Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Russland | Sanktionen | Ölembargo

Embargo und Preisdeckel treffen Russlands Öleinnahmen

Das EU-Ölembargo und der G7-Preisdeckel zielen darauf ab, Russlands Einnahmen aus Ölexporten verringern. Der Kreml droht mit Lieferstopp und sucht alternative Abnehmer in Asien.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Russland war vor Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine mit rund 8 Millionen Barrel Rohöl und Ölprodukten pro Tag (bpd) der zweitgrößte Exporteur der Welt. Steuern auf Ölausfuhren sorgen für ein Fünftel der Einnahmen des Staatshaushalts. Um die Finanzierung des Krieges zu erschweren, nimmt die Europäische Union (EU), der bis dato wichtigste Abnehmer, nun Moskaus Devisenbringer Nummer eins ins Visier. Die russische Regierung hebt die Steuersätze auf Brennstoffexporte an, um die Folgen des Rückgangs der Ausfuhrmenge auszugleichen.

Importverbot drosselt Russlands Öllieferungen nach Europa

Seit 5. Dezember 2022 ist ein Einfuhrstopp für Rohöllieferungen per Tankschiff in die EU in Kraft. Ab 5. Februar 2023 sind Ölprodukte betroffen. Dem Importverbot unterliegen auch Ölmischungen aus Drittländern, wenn sie russisches Rohöl enthalten. Das Embargo betrifft rund zwei Drittel der russischen Ölexporte nach Europa.

Öllieferungen über die Pipeline Druschba sind vorerst nicht vom Embargo betroffen. Über deren Südstrang werden Ungarn, Tschechien und die Slowakei weiter mit russischem Öl beliefert. Deutschland will ab Januar 2023 kein Rohöl mehr über den Nordstrang der Pipeline, über den die Raffinerien in Schwedt und Leuna versorgt werden, beziehen.

Preisobergrenze soll Lieferungen in Drittländer beschränken

Die G7-Staaten, die EU und Australien einigten sich auf die Einführung eines Ölpreisdeckels von 60 US$ pro Barrel Öl der Sorte Ural, der ebenfalls seit 5. Dezember 2022 in Kraft ist. Ab 5. Februar 2023 kommen Ölprodukte hinzu. Die Preisobergrenze liegt bewusst über den Produktionskosten der russischen Ölförderer, die je nach Lagerstätte zwischen 15 und 40 US-Dollar pro Barrel betragen. Damit soll Russland einen Anreiz haben, weiter Öl auf den Weltmarkt zu liefern. Der Preisdeckel soll im 2-Monats-Rhythmus angepasst werden.

Die Preisobergrenze erlaubt den Transport von aus Russland stammendem Rohöl und Ölprodukten per Schiff nur dann, wenn der Preis unterhalb der Obergrenze liegt. Zur Durchsetzung dieser Maßnahme hat der Westen mächtige Hebel in der Hand. Rund 55 Prozent der Tankschiffe, die im September 2022 russisches Öl transportierten, fuhren unter EU- oder G7-Flagge, schätzt S&P Global Commodity Insights. Zudem sitzt ein Großteil der Versicherungs- und Zertifizierungsunternehmen, die für den Betrieb einer Tankerflotte nötig sind, in westlichen Ländern. Der International Group of Protection and Indemnity Club (P&I) in London versichert 95 Prozent der globalen Öltankerflotte.

Ölsanktionen wirken sich kaum auf den Weltmarkt aus

Nach der Einführung des Ölpreisdeckels gingen die Ausfuhren von Rohöl aus russischen Ostsee- und Schwarzmeerhäfen um rund 50 Prozent auf 3,9 Millionen bpd zurück, meldet Tanker Trackers Inc, ein Analyseportal von Schiffsbewegungen. Vor dem Bosporus stauen sich 27 Tankschiffe, weil die Türkei die Durchfahrt von Öltankern ohne international anerkannte Schiffsversicherung verbietet.

Weder der Ölpreisdeckel, noch das Einfuhrembargo führen aktuell zu einem Angebotsdefizit auf dem Weltmarkt. Kostete ein Fass der Sorte Ural am 5. Dezember 2022 auf dem Spotmarkt noch 62,70 US$, sank der Preis bis 9. Dezember auf rund 49,50 US$ und lag damit unter der Preisobergrenze.

Die OPEC-Plus, deren Mitglied Russland ist, entschied sich, die derzeitige Fördermenge beizubehalten. Noch im Oktober 2022 beschloss die aus 23 Ländern bestehende Organisation die Reduzierung der Produktion um 2 Millionen bpd.

Bild vergrößern

Schatten-Tankerflotte soll Sanktionen aushebeln

Russland hat Gegenmaßnahmen angekündigt, die bis Ende des Jahres beschlossen werden sollen. Der Kreml will den Export von Energieträgern an alle Länder einstellen, die den Ölpreisdeckel mittragen. Zudem will Moskau die Erwähnung von Preisobergrenzen in Verträgen für Rohöl und Ölderivate verbieten. Im Gespräch ist eine Rabattgrenze, die russischen Ölfirmen untersagt, für Öl der Sorte Ural mehr als einen festgelegten Höchstrabatt zur Sorte Brent zu gewähren.

Außerdem erweitert Russland eigene Transportkapazitäten, um keine westlichen Beförderungsdienstleistungen in Anspruch nehmen zu müssen. Das Land erwarb mehr als 100 veraltete Schiffe, um eine Schatten-Tankerflotte aufzubauen, meldet das norwegische Marktforschungsinstitut Rystad. Diese Schiffe werden beim Kauf nicht mit US-Dollar bezahlt, von der Russischen Nationalen Versicherungsgesellschaft (RNPK) versichert und von der russischen Reederei Sovcomflot zertifiziert. Damit bleiben sie unter dem westlichen Sanktionsradar. Mit dieser Flotte könnte Russland bis zu 90 Prozent seiner aktuellen Ölexporte per Schiff aufrecht erhalten.

Doch ein Defizit an Tankschiffen mit Eisklasse schränkt den Transport über den Nördlichen Seeweg ein. In den Wintermonaten muss der lange und kostspielige Umweg durch den Suezkanal nach Asien genommen werden.

Es gibt auch Versuche, die Herkunft russischen Öls zu verschleiern. So wird Rohöl auf hoher See umgeladen, mit Öl anderer Herkunft vermischt oder in Drittländern raffiniert, berichtet das Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA).

Russland leitet Öllieferungen auf alternative Absatzmärkte um

Moskau orientiert seine Ölexporte nach Osten um. Die Öllieferungen per Tanker nach Asien stiegen in den ersten zehn Monaten 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund ein Drittel auf 1,6 Millionen bpd, berechnete S&P Global Commodity Insights. Die größten Zuwächse verzeichnen Indien und China. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und die Türkei sowie dem Kreml nahestehende Schwellenländer füllen ihre Lager mit verbilligten russischem Öl auf.

Bild vergrößern

Russland räumt seinen alternativen Abnehmern schon jetzt kräftige Preisnachlässe von bis zu 30 Prozent ein. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Obwohl weder Indien noch China den Ölpreisdeckel mittragen, ist damit zu rechnen, dass sie russisches Öl nicht zu einem höheren Preis kaufen, sondern weitere Rabatte einfordern werden.

Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.