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Special | Vietnam | Klimaschutzatlas

Vietnam hat mit Klimaschutz gigantische Aufgabe

Vietnam hat sich im Klimaschutz viel vorgenommen. Jetzt geht es vor allem im Energiesektor an die Umsetzung. Für deutsche Firmen ergeben sich zahlreiche Geschäftschancen.

Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Klimastrategie: Ziele sind weitgehend gesteckt

    Vietnam will bis 2050 klimaneutral werden. Geberländer haben viel Geld versprochen. Jetzt muss die Regierung die Weichen für die Umsetzung stellen.

    Vietnam will bis 2050 Klimaneutralität erreichen. Seitdem hat das Land begonnen, die übergreifenden Ziele auf einzelne Sektoren und Zwischenziele herunterzubrechen. Neben dem Klimaschutz spielt inzwischen auch die Anpassung an den Klimawandel in jeder Regierungsstrategie eine große Rolle. Und dies aus gutem Grund: Vietnam zählt zu den am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels bedrohten Ländern der Welt. 

    2021 lag Vietnam beim Global Climate Risk Index 2021 auf Rang 13 der weltweit am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder. Naturkatastrophen und Extremwetterereignisse verursachen bereits heute Kosten von 2 Milliarden US-Dollar (US$) jährlich. 

    Vietnam macht die Umsetzung der Klimaziele von der finanziellen Unterstützung und Technologietransfers von Industrieländern abhängig. In der Just Energy Transition Partnership (JETP) einigten sich Vietnam sowie die EU und eine Reihe von Industrieländern (darunter Deutschland) im Dezember 2022 auf ein erstes Finanzpaket. Die Partnerländer wollen Vietnam für einen schnelleren Kohleausstieg und den stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien in den kommenden drei bis fünf Jahren aus öffentlichen und privaten Quellen 15,5 Milliarden US$ an Finanzmitteln zur Verfügung stellen. Der Mitte Mai 2023 verabschiedete Entwicklungsplan für den Energiesektor (PDP 8) sieht einen früheren Kohleausstieg vor und stellt bei stärkerer Unterstützung auch mehr erneuerbare Energien in Aussicht.

    Nachdem die Ziele weitgehend abgesteckt sind, muss die Regierung jetzt die Rahmenbedingungen für die Umsetzung schaffen. In weiten Bereichen wird Vietnam auf Importe von Technologie und Dienstleistungen für die Absenkung von Treibhausgasemissionen angewiesen sein. Internationale Geberinstitutionen und Investoren stehen in den Startlöchern. Deutsche Anbieter von Umwelttechnik haben einen hervorragenden Ruf und ihnen eröffnen sich gute Geschäftschancen. 

    Vietnam: Klimabilanz im Jahr 2021

    Indikator

    Vietnam

    Deutschland

    Bevölkerung (in Mio.)

    98,5

    83,2

    Ranking des Landes im Climate Change Performance Index (CCPI)1)

    Rang: 40
    Punktezahl: 48,1

    Rang: 16
    Punktezahl: 61,11

    Anteil des Landes an den weltweiten Treibhausgasemissionen (in Prozent)2)

    1,0

    1,4

    CO2-Ausstoß gesamt (in Mio. t/Jahr)

    326

    675

    CO2-Ausstoß pro Kopf (in t CO2/Kopf und Jahr)

    3,3

    8,1

    Emissionsintensität der Wirtschaft (in kg CO/BIP3))

    0,5

    0,2

    Energieintensität der Wirtschaft (2019 in MJ4)/2017 US$ PPP5))6)

    4,92

    2,76

    1) 2023, Rang von 63; 2) 2020; 3) Bruttoinlandsprodukts; 4) Megajoule; 5) Purchasing Power Parity (Kaufkraftparität); 6) 2019Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023; Climate Change Performance Index 2023, Global Carbon Atlas 2023; Enerdata 2022; Weltbank 2023

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    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Klimaziele: Spagat zwischen Absenkung, Anpassung und Wachstum

    Die Regierung hat das übergreifende Ziel der Klimaneutralität auf viele Sektoren heruntergebrochen. Dabei will sie die Wirtschaftsentwicklung nicht aus den Augen verlieren.

    Auf der 26. UN-Klimakonferenz (COP26) in Glasgow hat sich die vietnamesische Regierung 2021 zur Erreichung ehrgeiziger Ziele verpflichtet. Bis 2030 will Vietnam den Ausstoß von Methangasen um 30 Prozent verringern, die Abholzung von Wäldern stoppen und den Anteil der bewaldeten Fläche bei 42 Prozent halten. Das zentrale Ziel ist aber die Klimaneutralität bis 2050. Vietnam geht damit über das hinaus, was andere Länder in der Region wie China, Indonesien oder Thailand versprochen haben. 

    Seit den Zusagen von Glasgow hat das Land begonnen, unterschiedliche Strategien und Zielvorgaben mit den übergreifenden Zielen in Einklang zu bringen. In den nationalen Klimabeiträgen (Nationally Determined Contributions, NDC) legen die Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens ihre Reduktionsziele fest. Vietnam hat die NDC im Oktober 2022 angepasst und die Ziele deutlich angehoben. Auch hat das Land die Ziele auf einzelne Sektoren heruntergebrochen und Schätzungen zum Finanzierungsbedarf gemacht. Demnach will Vietnam mit internationaler Unterstützung den CO2-Ausstoß bis 2030 gegenüber einem Szenario ohne Absenkungsbemühungen (business-as-usual-Szenario) um 43,5 Prozent senken. 

    Allerdings wären die Emissionen dann immer noch 18 Prozent höher als 2020 (nach Regierungsschätzung). Der Höchststand würde erst um das Jahr 2035 erreicht und danach müsste der Ausstoß sehr schnell absinken, um 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Daher wird dieses Szenario von Nichtregierungsorganisationen und Beratungsfirmen als nicht realistisch angesehen.

    Den Knackpunkt bildet der Energiesektor, der die höchsten Einsparungen erreichen soll, und hier vor allem der Ausbau und später der Rückbau der Kohleverstromung. In der JETP-Vereinbarung vom November 2022 hat sich Vietnam bereiterklärt, mit internationaler Unterstützung in Form von Finanzmitteln und Know-how den Höchststand bei den Emissionen im Energiesektor auf 2030 vorzuziehen und erneuerbare Energien stärker auszubauen. Bis November 2023 will Vietnam in einem Resource Mobilisation Plan (RMP) den weiteren Finanzbedarf für die Energiewende definieren. Die Basis dafür bildet der Mitte Mai 2023 verabschiedete Entwicklungsplan für den Energiesektor (PDP 8) mit Ausbauzielen und Schätzungen zum Finanzbedarf.

    Emissionsziele nach Sektoren bis 2030 (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten; Veränderung in Prozent)

    Sektor/Szenario

    BAU

    OU

    MiU

    Energie (inklusive Transport)

    678,4

    -9,6

    -33,5

    Landwirtschaft

    112,1

    -11,1

    -45,4

    Landnutzung (LULUCF)

    -49,2

    66,1

    94,7

    Abfallwirtschaft

    46,3

    -18,8

    -63,5

    Industrieprozesse

    140,3

    -19,9

    -35,5

    Gesamt

    927,9

    -15,8

    -43,5

    BAU: Basisszenario ohne Bemühungen zur Emissionsrückführung (business as usual); OU: Veränderung zum BAU-Szenario ohne Unterstützung in Prozent; MiU: Veränderung zum BAU-Szenario mit internationaler finanzieller und technologischer Unterstützung in ProzentQuelle: Vietnam NDC Update 2022

    Absenkung und Anpassung gleichzeitig

    Der Klimawandel stellt Vietnam vor vielfältige Herausforderungen. Vietnam gilt als eines der am stärksten von den Auswirkungen der globalen Erwärmung betroffenen Ländern der Welt. Bereits jetzt leiden vor allem die Wirtschaftsmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt und das Mekongdelta, Reiskammer und landwirtschaftliches Zentrum des Landes, unter zunehmenden Überschwemmungen. Daher muss das Land massiv in die Anpassung an den Klimawandel investieren und gleichzeitig den CO2-Ausstoß herunterfahren.

    Die Wirtschaft ist auch doppelt betroffen. Wichtige Wirtschaftssektoren sind entweder stark von Auswirkungen bedroht, wie etwa der Tourismus oder die Landwirtschaft, oder sind starke Emittenten von CO2, wie die exportstarke Zementindustrie, der Energiesektor (mit einer starken Kohle-Komponente) oder arbeitsintensive Exportsektoren mit vielfach veralteter Technik.

    Wachstum und Klimaschutz könnten in Konflikt geraten

    Gleichzeitig muss Vietnam weiter als Investitionsstandort attraktiv bleiben, um den Wohlstand der Bevölkerung zu mehren und damit die Legitimitätsbasis des Regimes zu sichern. Vietnam soll nach Plänen der Regierung 2045 Industrieland werden. Dafür müsste das Land nach Schätzungen der Weltbank im Durchschnitt ein Wirtschaftswachstum von real 6,7 Prozent pro Jahr erreichen.

    Daher dürfte es immer wieder zu Zielkonflikten kommen zwischen Klimaschutz und Wirtschaftswachstum, auch wenn beispielsweise die Energiewende auch Wachstumschancen eröffnet. Industriestaaten sollen helfen, durch Technologietransfers Lieferketten für nachhaltige Technologien im Lande zu etablieren und so Vietnam zu einem Green Hub für die Region machen.

    Die Regierung hatte im Oktober 2021 eine National Green Growth Strategy verabschiedet, die unter anderem auf Schätzungen des Beratungsunternehmen Boston Consulting beruht, aber nicht mehr mit den aktuellen Klimazielen des Landes übereinstimmt. Nachhaltige Wirtschaftssektoren (green economy) könnten demnach mit staatlicher Unterstützung und den richtigen Rahmenbedingungen bis 2050 auf 300 Milliarden US-Dollar (US$) anwachsen (2020: 6,7 Milliarden US$). Die Regierung arbeitet derzeit an einer Aktualisierung der Strategie.

    Unternehmen unterschiedlich gut vorbereitet

    In einer Reihe von CO2-intensiven Sektoren (Kohleförderung, Düngemittel, Elektrizitätsversorgung, Frachttransport, Zement, Stahl) spielen Staatsunternehmen eine große Rolle, die noch einen hohen Reform- und Modernisierungsbedarf haben. Das dürfte die Dekarbonisierung nicht erleichtern.

    Aber auch viele kleinere vietnamesische Industrieunternehmen und auch viele ausländische Firmen arbeiten häufig mit veralteter Technik ineffizient und umweltschädigend. Bereits geltende Umweltregularien werden vielfach nicht erfüllt und staatlicherseits nicht effektiv durchgesetzt.

    Druck für mehr Klimaschutz kommt zum Teil von Ablegern ausländischer Unternehmen, die global definierte Ziele (oft auch bei ihren Zulieferern) erreichen sollen. Die vietnamesische Regierung fürchtet auch, dass Klimamaßnahmen wie die CO2-Grenzausgleichsmechanisums der EU (CBAM) Schule machen könnten. Ausländische Investoren fordern etwa die Möglichkeit, über Power Purchasing Agreements (PPA) direkt erneuerbaren Strom einkaufen zu können, was derzeit nur sehr begrenzt möglich ist.

    Auch größere vietnamesische Firmen beginnen zwar, Nachhaltigkeitsziele zu definieren. Das Bewusstsein für die Dringlichkeit des Themas ist aber insgesamt in der vietnamesischen Unternehmerschaft noch sehr begrenzt, da es auch in lokalen Medien nur eingeschränkt behandelt wird. 

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    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Klimagesetze: Emissionshandel soll 2028 starten

    Ein neues Umweltgesetz aus dem Jahr 2020 setzt den Rahmen zur Einführung von Treibhausgasmeldepflichten. Auch soll ein Emissionshandel aufgebaut werden. 

    Vietnam hat 2020 mit dem "Law on Environmental Protection 2020" (Law No. 72/2020/QH14) ein neues Umweltschutzgesetz erlassen. Das Gesetz trat am 1. Januar 2022 in Kraft und setzt erstmals einen gesetzlichen Rahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen und für die Kreislaufwirtschaft in der Abfallwirtschaft. Unter anderem schafft es die rechtliche Grundlage zum Aufbau eines Emissionshandels. Stark emittierenden Unternehmungen erlegt es Treibhausgasmeldepflichten auf und etabliert einen Emissionshandel.

    Ein Dekret, das die Reduzierung der Treibhausgasemissionen und den Schutz der Ozonschicht (Decree 6/2022/ND-CP) reguliert, trat im Januar 2022 in Kraft. Nach dem Dekret unterliegen unter anderem Kohlekraftwerke sowie Viehzuchtanlagen, Einkaufszentren und Abfallentsorgungsanlagen, die festgelegte Ausstoßschwellen überschreiten, Melde- und CO2-Reduktionspflichten. Auch Einrichtungen und Produktionsstätten, die jährlich 3.000 Tonnen CO2-Äquivalent ausstoßen und einen Energieverbrauch von mehr als 1.000 Tonnen Öläquivalent aufweisen, müssen ihren Ausstoß an Treibhausgasen protokollieren und gegebenenfalls absenken. Meldepflichten werden schrittweise ab 2023 Anwendung finden. Emissionsquoten werden ab 2026 eingeführt. Der auf Vietnam beschränkte Emissionshandel (Domestic Carbon Market) soll 2028 starten. 

    Im Juli 2022 hat die Regierung die Nationale Klimawandelstrategie (National Strategy on Climate Change to 2050) angenommen (Entscheidung No. 896/QD-TTg). Sie gibt übergreifende und sektorspezifische CO2-Reduktionsziele für 2030 und 2050 sowie Maßnahmen zu deren Erreichung vor. Diese Ziele sind in der jüngsten Version der Nationally determined contributions (NDC) vom 9. November 2022 angepasst worden.

    Die Ziele sind im Bereich Energie schon teilweise wieder überholt. So haben Vietnam und die International Partners Group (IPG), die neben der EU, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Norwegen, USA und das Vereinigte Königreich umfasst, im Dezember 2022 eine Just Energy Transition Partnership (JEPT) abgeschlossen.

    Die Partnerländer wollen Vietnam innerhalb von drei bis fünf Jahren 15,5 Milliarden US-Dollar an Finanzmitteln für den Ausbau von erneuerbaren Energien, der Energienetze sowie für Energieeffizienz zur Verfügung stellen. Im Gegenzug soll Vietnam 2030 unter anderem beim CO2-Ausstoß durch einen schnelleren Kohleausstieg bereits 2030 einen (niedrigeren als bisher geplanten) Höchststand erreichen.

    Der Power development plan (PDP 8) für den Zeitraum 2021 bis 2030 ist an diesen ehrgeizigeren Zielen ausgerichtet und gibt unter anderem für die kommenden Jahrzehnte den Energiemix vor. Er wurde am 15. Mai 2023 erlassen.

    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Investitionen: Klimaschutz soll das Wachstum nicht ausbremsen

    Industriestaaten haben Vietnam viel Geld in Aussicht gestellt. Wichtiger noch sind inländische Finanzquellen. Sie müssen noch stärker entwickelt werden.

    Der Investitionsbedarf für die Anpassung an den Klimawandel und Erreichung der Klimaziele ist in Vietnam höchst ungewiss. Dies zum Teil auch, weil die Regierung weiter damit befasst ist, sektorspezifische Strategien und Pläne an das übergreifende Ziel der Klimaneutralität anzugleichen. Weltbank und Regierung haben aber erste Schätzungen zum Finanzbedarf erstellt. 

    Die Weltbank veröffentlichte im Juli 2022 den Country Climate and Development Report for Vietnam. In der Studie wird der jährliche Finanzbedarf für Anpassungsmaßnahmen bis 2050 grob auf 6,3 bis 7,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) geschätzt. Enthalten sind Resilienzmaßnahmen für private Vermögenswerte (3 Prozent des BIP im Jahr) sowie für die öffentliche Infrastruktur (3,0 bis 3,5 Prozent des BIP). Hinzu kommen Finanzhilfen für betroffene Personen und Unternehmen (0,3 bis 0,7 Prozent des BIP). Bei derzeitigen Ausgaben in Höhe von 1,8 Prozent des BIP für Anpassungsmaßnahmen besteht laut Weltbank von 2022 bis 2050 pro Jahr ein zusätzlicher Finanzbedarf von 4,5 bis 5,4 Prozent des BIP beziehungsweise etwa 342 bis 411 Milliarden US-Dollar (US$). Bis 2040 seien es etwa 254 Milliarden US$.

    Die Zahlen der Weltbank sind zwar nur eine grobe Schätzung. Fest steht aber, dass der Anpassungsbedarf enorm ist. Die größten Bevölkerungszentren, die wichtigsten Exportsektoren Landwirtschaft und Industrie sowie die meisten Hotels sind stark von Überschwemmungen bedroht. Vietnam hofft hier auf internationale Hilfe und zahlreiche Länder finanzieren bereits Resilienzprojekte wie etwa im Mekong-Delta.

    Klimaneutralität nur mit internationaler Hilfe

    Auch bei den Investitionen zur Dekarbonisierung setzt Vietnam explizit auf finanzielle und technologische Unterstützung aus dem Ausland und hat das Ziel Klimaneutralität sowie die Ziele der Just Energy Transition Partnership (JETP)-Vereinbarung davon abhängig gemacht. Für die vietnamesische Regierung ist wichtig, dass die Kosten des Klimawandels die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nicht behindern.  

    Vietnam hat etwa zeitgleich mit dem Bekenntnis zur Klimaneutralität bis 2050 für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes das Ziel vorgegeben, bis 2045 zum Industrieland aufzusteigen. Dafür muss die Wirtschaft nach Weltbankschätzung im Durchschnitt um 6,7 Prozent pro Jahr wachsen.

    Industriestaaten sollen helfen, durch Technologietransfers Lieferketten für nachhaltige Technologien im Lande zu etablieren und so Vietnam zu einem Green Hub für die Region zu machen. Die Regierung hatte im Oktober 2021 eine National Green Growth Strategy verabschiedet, die auf Schätzungen des Beratungsunternehmen Boston Consulting beruht, aber nicht mehr mit den aktuellen Klimazielen des Landes übereinstimmt. Nachhaltige Wirtschaftssektoren (green economy) könnten demnach mit staatlicher Unterstützung und den richtigen Rahmenbedingungen bis 2050 auf 300 Milliarden US$ anwachsen (2020: 6,7 Milliarden US$). Die Regierung ist derzeit dabei, die Strategie zu aktualisieren.

    Kosten und Wachstumseinbußen durch Klimaschutzmaßnahmen (aber nicht Anpassungsmaßnahmen) können laut Weltbank durch Reformen fast vollständig ausgeglichen werden. Sie schätzt den Investitionsbedarf, um 2050 Klimaneutralität zu erreichen, bis 2040 auf 81,3 Milliarden US$. Den Rückgang der Wirtschaftsleistung schätzt die Weltbank auf 53,7 Milliarden US$. Mit Reformen könne die Wirtschaftsleistung aber durch mehr Arbeitsproduktivität, Wettbewerbsfähigkeit und Energieeffizienz im Gegenteil um 80,1 Milliarden US$ gesteigert werden. Damit verbliebe nur ein Verlust von 1,3 Milliarden US$ gegenüber 135 Milliarden US$ ohne Reformen.

    Für ihre im Oktober 2022 selbstgesteckten Reduktionsziele (Nationally determined contribution, NDC) bis 2030 hat die vietnamesische Regierung einen Finanzbedarf von 86,8 Milliarden US$ veranschlagt. Der Löwenanteil entfällt auf den Energiesektor.

    Finanzbedarf für Klimaziele bis 2030 (in Milliarden US-Dollar)

    Sektor/Szenario

    CO2-Reduktion (in Mio. t CO2 Äquivalente)

    Mrd. US$

    Energie

    227,0

    60,6

    Landwirtschaft

    50,9

    16,1

    Landnutzung (LULUCF)

    46,6

    5,5

    Abfallwirtschaft

    29,4

    2,7

    Industrieprozesse

    49,8

    2,0

    Gesamt*)

    403,7

    86,8

    * Abweichung durch RundungQuelle: Vietnam NDC Update 2022

    Für die Finanzierung dürften private und öffentliche Mittel aus dem Inland die Hauptrolle spielen. Hinzu kommen externe Zuwendungen durch Geberorganisationen sowie über Auslandsinvestitionen und -überweisungen der Diaspora (2022: 5,5 Prozent des BIP). Die Studie der Weltbank verteilt den Finanzbedarf für Anpassung und Dekarbonisierung bis 2040 von 368 Milliarden US$ zu 50 Prozent auf private und zu 35 Prozent auf staatliche Mittel aus dem Inland. Nur 15 Prozent sollen aus dem Ausland kommen.

    Grüne Finanzierungen müssen sich noch entwickeln

    Geberorganisationen mahnen zur Mobilisierung inländischer Mittel eine stärkere Entwicklung grüner Finanzierungen über Sekundärmärkte (zum Beispiel grüne Anleihen) an. Grüne Finanzierungen machten 2020 nur etwa 0,2 Prozent des BIP aus. Der Staat wird über den Emissionshandel, der 2028 beginnen soll, Anreize setzen und Mittel generieren.

    Hinzu kommen externe Mittel. Eine Reihe von Industriestaaten, darunter Deutschland, haben Vietnam im Dezember 2022 im Rahmen der Just Energy Transition Partnership (JETP) 15,5 Milliarden US$ an Finanzmitteln zugesagt. Die Hälfte soll jeweils von Staaten als Zuschüsse und Kredite zur Verfügung gestellt werden und die Hälfte als private Kredite. Derzeit werden die Modalitäten definiert. Vietnam soll bis November 2023 in einem Resource Mobilisation Plan (RMP) den gesamten Finanzbedarf des Landes für die Energiewende darlegen. 

    Die EU, speziell auf deutscher Seite die KfW Bankengruppe, die Weltbank, japanische und koreanische Entwicklungsbanken sowie die Asian Development Bank (ADB) sind bereits im Klimaschutz in Vietnam stark engagiert. Deutschland stellt aktuell für laufende Programme unterschiedlicher Laufzeit Finanzhilfen und Entwicklungsgelder in Höhe von gut 1 Milliarde Euro zur Verfügung. Informationen und Ausschreibungsunterlagen zu von Weltbank, ADB und KfW geförderten Vorhaben sind in der GTAI-Datenbank Projekte und Ausschreibungen abrufbar. Auch fördert Deutschland im Rahmen des develoPPP-Programms das direkte Engagement deutscher Unternehmen mit Entwicklungs- und Klimaschutzbezug.

    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • DIHK-AHK-Umfrage zum Klimaschutz

    Vietnam

    Die Umfrage wurde im April und Mai 2022 vom DIHK unter 2.860 Mitgliedsunternehmen der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) durchgeführt. Unternehmen aus insgesamt 107 Ländern nahmen daran teil. Die Befragung gibt wieder, wie die in dem jeweiligen Land tätigen deutschen oder eng mit Deutschland kooperierenden Unternehmen die Situation vor Ort wahrnehmen.

    Von Martin Knapp (DIHK) | Berlin

  • Energie: Kohlekraft wird zunächst ausgebaut, dann abgeschafft

    Die künftige Ausrichtung der Energieversorgung ist weitgehend klar. Für die Umsetzung fehlen aber noch wichtige Weichenstellungen.  

    Energieversorgung

    Mit der starken wirtschaftlichen Entwicklung des Landes ist der Energiebedarf in den vergangenen Jahrzehnten in die Höhe geschossen. In den zehn Jahren bis 2021 ist der Primärenergieverbrauch durchschnittlich pro Jahr um 7,2 Prozent und die Stromerzeugung um 9,6 Prozent gestiegen. Die vietnamesische Wirtschaft weist im regionalen und weltweiten Vergleich eine hohe Energie- und CO2-Emissionsintensität relativ zur Wirtschaftsleistung auf. Vietnam ist ein wichtiger Exportstandort und dies großteils noch für technisch weniger anspruchsvolle Güter. Hinzu kommt, dass die Kohlekraft in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat.

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    Der Kohlebedarf wird etwa zu 20 bis 30 Prozent importiert und die lokale Produktion ist stabil. Die Öl- und Gasförderung ist in den vergangenen Jahren konstant gefallen und Öl-Kraftwerke wurden auf Gas umgerüstet. Das heimische Öl deckte 2022 noch rund 40 Prozent des Verbrauchs; im Jahr 2016 waren es zwei Drittel gewesen. Zwei Raffinerien liefern etwa die Hälfte des Inlandsbedarfs an Kraftstoffen. Rund 1,3 Prozent des Strombedarfs importiert Vietnam aus China und Laos.

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    Stromerzeugung

    Um mit dem starken Wirtschaftswachstum und der Ausweitung der Stromversorgung auf nahezu die gesamte Bevölkerung mitzuhalten, ist die Elektrizitätserzeugung in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt worden. Kohle hat Wasser und Gas als Energiequellen verdrängt. Die Kohlekraft hat durch günstige Kosten in den vergangenen Jahren eine starke Ausweitung erfahren, während die mit der Ölförderung verknüpfte Gasförderung gefallen ist. Kohle stellte 2022 mit knapp einem Drittel der installieren Leistung 39 Prozent der Stromerzeugung. Erst ab 2019 haben Wind- und Solarkraft durch günstige Einspeisetarife eine starke Expansion erlebt. Diese stoppte aber weitgehend 2021 mit dem Auslaufen der Einspeisetarife.

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    Vietnam setzt auf Gas als Brückentechnologie

    Die künftige Richtung ist relativ klar, da die Regierung nach jahrelangen Verzögerungen am 15. Mai 2023 den Energieentwicklungsplan PDP 8 für den Zeitraum bis 2050 verabschiedet hat. Er sieht zunächst einen weiteren Ausbau der Kohlekraft vor. Allerdings sollen nur sechs bereits geplante Kraftwerksvorhaben (6,1 Gigawatt) bis 2030 vollendet werden. Damit erfüllt Vietnam eine Kernvereinbarung der im November 2022 geschlossenen Just Energy Transition Partnership (JETP).

    Die Lücke sollen Gaskraftwerke füllen, die vor allem inländisches Gas nutzen sollen, aber der Plan sieht auch den Aufbau einer LNG-Importinfrastruktur vor. Ein erstes Terminal ist seit dem Frühjahr 2023 in Südvietnam einsatzbereit. Kohle und Gas werden dann ab 2030 bis 2050 bis auf einen Restanteil von 7 bis 10 Prozent an der Gesamtleistung auf Biomasse und Ammoniak umgestellt. 

    Entwicklung und Planung der Stromerzeugung (Anteil an der installierten Leistung in Prozent)

    20231)

    20302)

    2050

    Wasserkraft

    28,5

    20,1

    6,3-7,3

    Kohle

    32,3

    19,0

    0

    Gas

    9,2

    23,8

    7,7-9,7

    Öl, Diesel

    2,0

    0

    0

    Fotovoltaik

    20,5

    13,0

    60,5-65,0

    Windkraft, an Land (oder küstennah)

    6,3

    13,8

    12,2-13,4

    Windkraft, offshore

    0

    3,8

    14,3-16,0

    Biomasse

    0,5

    1,4

    1,0-1,2

    Wasserstoff

    0

    0

    9,8-13,4

    Importe

    k. A.

    3,2

    1,9-2,3

    Andere (Batteriespeicher, Abwärme in Industrie, etc.)

    0,7

    1,9

    7,0-8,8

    1) Installierte Kapazität 2023 im Juni (ohne Importe); 2) umfasst Dachsolar (im Energieplan nur teilweise berücksichtigt)Quelle: Power Development Plan (PDP 8) 2023, NLDC 2023

    Den Wasserstoff für die Ammoniakproduktion sollen vor allem Offshore-Windparks zur Verfügung stellen. Das Potenzial bei der Wasserkraft gilt als weitgehend ausgeschöpft, daher sollen Wind- und Solarkraft den Hochlauf der erneuerbaren Energien stemmen. Insgesamt steigt der Beitrag erneuerbarer Energien zunächst bis 2030 nur langsam an, um dann bis 2050 auf 67 bis 86 Prozent der Leistung anzuziehen. Die im PDP 8 definierten Ziele, dass erneuerbare Energien im Jahr 2030 bis zu 39 Prozent der Stromerzeugung ausmachen sollen, bleiben hinter der JETP-Vereinbarung zurück. Diese sieht einen Anteil von 49 Prozent vor. Aber die Regierung erklärt sich im Plan bereit, den Ausbau zu forcieren, wenn die Partnerländer Finanzmittel und Know-how zur Verfügung stellen.

    Ausbau von Solardächern ohne Obergrenze

    Bis 2030 sollen nur bereits geplante Solarparks gebaut werden. Hintergrund ist der etwas ungeordnete Zubau im Rahmen der Einspeisevergütung bis 2021, der die Erwartungen der Planer und die Netzkapazitäten weit übertroffen hatte. Der Plan sieht daher zwar einen unlimitierten Ausbau von Dachanlagen zur Selbstversorgung ohne Netzanschluss vor, aber kaum weitere Solarparks. Bis 2030 sollen 50 Prozent aller Wohn- und Bürogebäude Solarpanele nutzen. Zahlreiche Fabriken und Lagerhallen werden bereits mit Dachanlagen ausgerüstet.

    Die Windkraft kam etwas besser weg, aber hier sind auch schon etliche Projekte einsatzbereit, die zu spät fertiggestellt wurden für die Einspeisevergütung. Die Entwickler verhandeln derzeit mit dem staatlichen Stromkonzern EVN über einen Abnahmetarif. Aber es sollen bis 2030 auch neue Windparks hinzukommen.

    Wasserstoff auch für den Export

    Der Offshore-Windkraft, für die Vietnams 3.000 Kilometer lange Küste gute Gegebenheiten bietet, kommt eine besondere Rolle zu. Sie soll nicht nur in großem Maße bis 2050 Strom für das Inland liefern, sondern auch für den Export. Sie soll aber auch den Großteil des Stroms für die Wasserstoffproduktion per Elektrolyse beisteuern, und dies ebenfalls für das Inland und für den Export. Geplant sind 15 Gigawatt bis 2035 und 240 Gigawatt bis 2050. 

    Die Investoren stehen in den Startlöchern. Auch deutsche Unternehmen wie PNE oder WPD planen Großvorhaben in Vietnam. Aber es fehlen noch wichtige Weichenstellungen für die Umsetzung des PDP 8.

    Regeln für Auktionen und direkte Abnahmeverträge fehlen noch

    So müssen noch Mechanismen für die Abnahme geschaffen werden. Gedacht ist an Auktionen und direkte Verhandlungen, aber auch an direkte Abnahmeverträge zwischen privaten Entwicklern und Großstromkunden, die bisher nicht möglich sind (nur für begrenzte Solardachanlagen). Die Regierung muss auch noch den Energie-Masterplan aktualisieren. Die letzte Version im Umlauf ist vom September 2022. Der Plan soll dann jährliche Projektlisten umfassen. Kleinere Projekte werden in Masterplänen der Provinzen gelistet. Weitere Informationen zum Energieplan bietet der GTAI-Artikel "Vietnam will ab 2030 der Kohlekraft den Rücken kehren".

    Vietnam ist für den Ausbau erneuerbarer Energien auf ausländisches Know-how und ausländische Technologie angewiesen. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bietet deutschen Branchenunternehmen im Rahmen des Energy Support Programme Kooperationsplattformen.

    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Verkehr: Vietnam setzt Ziele für Verkehrswende

    Vietnam hat sich neue Ziele für die Verkehrswende gesetzt. Ihre Erreichung erfordert Milliardeninvestitionen in Schifffahrt, Bahnverkehr und Elektromobilität.

    Nach dem Bekenntnis zur Klimaneutralität von Glasgow hat die Regierung begonnen, eine ambitionierte Klimapolitik für den Transportsektor zu definieren. Im Juli 2022 hat sie ein Aktionsprogramm für Nachhaltigkeit im Transportsektor verabschiedet. Es gibt als übergreifendes Ziel die Klimaneutralität des Sektors bis 2050 vor und umfasst zahlreiche allgemeine, aber auch konkrete Zielvorgaben sowie eine Projektliste.

    Ziele im Aktionsprogramm für Nachhaltigkeit im Verkehrssektor

    Bereich

    Maßnahmen und Ziele (Jahr)*

    Straßenverkehr

    100 Prozent Benzin mit Ethanolbeimischung – E5 (2030); keine Produktion/kein Import von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor (2040); Lkw und schweres Gerät nur noch mit grünen Energien (2050)

    Bahnverkehr

    Rollendes Material nur noch mit grünen Energien (2050); große Infrastrukturprojekte

    Binnenschifffahrt

    Alle neuen Schiffe mit grünen Energien (2040); „Grüne Häfen“ (2040); alle Schiffe mit grünen Energien (2050)

    Schifffahrt

    Alle neuen Schiffe mit grünen Energien (2035); alle Schiffe mit grünen Energien (2050)

    Luftfahrt

    10 Prozent nachhaltige Kraftstoffe für Kurzstreckenflüge (2035); alle neuen Flughafenfahrzeuge mit grünen Energien (2035)

    Öffentlicher Verkehr

    Alle neuen Busse mit grünen Energien (2025); 50 Prozent der Fahrzeuge und alle neuen Taxis mit grünen Energien (2030); alle Busse und Taxis mit grünen Energien (2050)

    *) "Grüne Energien" im Aktionsprogramm = Elektrisch oder mit Biokraftstoffen betrieben.Quelle: Thu Vien Phap Luat 2023

    Milliarden für Bahnverkehr und Binnenschifffahrt

    Als Teil des Aktionsprogramms will die Regierung die Binnenschifffahrt und den Bahnverkehr durch große Infrastrukturvorhaben stärken. Im Aktionsprogramm werden für 17 neue Bahnstrecken rund 32 Milliarden US-Dollar (US$) veranschlagt. Hinzu kommen Bahnstrecken zu den wichtigsten Seehäfen (rund 1 Milliarde US$) und der Ausbau von Binnenhäfen, Wasserwegen und Brücken (6,8 Milliarden US$). Aber auch das Ziel von 5.000 Autobahnkilometern (Stand Anfang 2023: etwa 1.700 Kilometer) sowie der Bau neuer Flughäfen finden sich im Programm.

    Erst zaghafte Fortschritte bei der Verkehrswende

    Die Klimawende beim Verkehr steht in Vietnam noch ganz am Anfang. Es gibt Fortschritte beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs mit der Inbetriebnahme einer ersten Metrolinie in Hanoi und der Ausweitung von, zum Teil elektrischen, Bussystemen. 

    Die Verkäufe von Elektrofahrzeugen halten sich noch in so engen Grenzen, dass die Verbände keine gesonderten Zahlen dazu ausweisen. Ende Mai 2023 verkehrten etwa 20.000 Elektro-Pkw auf den Straßen des Landes, davon 19.000 vom inländischen Hersteller Vinfast. Bisher können auch fast alle Ladestationen im Land nur von Vinfast-Fahrzeugen genutzt werden. Das Unternehmen will seine öffentlichen Ladepunkte nach zehn Jahren für alle Nutzer öffnen. 

    Hoher Bedarf an weiteren Finanzmitteln und Know-how

    Die Umsetzung des Aktionsprogramms wird in den kommenden Jahren große Investitionen und vielfach ausländisches Know-how erfordern. Erste Maßnahmen werden lanciert. Die Asian Development Bank (ADB) hat Vinfast für den Ausbau elektrischer Bussysteme sowie von Ladestationen im Oktober 2022 ein Kreditpaket von 135 Millionen US$ gewährt. Allein die Hauptstadt Hanoi braucht für die Elektrifizierung der gesamten Busflotte nach ersten Schätzungen aber etwa 890 Millionen US$.

    Große Infrastrukturvorhaben hatten sich in den vergangenen Jahren stark verzögert und Vietnam ist beim Rückgriff auf Entwicklungskredite sehr zurückhaltend. Gerade die Umsetzung von Großprojekten wie der Nord-Süd-Bahnstrecke, deren Wirtschaftlichkeit von Entwicklungsbanken bezweifelt wird, ist daher höchst ungewiss.

    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Industrie: Anpassungsdruck von innen und außen

    Industrieunternehmen in Vietnam stehen zunehmend unter Druck, die Dekarbonisierung ihrer Produktion voranzutreiben. Gerade kleinen Firmen fehlen aber Know-how und Finanzmittel. 

    Neben dem Energiesektor und der Landwirtschaft spielt die Industrie bei den CO2-Emissionen eine große Rolle in Vietnam. Das Land ist ein wichtiger Exportstandort für zahlreiche Produkte: von Textilien und Schuhen über Elektronik und Möbeln zu Zement, Ziegeln und Stahl. In Vietnam spielen nicht nur die Exporte eine größere Rolle (im Verhältnis zum BIP) als in anderen südostasiatischen Ländern, sondern das Land stellt noch einfachere Produkte her und das vielfach mit veralteter Produktionstechnik. Neben der hohen Kohleverstromung ist die starke Industrieentwicklung ein wichtiger Faktor dafür, dass die CO2-Emissionen gemessen an der Wirtschaftsleistung in Vietnam stark gestiegen sind und höher liegen als etwa in Malaysia oder Thailand. Als wichtigste CO2-Emittenten gelten die Zementindustrie und der Stahlsektor.

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    In den vergangenen Jahren ist der Druck auf die Industrie stetig gestiegen, nachhaltiger zu produzieren. Er kommt aus vielen Richtungen. Im Inland erhöht die Regierung die Anforderungen und schafft mehr Anreize für die Senkung des CO2-Ausstoßes. Dazu gibt es zahlreiche Strategien und Programme für einzelne Sektoren mit mehr oder weniger konkreten Zielvorgaben. Übergreifend gibt es das Vietnamesische Energieeffizienzprogramm (Vietnam Energy Efficiency Program, VNEEP), das die Regierung 2006 gemeinsam mit der Weltbank gestartet hat.

    Effizienzziele werden noch nicht durchgesetzt

    Die dritte Auflage des Programms wurde 2019 lanciert und enthält Energieeffizienzziele für verschiedene Industriezweige und gestaffelt nach Produktionstechnik. Insgesamt soll der nationale Energieverbrauch von 2019 bis 2025 um 5 bis 7 Prozent und bis 2030 um 8 bis 10 Prozent gesenkt werden.

    Industrieunternehmen mit einem Verbrauch von über 1.000 Tonnen Öläquivalent (und Gebäude ab 500 Tonnen Öläquivalent) im Jahr müssen jährlich über eine Webseite Energiesparpläne für das kommende Jahr sowie für die kommenden fünf Jahre einstellen (Liste mit 3.068 Firmen). Alle drei Jahre müssen Energie-Audits durchgeführt werden und ebenfalls online registriert werden. Dem Vernehmen nach werden diese Pflichten aber nur teilweise nachgehalten oder Unternehmen kaufen sich mittels informeller Zahlungen frei.

    Flankiert werden die Ziele des VNEEP mit Programmen verschiedener Geberorganisationen darunter die EU, Weltbank, ABB, GIZ, USAID und andere. Die Weltbank etwa finanziert Energieeffizienzmaßnahmen in der Industrie.

    Emissionshandel in Vorbereitung

    Neben Energieeffizienzmaßnahmen bereitet die vietnamesische Regierung die Einführung eines Emissionshandels vor. Die Modalitäten müssen noch festgelegt werden, aber ab 2025 soll der Handel zunächst als Pilotprojekt starten, um dann 2028 in den Regelbetrieb überzugehen. Unternehmen mit einem Energieverbrauch von mehr als 1.000 Tonnen Öläquivalent mussten Ende März 2023 zum ersten Mal ihre Treibhausgasemissionen melden. Ab 2026 sollen sie Einsparpläne entwickeln.

    Auch drohende Einschränkungen für Exporte treiben Unternehmen in Vietnam zu Klimaschutzmaßnahmen an. Wichtig sind im Klimabereich Maßnahmen der EU wie der CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) und die Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten. Im Rahmen des CBAM müssen Unternehmen, die etwa Zement, Stahl, Aluminium oder Düngemittel aus Vietnam in die EU einführen, künftig ihre CO2-Emissionen melden. Wenn diese gewisse Schwellenwerte übertreffen, werden dann ab 2026 zusätzliche Abgaben fällig. Die EU ist allerdings kein sehr bedeutender Markt für die genannten Produkte, obwohl Vietnam hier ein wichtiger Exporteur ist.

    Ein immer wichtigerer Antrieb für mehr Klimaschutz in der Industrie sind die selbst gesteckten Ziele der Unternehmen, seien es ausländische Firmen mit Investitionen oder Lieferanten in Vietnam, Industrieparks oder auch große vietnamesische Konzerne. Eine völlige Dekarbonisierung der lokalen Lieferkette ist aber schwierig, schon durch den begrenzten Zugang zu erneuerbaren Energiequellen. 

    Kleinere Firmen noch zumeist außen vor

    Der vielfache Anpassungsdruck hat zahlreiche Initiativen und Maßnahmen auf Unternehmensseite hervorgebracht. Diese betreffen aber fast ausschließlich große Unternehmen. Die Industrie besteht zu 98 Prozent aus kleinen und mittleren Unternehmen, die kaum Zugang zu Finanzierungen haben und vielfach veraltete Technik einsetzen. Umweltauflagen, die auf dem Papier bestehen, etwa bei der Abwasseraufbereitung, werden bisher von diesen Unternehmen selten umgesetzt. 

    Fokusbranche Stahl: Effizienzmaßnahmen dann Umrüstung 

    Nach Angaben des vietnamesischen Stahlverbands (Vietnam Steel Association, VSA) produzierte die Industrie 2022 von etwa 20 Millionen Tonnen Rohstahl etwa 13 Millionen Tonnen in Konverter-Anlagen (BOF) und 7 Millionen Tonnen in Lichtbogenöfen. Zunächst mit Gas und später mit Wasserstoff betrieben, gelten letztere mittelfristig als der beste Weg zur CO2-Vermeidung. Die Industrie hat aber 2023 mit einer geringen Nachfrage und Überkapazitäten zu kämpfen.

    Die vom Verband propagierte Strategie sieht daher zunächst Energieeffizienzmaßnahmen vor, die den CO2-Ausstoß bis 2025 um bis zu 30 Prozent senken sollen. Ab 2025 könnte dann die Umrüstung und der Umstieg auf Gas und Wasserstoff folgen. Druck geht etwa vom EU-Grenzausgleichsmeschanismus (CBAM) aus. 2022 exportierte die Industrie 16 Prozent des Stahls in die EU, einzelne Firmen aber deutlich mehr.

    Fokusbranche Zement: Werke investieren in Abwärmenutzung

    Vietnam war 2022 mit etwa 120 Millionen Tonnen nach China und Indien der weltweit drittgrößte Zementproduzent. Die Industrie verfolgt verschiedene Strategien, um den CO2-Ausstoß zu senken. Größere Zementwerke müssen nach staatlichen Vorgaben bis 2025 Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung nutzen. Zahlreiche Anlagen werden derzeit vor allem mit chinesischer Technik umgerüstet.

    Zudem versuchen die Hersteller den Klinkeranteil zu verringern sowie mehr Abfälle als Brennstoff zu nutzen, um weniger Kohle zu verbrennen. Bisher werden nur in wenigen Fabriken Abfälle beigemischt. 

    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Gebäude: Nachhaltigkeit in Baubranche steht noch am Anfang

    Nachhaltiges Bauen spielt in Vietnam weiter eine geringe Rolle. Vorschriften werden nicht effektiv durchgesetzt und die Anreize sind noch begrenzt.

    Das Energieeffizienzprogramm VNEEP (Vietnam Energy Efficiency Program) setzt Ziele für den Gebäudebau. Größere Gebäude mit einem Energieverbrauch ab 500 Tonnen Öläquivalent im Jahr müssen über eine Webseite Energiesparpläne sowie die Ergebnisse von Energie-Audits einstellen. Die Audits und andere Regularien werden aber nicht effektiv durchgesetzt.

    Energieeffizientes und klimaschonendes Bauen kommt so in Vietnam noch selten zum Einsatz. Zu hoch sind die Kosten, zu gering erscheinen angesichts niedriger Energiepreise die Einsparungen. Zudem steckt der Hochbau nach einer Boomphase bis 2019 Mitte 2023 weiter in einer Krise. Daher ist Nachhaltigkeit derzeit keine Priorität.

    Immer stärker werden nachhaltige Bauten aber von ausländischen Investoren nachgefragt. Dadurch ist die Anzahl zertifizierter Büro- und auch Industriebauten in den vergangenen Jahren langsam aber stetig angestiegen. Ende 2022 zählte das Bauministerium 233 nachhaltige Bauten mit verschiedenen Zertifizierungen. Die gängigsten sind EDGE, LEED und in geringerem Maße der heimische Standard Lotus.

    Regierung will Solarpanele auf der Hälfte der Dächer

    Eine klimaneutrale Energieerzeugung für den Gebäudebetrieb findet größeres Interesse als Klimafreundlichkeit am Bau. Gerade im Bereich Gewerbe- und Industrieimmobilien gewinnen Dachsolarsysteme seit 2019 an Attraktivität. So sind Betreiber von Aufdachsolaranlagen mit einer Kapazität von bis zu einem Megawatt seit 2020, anders als sonstige Stromerzeuger, berechtigt, Strom nicht nur an das Energieversorgungsunternehmen Vietnam Electricity (EVN), sondern auch direkt an Endabnehmer zu verkaufen. Die Regierung will, dass bis 2030 die Hälfte aller Büro- und Wohnhäuser über Solardächer verfügen. Dazu soll es Anreize wie vereinfachte Genehmigungen und vergünstigte Kredite geben.

    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Land- und Forstwirtschaft: Nachhaltigkeit wird Wirtschaftsfaktor

    Die Landwirtschaft leidet unter dem Klimawandel, ist aber gleichzeitig Teil des Problems. Die Wälder des Landes sollen zum Klimaschutz beitragen.

    Rund 55 Prozent der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft. Die Bauern des Landes aber leiden zunehmend unter den Auswirkungen des Klimawandels. Dürren und Überschwemmungen sowie Salzwasserintrusion zwingen sie dazu, ihre Anbaumethoden anzupassen. Zahlreiche internationale Geber unterstützen diese Bemühungen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist in diesem Bereich sehr aktiv.

    Reisanbau weiter Methanschleuder

    Eine der wichtigsten Feldfrüchte, Lebensgrundlage einer Vielzahl an Menschen und wichtiges Exportgut Vietnams ist Reis. Reis ist allerdings auch ein starker Emittent von Treibhausgasen. Knapp 30 Prozent der Methanemissionen des Landes entfallen auf den Reisanbau.

    Die Regierung hat sich durch die Unterzeichnung der Global Methane Pledge Inititiative auf der COP26 verpflichtet, bis 2030 ihren Methanausstoß um 30 Prozent zu senken. Zahlreiche Programme unterstützen den Übergang zu klimagerechten Anbaumethoden, aber der Erfolg ist gemischt. Nach Weltbankangaben werden nach der Ernte weiter auf etwa 80 Prozent der Felder die Reisstoppeln verbrannt. 

    Vietnam hat sich auf der COP26 in Glasgow durch Unterzeichnung der Declaration on Forests and Land Use verpflichtet, seine Waldbestände stabil zu halten und insbesondere gegen den illegalen Holzeinschlag vorzugehen. Wälder bedecken 42 Prozent der Landfläche und spielen eine zentrale Rolle als natürliche Kohlenstoffsenken. Allerdings ist der Urwald fast vollständig von einer Plantagenwirtschaft ersetzt worden, mit kurzen Rotationszeiten, um Holzchips für Biomasse zu produzieren.

    Vietnam ist zwar der größte Exporteur von Holzprodukten in Südostasien. Das Land muss dafür aber den Großteil des Holzes selbst importieren, auch weil bisher wenig Wald nach internationalen Standards zertifiziert ist.

    Umstieg auf nachhaltige Forstwirtschaft wird vielfach gefördert

    Der Übergang zu großflächigem, nachhaltigem, klimafreundlichem Forstmanagement ist schwierig, da Waldbesitzer wenig Erfahrung mit Großholzanbau und kaum Zugang zu Finanzierungen für die Übergangszeit haben. Allerdings gibt es in Vietnam immer mehr Förderprogramme von Geberorganisationen und Möglichkeiten, Waldzertifikate zu Geld zu machen. Die GIZ hat 2023 ein Programm zum nachhaltigen Waldmanagement lanciert.

    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Fachkräfte für den Klimaschutz: Fachkräfte sind Mangelware

    Die berufliche Ausbildung führt in Vietnam noch ein Schattendasein. Gerade in technischen Berufen fehlt es an ausgebildeten Fachkräften.

    Vietnam verfügt über einen großen Pool an jungen und motivierten Arbeitskräften. Allerdings arbeiteten 2021 rund 56 Prozent der rund 50 Millionen Arbeitskräfte des Landes in einfachen, informellen Tätigkeiten. Lediglich 24 Prozent der Arbeitskräfte verfügen laut Statistikamt über eine Ausbildung. Dabei gilt als ausgebildet jeder, der zumindest eine berufliche Schulung von mehr als drei Monaten absolviert hat. In der Folge mangelt es der Wirtschaft des Landes branchenübergreifend an Fachkräften. Gerade in technischen Berufen sind erfahrene Arbeitnehmer stark gefragt, aber schwer zu finden. 

    Eine geregelte praktische Berufsausbildung, wie sie in Deutschland mit dem dualen Ausbildungssystem praktiziert wird, existiert in Vietnam kaum. Berufskollegs (Vocational training colleges) bieten zwar praktische und theoretische Ausbildungsmöglichkeiten, bleiben aber häufig hinter den Bedürfnissen von Unternehmen zurück. Auch die universitäre Bildung reicht meist nicht aus, Absolventen mit den in der Praxis erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten auszustatten. Ausländische Unternehmen, die im Land tätig sind, müssen neue Arbeitskräfte in der Regel zunächst umfassend schulen.  

    Allerdings engagieren sich sowohl die deutsche Auslandshandelskammer (AHK) als auch die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) dabei, Fachkräfte auszubilden. Die Auslandshandelskammer bietet in Zusammenarbeit mit deutschen und ersten vietnamesischen Unternehmen duale Berufsausbildungen in Berufsfeldern wie beispielsweise Industriemechaniker oder Mechatroniker. Die GIZ fördert eine Vielzahl an technischen Ausbildungsgängen in Kooperation mit dem Lilama International College of Technology. Speziell im Bereich erneuerbare Energien bietet die GIZ Trainings und Workshops an.

    Weitere Informationen zu Vietnams Arbeitsmarkt bietet die Broschüre Lohn- und Lohnnebenkosten Vietnam.

    Von Peter Buerstedde | Hanoi

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft, auch Hinweise zu Ausschreibungen

    AHK Vietnam

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministry of Natural Resources and Environment

    Umweltministerium

    DCC

    Abteilung für Klimawandel - Umweltministerium

    Ministry of Industry and Trade

    Ministerium für Industrie und Handel, federführend im Bereich Energie

    Vietnam Energy Partnership Group

    Dialogforum zwischen der Regierung Vietnams, Entwicklungspartnern und Stakeholdern im Bereich Klima und Energie 

    GIZ Energy Support Programme

    Programm der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zur Förderung erneuerbarer Energien in Vietnam

    Green Economy Forum & Exhibition (GEFE)

    Messe und Konferenz für Nachhaltigkeit und Klimaschutz, organisiert von der Europäischen Wirtschaftskammer (Eurocham)

  • Angebote der AHK

    AHK Vietnam

    Die deutschen Auslandshandelskammern (AHK) beschäftigen sich auf vielfache Weise mit Themen der Dekarbonisierung der Wirtschaft. Sie führen zahlreiche Projekte zu den erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienz durch. Sie dienen darüber hinaus den deutschen Unternehmen als Ansprechpartner vor Ort und als Vermittler von Kontakten zur Wirtschaft und zu den Behörden ihrer Gastländer.

    Kontakt


    Telefon: +84 (28) 3823 9775 (Büro Ho-Chi-Minh-Stadt), +84 (24) 3825 1420 (Hanoi)

    E-Mail: info@vietnam.ahk.de

    Homepagehttps://vietnam.ahk.de

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