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Wirtschaftsumfeld | Bosnien und Herzegowina | EU-Erweiterung

Bosnien und Herzegowina ist nun EU-Beitrittskandidat

Die Europäische Union erweitert den Kreis der Beitrittskandidaten um Bosnien und Herzegowina. Doch ohne Reformen bliebe das Symbolik. Die Wirtschaft hofft auf echten Fortschritt.

Von Martin Gaber | Belgrad

Bosnien und Herzegowina ist in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten aufgestiegen. Darauf haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf einem Gipfel in Brüssel am 15. Dezember 2022 verständigt. Das Land gesellt sich damit zu den vier weiteren EU-Kandidaten auf dem Westbalkan: Albanien, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Diese Entwicklung hatte sich bereits beim EU-Westbalkan-Gipfel Anfang Dezember 2022 in Tirana abgezeichnet.

Jetzt wartet nur noch eines der sechs Westbalkanländer auf den Kandidatenstatus: Kosovo. Pristina hat im Dezember 2022 aber ebenfalls einen Antrag gestellt.

Kein schneller Beitritt in Sicht

Mit einem schnellen Beitritt für den Balkanstaat dürfte es allerdings nichts werden. Beispiele aus der Region zeigen, dass EU-Kandidaten viel Geduld brauchen. So ist Nordmazedonien bereits seit dem Jahr 2005 Beitrittskandidat. Die Beitrittsverhandlungen begannen aber erst im Juli 2022.

Bosnien und Herzegowina hat seinen Antrag auf EU-Mitgliedschaft im Jahr 2016 gestellt. Der Kandidatenstatus wurde an Reformen geknüpft. Diese konnte die Regierung in Sarajevo bislang aber nicht liefern.

"Die Bedingungen für eine Vollmitgliedschaft in der EU bleiben unverändert",

sagt Azra Ramić, stellvertretende Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Bosnien und Herzegowina. "Das bedeutet, dass Gesetzgebung, Wirtschaft und Gesellschaft an die Länder der Union herangeführt werden müssen," so Ramić weiter.

Brüssel unter Zugzwang nach Kandidatenstatus für Moldau und Ukraine

Das Entgegenkommen aus Brüssel gilt als wichtiges Signal - in Richtung Sarajevo, aber auch in Richtung Moskau und Belgrad. Einer der beiden Landesteile, die Republika Srpska (RS), droht seit Jahren mit einer Abspaltung vom Gesamtstaat. RS-Präsident Milorad Dodik unterhält gute Beziehungen nach Belgrad und Moskau. Mit dem Status will die EU nun eine klare Richtung für das Land zeichnen.

Außerdem ist Brüssel durch das Zuerkennen des Kandidatenstatus an die Republik Moldau und die Ukraine unter Druck geraten. Nach Russlands Angriffskrieg waren beide Länder innerhalb weniger Wochen zu Beitrittskandidaten geworden. Während Bosnien und Herzegowina schon seit Jahren wartete. EU-Mitglieder forderten daraufhin auch den Kandidatenstatus für den Balkanstaat.

Die EU stellte aber nochmals klar, dass ein weiterer Fortschritt in der Annäherung nur über echte Reformen führen wird. Das gelte für alle Beitrittskandidaten und ist auch ein zentraler Punkt der Abschlusserklärung des Gipfels in Tirana.

Wirtschaftliche Integration schon weit fortgeschritten

Während Bosnien und Herzegowina also noch einen weiten Weg bis zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen vor sich hat, kommt die wirtschaftliche Integration mit der Union gut voran. Das Land profitiert seit 2015 vom Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU. Somit können fast alle Erzeugnisse zollfrei gehandelt werden. Auch als Beschaffungsmarkt ist das Land weiter in den Fokus gerückt.

Die guten wirtschaftlichen Beziehungen spiegeln sich in der Statistik wider: Die EU ist wichtigster Handelspartner und Investor. Fast zwei Drittel seines Außenhandels wickelt Bosnien und Herzegowina mit der EU ab, belegen Zahlen der bosnisch-herzegowinischen Statistikbehörde. Das ist mehr als der Durchschnitt auf dem Westbalkan.

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Fast identisch ist das Bild bei den ausländischen Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI). Die EU-Staaten haben bislang über 5,2 Milliarden Euro im Land investiert. Das sind über 60 Prozent aller FDI, zeigt die Statistik der Zentralbank.

Der Kandidatenstatus soll diese Integration nun weiter vertiefen. "Der Status sendet die Botschaft aus, dass das Land ein gewisses Niveau an politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Stabilität erreicht hat. Das erschafft ein besseres Bild in der Welt und öffnet die Möglichkeiten für mehr ausländische Direktinvestitionen," sagt Zdravko Marinković, Präsident der bosnisch-herzegowinischen Außenhandelskammer VTK (Vanjskotrgovinska Komora Bosne i Hercegovine).

Wirtschaft hofft auf Reformen

Durch den Kandidatenstatus hofft die Wirtschaft auf die Umsetzung von Reformen im Land. Die mangelnde Bekämpfung von Korruption und politische Krisen hemmen die Entwicklung von Bosnien und Herzegowina massiv. Bei der Regierungsbildung kommt es immer wieder zu großen Verzögerungen. Eine verlässliche Wirtschaftspolitik ist so nicht möglich.

Die Betriebe in dem Balkanstaat scheinen jedoch krisenfest zu sein. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen wuchs die Wirtschaft im Jahr 2022. Auch der weitere Ausblick deutet auf Wachstum. Mehr Reformen und verlässlichere Rahmenbedingungen würden den Betrieben weiteren Schwung geben.

"Es ist die Chance, günstigere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in unserem Land zu schaffen",

sagt VTK-Präsident Zdravko Marinković. "Der Kandidatenstatus bringt mehr wirtschaftliche Sicherheit für Bosnien und Herzegowina, gibt ein positives Signal an Investoren und eröffnet zusätzliche Geschäftschancen," führt Marinković weiter aus.

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