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Branchen | Ukraine | Gesundheitswirtschaft

Deutsche Expertise zum Wiederaufbau des Gesundheitswesens gefragt

Der Wiederaufbau medizinischer Einrichtungen bietet deutschen Firmen Chancen. Westliche Lieferanten sind bei staatlichen Beschaffungen willkommen. Doch noch läuft nicht alles rund.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Das ukrainische Gesundheitssystem leidet massiv unter dem russischen Angriffskrieg. Russische Truppen haben in den ersten 20 Monaten seit Beginn ihres Großangriffs rund 1.500 medizinische Einrichtungen beschädigt und mehr als 190 vollständig zerstört. Der Schaden an der medizinischen Infrastruktur der Ukraine wird nach Daten der Weltbank auf etwa 2,3 Milliarden Euro geschätzt.

Trotz andauernder Kämpfe laufen Wiederaufbau und Modernisierung der Gesundheitswirtschaft bereits an. Bis Anfang November 2023 konnten 421 medizinische Einrichtungen vollständig und weitere 413 Einrichtungen teilweise wieder aufgebaut werden. Und das nicht zuletzt mit Know-how aus Deutschland. Das ging aus dem Workshop "Wiederaufbau des ukrainischen Gesundheitswesens" hervor, den Germany Trade & Invest zusammen mit NRW.Global Business unter der Schirmherrschaft der Plattform Wiederaufbau Ukraine im Rahmen der Fachmesse Medica im November 2023 organsierte. 

Auch eine aktuelle Exportstatistik zeigt eine wachsende Aktivität auf dem ukrainischen Markt: Im 1. Halbjahr 2023 stiegen die deutschen Ausfuhren von Medizintechnik laut Branchenverband Spectaris im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund die Hälfte auf 63 Millionen Euro. Im Jahr 2022 waren die Exporte um 9 Prozent eingebrochen. 

Projekte scheitern an fehlender Finanzierung

Viele internationale Akteure, darunter auch einige große deutsche Unternehmen, sind zum Teil seit vielen Jahren in der Ukraine aktiv. Ein großer Bedarf besteht derzeit vor allem in den Bereichen Rehabilitation und Prothetik sowie in der Akutversorgung, so ein Fazit des Workshops.

Das Unternehmen Drägerwerk beliefert ukrainische Krankenhäuser mit medizinischem Sauerstoff, Druckluftversorgung oder Gasen. Das Lübecker Familienunternehmen deckt über seinen Vertriebspartner DM-Projects den kompletten Lebenszyklus eines Produkts ab. Über DM-Projects nimmt Dräger an Ausschreibungen in den Regionen teil, meist bei Anästhesie- und Beatmungsgeräten. Zudem beteiligt sich die Firma an Ausschreibungen zur Erweiterung von Krankenhäusern in den Regionen und bietet dort die Bereitstellung aus einer Hand an.

Cadolto Modulbau bietet löffelfertige medizinische Einrichtungen in Fertigbauweise an. Obwohl der Bedarf an modularen Krankenhäusern in der Ukraine vorhanden ist, macht das Unternehmen aus Cadolzburg aktuell kein Neugeschäft in der Ukraine. Es hapert vor allem an der Finanzierung, wie ein potenzielles Projekt des Unternehmens in der Region Dnipro zeigt. Aktuell liegt es auf Eis, da weder von ukrainischer Seite noch von internationalen Gebern eine Finanzierungszusage eingeholt werden konnte.

Staatliche Beschaffung wird digitaler und transparenter

Für viele deutsche Mittelständler bleibt die Ukraine aber eher Nebengeschäft. Sie bearbeiten das Land meist über lokale Vertriebspartner. Die Medical Procurement of Ukraine (MPU) will den Markt für solche Anbieter nun attraktiver machen. Die staatliche Beschaffungsagentur für Arzneimittel und Medizintechnik kauft pro Jahr rund 108.000 medizinische Geräte in 850 Produktkategorien. Im Jahr 2024 soll das Produktspektrum noch erweitert werden. Die Auswahlkriterien lauten dabei: einfach, schnell, verlässlich und günstig.

Zur Erhöhung der Transparenz bei Lieferanten nutzt MPU verschiedene digitale Plattformen wie Prozorro, SAP Ariba oder den elektronischen Beschaffungskatalog Prozorro Market. Zudem legte sich MPU strenge Antikorruptionsrichtlinien auf, deren Einhaltung international zertifiziert ist. Damit will MPU nicht zuletzt das Vertrauen ausländischer Firmen gewinnen und sie überzeugen, sich an Ausschreibungen zu beteiligen.

Bisher kommen westliche Lieferanten meist bei Hightechbeschaffungen zum Zuge. Bei standardisierten Ausschreibungen dominieren chinesische Hersteller, da häufig die reinen Beschaffungskosten ausschlaggebend sind. Deutsche Firmen werben deswegen dafür, dass künftig die Lebenszykluskosten stärker berücksichtigt werden.

Klinikpartnerschaften stellen Know-how-Transfer sicher

Die länderübergreifende Kooperation spielt eine immer wichtigere Rolle. Vor allem bei der Versorgung körperlich und psychisch versehrter Patienten sind Ratschläge aus Deutschland gefragt. Das Programm "Klinikpartnerschaften" der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) weitete nach Kriegsbeginn die Aktivitäten in der Ukraine aus. Im Fokus steht der Erfahrungs- und Wissensaustausch beteiligter Klinken. Für gemeinnützige Gesundheitseinrichtungen in Deutschland stehen Finanzinstrumente zur Etablierung oder Aufbau von Partnerschaften parat. Aktuell unterstützt das Programm 17 Projekte, wie die Zusammenarbeit zur Behandlung von Infektionskrankheiten oder das Netzwerk Solomiya.

In letzterem koordiniert die Berliner Charité die Zusammenarbeit von 40 deutschen und ukrainischen Kliniken, in deren Rahmen bereits 40.000 Patienten behandelt wurden. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Rehabilitation und psychische Gesundheit. Neben der Beschaffung von Medizintechnik wird die Entwicklung von E-Learning-Plattformen und Chatbots vorangetrieben.

Klinikpartnerschaften fördern einen nachhaltigen Kompetenzaufbau in der Ukraine und könnten ein Einstiegspunkt für Lieferanten von Medizintechnik sein. Der Wissenstransfer verläuft in beide Richtungen: Vor allem in der Telemedizin hat die Ukraine Lösungen zu bieten.

Bundesregierung fördert Projektvorhaben

Die Bundesregierung unterstützt Unternehmen, die konkrete Projekte im ukrainischen Gesundheitswesen planen und stellt Förderinstrumente zur Verfügung. Beim bis Ende 2023 laufenden develoPPP können beispielsweise je Einzelprojekt bis zu 2 Millionen Euro beantragt werden.

Ausfuhr ausgewählter medizintechnischer Produkte aus Deutschland in die Ukraine (in Millionen Euro, Veränderung nominal in Prozent)
HSProduktgruppe2022 *)

2023 *)

Veränderung 2023/2022

 Summe, darunter74,499,333,6
9022Röntgenapparate etc.15,117,213,7
9018.90Andere Instrumente, Apparate und Geräte19,417,1-12,0
9019, 9020Therapiegeräte, Atmungsgeräte etc.9,514,654,3
9021Orthopädietechnik, Prothesen etc.9,420,4117,6
9018.11 bis .20Elektrodiagnoseapparate und -geräte10,216,359,7
 Sonstige10,913,927,5
* Zeitraum Januar bis September.Quelle: Destatis 2023

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