsterminal bauen. Andere Unternehmen nehmen die Häfen in Łeba und Władysławowo als Servicestandorte in den Blick.

Eine Besonderheit im polnischen Offshore-Markt ist, dass der Investor für den Netzanschluss verantwortlich ist. Orlen baut darum in der Gemeinde Choczewo, östlich von Gdańsk, ein Umspannwerk. Hinter der Anlage steht ein Konsortium aus der amerikanischen GE und der polnischen Enprom. Ab 2026 soll die Station ihren Betrieb aufnehmen.

Eine Herausforderung für die ganze Branche ist, dass fast alle Staaten an Nord- und Ostsee neue Offshore-Anlagen bauen. Was fehlt, sind Fabriken und Schiffe, um die Projekte umzusetzen. Hinzu kommt die Inflation, die Projekte deutlich teurer macht. RWE beispielsweise hat bereits angedeutet, dass es bei dem Windpark aus der ersten Vergaberunde zu Verzögerungen kommen könnte.

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