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Special | Ägypten | Wasser - Die knappe Ressource

Ägyptens Bevölkerung wächst – mit ihr der Bedarf an Wasser

Der Ausbau der Infrastruktur in Ägyptens Wassersektor erfordert Investitionen in Milliardenhöhe. Deutschen Anbietern öffnet sich ein weites Betätigungsfeld.

Von Sherif Rohayem | Kairo

Ägyptens Trinkwasserversorgung gewährleistet hauptsächlich der Nil. Es gibt zwar einige Grundwasserreservoirs, jedoch sind diese endlich. Ebenso regnet es in dem Land, dessen Fläche zu 95 Prozent aus Wüste besteht, an nur wenigen Tagen im Jahr. Die Abhängigkeit von nur einem Fluss, mag er auch der längste der Welt sein, stellt ein Klumpenrisiko dar. Dieses Risiko ist im Begriff, sich zu realisieren: Angesichts eines Angebots von circa 560 Kubikmetern pro Kopf und Jahr herrscht in Ägypten laut der Definition der Vereinten Nationen Wasserknappheit. 

Versorgung mit Trinkwasser steht auf der Kippe 

Ägyptens Wasserknappheit verschärft sich – vor allem aufgrund des Bevölkerungswachstums von netto 2 Prozent im Jahr. Hinzu kommen externe Entwicklungen, wie die Erderwärmung, die das Nilwasser auf seinem Weg nach Ägypten verdampfen lässt, oder Äthiopiens Grand Renaissance Staudamm. Durch die Auffüllung dieses Stausees im Ursprungsland des Blauen Nils wird Ägypten buchstäblich das Wasser abgegraben. Für politische Streitigkeiten sorgt, dass Äthiopien den Stausee auffüllt, ohne sich mit den nilabwärts liegenden Ländern Ägypten und Sudan auf eine Auffüllgeschwindigkeit zu einigen.

Der Zugang zu Trinkwasser in Ägypten ist nahezu flächendeckend: 100 Prozent der städtischen Haushalte sowie 93 Prozent der ländlichen Haushalte verfügen über einen Leitungswasseranschluss. Jedoch ist das Leitungsnetz sehr veraltet. Laut Mamduh Raslan von der Holding Company for Water and Waste Water (HCWW), einem Staatsunternehmen des ägyptischen Ministeriums für Wohnungsbau, Dienstleistungen und städtische Gemeinschaften, sind einige Rohre schon 100 Jahre alt.

Viele Leitungen weisen Lecks auf. Zu Wasserverlusten kommt es auch infolge illegaler Umleitungen, die an den Rohren angebracht werden. Zudem rechnen die 25 kommunalen Versorger (Water Companies), die unter dem Dach der HCWW stehen, den Wasserverbrauch nicht flächendeckend ab. Diese technischen und kommerziellen Wasserverluste summieren sich auf geschätzte 30 Prozent.

Wasserversorger können ihre Kosten nicht decken

Die den Wasserverlusten zugrunde liegenden Missstände sind zum Teil auf das Investitionsdefizit in Ägyptens Wasser- und Abwassersektor zurückzuführen. Grund für das Defizit ist die dünne Finanzdecke der HCWW und der ihr untergeordneten 25 Water Companies. Denn selbst wenn die Versorger das Trink- und Abwasser abrechnen, geschieht das zu stark subventionierten Tarifen. Die letzte Anpassung der Tarife fand im Jahr 2018 statt. Bei einem Bevölkerungsanteil von knapp 30 Prozent unterhalb der Armutsgrenze und einer Inflation von gegenwärtig circa 35 Prozent folgt die Subventionierung von Trinkwasser einem naheliegenden, sozialpolitischen Kalkül. 

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Da die Einnahmen nicht reichen, springt die Regierung ein. Neben Energie und Transport zählt der Wassersektor zu einem der größten Investitionsschwerpunkte der ägyptischen Regierung. Und trotz geplanter staatlicher Ausgaben von 50 Milliarden US-Dollar (US$) allein für den Wassersektor im Zeitraum 2017 bis 2037 klafft eine Lücke. Um diese zu schließen, erhält Ägypten Hilfe von Gebern – hauptsächlich aus Deutschland, Japan, den USA, der Europäischen Union sowie von der Weltbank. 

Peter Riad vom Wirtschaftsnetzwerk Afrika beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sagt, dass die Wasser- und Abwasserinfrastruktur in den Ballungsräumen Kairo und Alexandria aufgrund ihrer Bedeutung entsprechend große Unterstützung erhalte. Deshalb, so der Branchenexperte, sei die Versorgerin dieser Städte, die Cairo and Alexandria Potable Water Organisation, finanziell besonders gut ausgestattet.   

Wasserversorgung in neuen Städten durch private Investoren

Als weiteren Baustein für die Finanzierung der kommunalen Wasserinfrastruktur hat die ägyptische Regierung private Investoren vorgesehen. Die im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Wohnungsbau, Dienstleistungen und städtische Gemeinschaften operierende New Urban Communities Authority baut für Ägyptens wachsende Bevölkerung gegenwärtig 14 neue Städte - unter anderem die neue Verwaltungshauptstadt circa 50 Kilometer östlich von Kairo. Anstelle der Water Companies betreiben und finanzieren in den neuen Zentren Privatunternehmen die Wasser- und Abwasserinfrastruktur auf Basis von öffentlich-privaten Partnerschaften.

Deutsche Konkurrenz kommt aus Europa

Wegen der hohen Priorisierung der Wasserinfrastruktur bietet der Sektor Ausrüstern und Planern auch in Krisenzeiten ein breites Betätigungsfeld. Obwohl Ägypten ein sogenannter Preismarkt ist, sind auch deutsche Unternehmen erfolgreich, weil sie ihre Kunden vor allem mit Technik überzeugen. Gerade in der Wasserinfrastruktur legen auch ägyptische Käufer bei der Auswahl der Ausrüstung großen Wert auf Effizienz und Verlässlichkeit. 

Insbesondere italienische und spanische Wettbewerber konkurrieren stark mit deutschen Anbietern. So sieht etwa der Inhaber einer Beratungsfirma im Wassersektor, der anonym bleiben will, spanische Anbieter vorne. Denn sie würden häufiger als deutsche Unternehmen einen After-Sales-Service vor Ort anbieten. Ein Vertreter des emiratischen Anlagenbauers Metito, der ebenfalls nicht genannt werden möchte, hebt die deutsche Qualität hervor, weist aber auch auf die hohen Preise hin. Im Gegensatz dazu würden italienische Firmen gute Qualität zu niedrigeren Preisen anbieten. In diesem Zusammenhang fiel ein Satz, der in Ägypten häufig zu hören ist: Nicht gute Qualität ist gefragt, sondern Qualität, die gut genug ist.

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Inzwischen haben deutsche Unternehmen aber auch günstigere Lösungen in petto. So bieten einige Firmen ihren Kunden an, Ausrüstung zu leasen. Ebenso kümmern sich Lieferanten um die Finanzierung, indem sie etwa die Fördergelder bei Gebern beantragen. Auch das Vorurteil vom schlechten deutschen Verkäufer lässt sich nicht halten. Deutsche Anbieter genießen in Ägypten einen unübertroffenen Vertrauensvorschuss.

Die ägyptischen Dauerthemen Devisenknappheit und Umrechnungskurs der Landeswährung erfordern auch außerhalb des Wassersektors strategische Geduld, die sich ein Unternehmen freilich erst leisten können muss.

Abwasserbehandlung nicht flächendeckend

Im Kontrast zu den Ballungsräumen steht das strukturschwache Oberägypten. So sind die ländlichen Gegenden mit einer Anschlussquote der Haushalte an das Abwassernetz von nur 26 Prozent unterversorgt. Laut Weltbank bedarf es Investitionen von 14 Milliarden US$, um hier aufzuholen. Zur Entwicklung der strukturschwachen Regionen hat Ägyptens Regierung die Haya Kareema (Würdiges Leben) Initiative ins Leben gerufen - unter anderem sollen in Oberägypten über 300 neue Kläranlagen gebaut werden.

Die Industrie leitet ihr Abwasser in Ägypten häufig ohne Aufbereitung in den Nil. Branchenexperte Riad sieht auf diesem technologisch anspruchsvollen Gebiet für deutsche Anbieter gute Auftragschancen, insbesondere bei der Verwertung des anfallenden Klärschlammes. Riad verweist auf Pläne der Regierung, jährlich 3 Millionen Tonnen Klärschlamm in Biokraftstoff und Dünger umzuwandeln. 

Ägypten erschließt neue Wasserquellen

Um neue Wasserquellen zu erschließen, investiert Ägypten große Summen in die Wiederverwendung von Abwasser. Die Landwirtschaft verbraucht in Ägypten mit Abstand das meiste Wasser und produziert entsprechend viel Abwasser. In den vergangenen Jahren hat die ägyptische Regierung für Milliardenbeträge Anlagen zur Wiederaufbereitung von landwirtschaftlichem Abwasser gebaut: unter anderem die Bahr El Baqar-Anlage östlich von Port Said mit einer Kapazität von täglich 5,6 Millionen Kubikmetern oder die El Hammam-Anlage westlich des Nildeltas mit einer täglichen Kapazität von 7,5 Millionen Kubikmeter.    

Daneben will die Regierung die Meerwasserentsalzung stark ausbauen. Mit Hilfe von öffentlich-privaten Partnerschaften soll an Ägyptens Küsten eine zweistellige Anzahl (teil-)solarbetriebener Anlagen entstehen.

Zuständigkeiten im ägyptischen Wassersektor

Das Ministry of Housing, Utilities and Urban Communities ist zuständig für kommunale Wasser- und Abwasserversorgung mit den untergeordneten Organisationen:

Das Ministry of Water Resources and Irrigation verwaltet Nilwasser und andere Wasserquellen.

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