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Branche kompakt | Belgien | Bauwirtschaft

Marktchancen

Für Belgiens Bauumsätze werden im Jahr 2024 keine großen Sprünge erwartet. Trotzdem bestehen in verschiedenen Nischensegmenten Geschäftschancen.

Von Michael Sauermost | Bonn

Die Erwartungen des belgischen Branchenverbands Embuild für 2024 sind eher reserviert. Neubauten im privaten Wohnungssegment könnten den Prognosen zufolge um 7,1 Prozent zurückgehen. Zinserhöhungen, eingeschränkte Finanzierungsmöglichkeiten sowie steigende Materialkosten seien die maßgeblichen Wachstumsbremsen.

60 %

beträgt Anteil der Renovierungen an den Wohnungsbauumsätzen.

Im Renovierungsbereich könnte sich eine Auftragsflaute bis ins Jahr 2025 hinziehen. Embuild geht auf der anderen Seite davon aus, dass sich das Auftragsvolumen im Infrastrukturbau verhalten positiv entwickelt. Für 2024 erwartet der Verband in diesem Segment ein Plus von knapp 4 Prozent.

Im Jahr 2023 stiegen die belgischen Bauumsätze laut einer Studie des Finanzdienstleisters ING um 1,9 Prozent, nachdem sie bereits im Jahr 2022 ein Rekordniveau von 96 Milliarden Euro erreichten. Damit lag das Wachstum des Sektors über dem der gesamten belgischen Wirtschaft.

Das Resultat überraschte: Schließlich wurde das Jahr von steigenden Zinsen und Kosten, einem damit verbundenen Nachfragerückgang sowie einer Rekordzahl an Firmeninsolvenzen geprägt. Bei letzteren handelte es sich zum Großteil um kleinere und vergleichsweise junge Unternehmen. Diese hatten sich während und unmittelbar nach der Coronapandemie noch mit öffentlicher Unterstützung über Wasser halten können. 

Das dennoch zufriedenstellende Wachstum resultierte in erster Linie aus verzögerten Projekten, die nach der Coronadurststrecke wieder aufgenommen wurden. Außerdem sorgten die hohen Energiepreise dafür, dass mehr in die Energieeffizienz im Wohnungsbau investiert wurde. Die Prognosen für das Jahr 2024 sehen jedoch nicht so rosig aus. Zumal die Preise für energieintensive Baustoffe nicht so schnell sinken werden. Positiv könnten sich indes die 2024 anstehenden Kommunalwahlen auswirken. Öffentliche Infrastrukturvorhaben, beispielsweise im Straßen- oder Brückenbau, sollen vorher noch Wählerstimmen generieren.

Sinkende Energiepreise bremsen kurzfristig das Sanierungsgeschäft

Die mittlerweile sinkenden Energiepreise haben auch einen restriktiven Einfluss auf das Sanierungsgeschäft. Der Anreiz, Energiesparmaßnahmen durchzuführen, gehe damit zurück, beklagen Baufirmen. Außerdem sind die Preise für energieintensive Baustoffe wie Beton und Zement kaum gesunken. Dies liegt daran, dass Preise für Sand, Stein oder Ton mittlerweile so stark gestiegen sind, dass diese Kosten schwerer wiegen. Die Preise für Holz oder Kunststoff gaben zwar nach, bewegten sich jedoch immer noch deutlich über dem Niveau von 2022.

Unter Federführung von Embuild entwickelt Belgiens Baubranche Strategien, die mit Hilfe von politischer Flankierung zur Wiederbelebung des Sektors beitragen sollen. Dabei geht es unter anderem um die Schaffung von erschwinglichem und nachhaltigen Wohnraum, höhere öffentliche Investitionen, die Einführung neuer Technologien sowie die Schaffung attraktiver Beschäftigungsmöglichkeiten.

Bis zum Jahr 2030 wird Belgien mindestens 225.000 zusätzliche, bezahlbare und nachhaltige Wohnungen benötigen, kalkuliert Embuild. Darüber hinaus wird eine Überarbeitung der Grundsteuern und eine Senkung der Registrierungsgebühren für energieeffiziente Häuser, beziehungsweise für geplante Energieverbesserungen vorgeschlagen.

 

Marktvolumen der Bauwirtschaft in Belgien In Milliarden Euro, Veränderung in Prozent

Kennziffer (NACE-Position)

2021

2022

Veränderung 2022/2021

Wert des Bauumsatzes insgesamt (F), davon

84,6

95,7

13,2

Hochbau (41)

29,3

32,5

10,9

Tiefbau (42), davon

13,7

15,3

12,1

  Bau von Straßen und Bahnverkehrsstrecken (42.1)

6,3

6,9

11,9

  Leitungstiefbau und sonstiger Tiefbau (42.2)

4,0

5,0

23,8

  Sonstiger Tiefbau (42.3)

3,4

3,4

-1,5

Spezialisierte Bautätigkeiten (43) *)

41,6

47,9

15,2

Wert des Umsatzes von Ingenieur-, Architektur- und Consultingleistungen (71)

12,6

14,2

13,3

* vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe.Quelle: Statbel 2023

Altbauprojekte haben großen Anteil

Belgien hat einen sehr reichen Altbaubestand. Mehr als 60 Prozent der Wohngebäude in Belgien sind älter als 40 Jahre. Ein Viertel der privat genutzten Gebäude hat sogar das Alter von 75 Jahren überschritten. Dagegen waren Ende 2022 nur 6 Prozent aller Gebäude jünger als elf Jahre. Altbauprojekte machen zwangsläufig einen großen Teil der Aufträge für den Sektor aus. Dabei sind oft denkmalpflegerische Vorgaben zu beachten. Die Denkmalschutzregelungen und Förderkriterien weisen regionale Unterschiede auf.

Nach Angaben des belgischen Wirtschaftsministeriums FÖD Wirtschaft existierten im Jahr 2023 knapp 140 registrierte und aktive Handwerksunternehmen aus der Kategorie Bau, Reparatur und Renovierung in Belgien. Das waren etwa 5 Prozent der insgesamt registrierten Betriebe. Auf Einrichtung und Innendekoration (312) entfiel ein Anteil von 11 Prozent.

Gute Auftragschancen haben deutsche Handwerksbetriebe, die im Nachbarland aktiv werden wollen. Sie genießen in Belgien einen guten Ruf - unter anderem auf Grund der dualen Ausbildung. Vor allem gilt der anspruchsvolle Expatmarkt in Brüssel, aber auch für Ferienwohnungen als lukrativ und für das ausländische Handwerk aufgeschlossen.

Flandern ist größter Regionalmarkt

Das Königreich Belgien gliedert sich in drei autonome Regionen. Diese sind das niederländischsprachige Flandern, das bis auf die Deutschsprachige Gemeinschaft frankophone Wallonien und die Region Brüssel-Hauptstadt, die Französisch und Niederländisch als Amtssprachen hat. Die zuständigen Institutionen und teilweise auch Bauvorschriften unterscheiden sich je nach Region erheblich.

Dabei ist Flandern die Region mit der höchsten Wirtschaftskraft und dem größten Markt für Bauleistungen. Auf Flandern entfielen 2022 etwa 69 Prozent aller in Belgien erwirtschafteten Bauumsätze. Wallonien hatte einen Anteil von 20 Prozent und Brüssel-Hauptstadt von 11 Prozent. Zum landesweiten Umsatz von Ingenieur-, Architektur- und ähnlichen Consultingbüros hat Flandern 2022 etwa 58 Prozent beigetragen. Dahinter folgten Brüssel-Hauptstadt mit 23 Prozent und Wallonien mit 19 Prozent.

Energieinsel und weitere Infrastrukturprojekte

Im Tiefbau stabilisieren langfristige öffentliche Investitionen die Auftragslage. Ein zweistelliger Milliarden-Euro-Betrag steht für das zehnjährige Programm zur Modernisierung des Bahnwesens bereit, das Anfang 2023 angelaufen ist. Im Jahr 2023 wurde für das weltweit erste Energieinselprojekt in der Nordsee die Baugenehmigung erteilt. "Princess Elisabeth" soll sich zu einem Knotenpunkt für Offshore-Windkraft entwickeln.

 

Ausgewählte Großprojekte in BelgienInvestitionssumme in Millionen Euro

Vorhaben

Investitionssumme 

Projektstand

Projektträger

Modernisierung und Ausbau der landesweiten Bahninfrastruktur

16.400 (5.000 für Instandhaltung)

Planung, teilweise im BauProgramm läuft von 2023 bis 2032; Realisierung über Staatsbahn SNCB/NMBS und Streckennetzbetreiber Infrabel
Verkehrsring „Oosterweel“ in Antwerpen

4.500

Planung, teilweise im BauRealisierung bis 2030 geplant; Osterweelverbinding
Neue U-Bahn-Bau in Brüssel (Linie 3)

3.200

Planung, teilweise im BauFertigstellung des ersten Bauabschnitts im Zentrum und Süden 2025 geplant; danach Bau von 7 Stationen im Norden, bis 2030; Metro3
Künstliche Energieinsel "Princess Elisabeth" in der Nordsee

2.000 (grobe Schätzungen)

PlanungKnotenpunkt für Offshore-Windkraft, Baubeginn 2024, erste Anlage für 2028 erwartet
Neue Klinik "Grand Hopital de Charleroi"

500

Planung, teilweise im Bau900 Betten; Realisierung bis 2024 geplant; GHDC
Neue Klinik im "Saint Luc"-Komplex in Brüssel

400

Planung, teilweise im Bau77.000 qm; Realisierung bis 2025 geplant; Saint Luc
Zwei Neubauten am Krankenhaus Diest

180

Planung, teilweise im BauFertigstellung Bau 1 bis 2024 geplant; AZ Diest
Neues Fußballstadion in Brügge

100

Planung, teilweise im BauKapazität: 40.000 Zuschauer; Fertigstellung 2024 geplant; B2Ai
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen

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