Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | Chile | Abfallentsorgung, Recycling

Chile will mit neuem Gesetz Kreislaufwirtschaft etablieren

Mit dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz "Ley REP" nimmt das Recycling in Chile Fahrt auf. Noch sind die Wiederverwertungsquoten niedrig, doch sie sollen sukzessive steigen.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Chiles Abfallwirtschaft durchlebt einen Paradigmenwechsel: "Wir lernen gerade, Abfall als Wertstoff zu sehen", formuliert es Claudia María Soledad López, Leiterin für Kreislaufwirtschaft des Glasherstellers Cristalerías Chile.

Einen wichtigen Schub in diese Richtung erhofft sich die Politik von dem Gesetz 20.920 zur erweiterten Produzentenverantwortung (Ley Responsabilidad Extendida del Productor; Ley REP). Das Gesetz stammt zwar bereits aus dem Jahr 2016. Doch kommen erst jetzt sukzessive entscheidende konkretisierende Gesetze und Bestimmungen hinzu.

Chiles Ziel ist die Kreislaufwirtschaft

In der Tat betrifft das Ley REP nicht nur Produzenten, sondern hat Auswirkungen auf die gesamte Abfallwirtschaft Chiles. Das Gesetz ist die Grundlage für die Bemühungen des Landes, einer Kreislaufwirtschaft näherzukommen, etwa indem bestimmte Produktgruppen mit einer Recyclingpflicht belegt werden. Im Vordergrund stehen:

  • Verpackungen

  • Öl und Schmierstoffe

  • elektrische und elektronische Geräte

  • Industrie-, Fahrzeug- und Haushaltsbatterien

  • Reifen

Das Ley REP richtet sich nach elf Prinzipien. Interessant für Unternehmen ist besonders Punkt 5 (freier Wettbewerb), da dieser grundsätzlich die Verpflichtung zu einer öffentlichen Ausschreibung impliziert.

Die elf Prinzipien des Ley REP:

  1. Verursacherprinzip: Der Verursacher des Abfalls trägt alle internen und externen Kosten.
  2. Graduelle Maßnahmen: Stufenweise Einführung von Müllvermeidung, Wiederverwertung und Recycling 
  3. Inklusion: Einbindung der informellen Müllsammler einhergehend mit Kapazitätsaufbau, Finanzierung und Formalisierung
  4. Hierarchie: Priorisierung der Abfallbehandlung (Vermeidung, Wiederverwendung, Recycling, thermische Wiederverwertung und Entsorgung) 
  5. Freier Wettbewerb: Abfallmanagement und Entsorgung nach den Prinzipien des freien Wettbewerbs
  6. Partizipation: Einbindung und Teilnahme der Bevölkerung und Kommunen
  7. Risikominimierung für die Bevölkerung und Umwelt
  8. Vorbeugung: Ressourcenschonende, nachhaltige Produktion, ökologisches Design etc. zur Abfallreduzierung und -vermeidung
  9. Produzentenverantwortung von der Erzeugung des Produktes bis zu dessen Entsorgung
  10. Transparenz: Zugang der Öffentlichkeit zu relevanten Informationen 
  11. Rückverfolgbarkeit des Abfalls in allen Schritten der Bearbeitungskette

Privathaushalte müssen anfangen, Müll zu trennen

Eine entscheidende Ergänzung erhielt das Ley REP im September 2023 mit der Umsetzung des 2021 publizierten Dekrets DS12/2020, das Recyclingziele für Industrie- und Siedlungsabfälle festlegt.

Die Vorgaben für Hausmüll umfassen fünf Kategorien und zielen in erster Linie auf Verpackungen: Glas, Papier und Kartonagen, Trinkkarton (gemeint ist vor allem Tetrapack), Metall und Kunststoff. Die Quoten liegen derzeit noch sehr niedrig, werden aber jährlich erhöht. Zur Einordnung: Gegenwärtig liegt die Recyclingquote bei städtischen Siedlungsabfällen in Chile bei lediglich 2 bis 3 Prozent.

Bild vergrößern

Kritiker bemängeln, dass sich das Problem mit den Mülldeponien in Chile allein mit Recyclingvorgaben nicht lösen lässt. Denn Verpackungen machen derzeit nur 25 Prozent des Haushaltsmülls aus – und das Gesetz strebt innerhalb von zwölf Jahren lediglich Recyclingquoten zwischen 45 (für Kunststoff) und 70 Prozent (für Papier und Kartonagen) an.

Weitere Regelungen sind aber in Vorbereitung. Zum Beispiel soll noch 2024 ein "Kompostgesetz" verabschiedet werden, das die Haushalte zur Kompostierung organischer Abfälle verpflichtet. Auf diese entfällt etwa die Hälfte aller Siedlungsabfälle.

Dennoch bestehen grundsätzliche Zweifel an der Umsetzbarkeit des Gesetzes Ley REP, denn bislang gibt es in Chile keine Tradition des Mülltrennens. Und welche Anreize hätte die Bevölkerung, wenn etwa 80 Prozent der Menschen gewohnt sind, nichts für die Müllentsorgung zu bezahlen? Viele Chilenen wohnen überdies beengt, sodass das Getrenntsammeln allein am Platz scheitern könnte.

Finanzielle Anreize und Aufklärungsarbeit nötig

Ohne finanzielle Anreize, auch für die klammen Kommunen, könnte das Prozedere über "gut gemeint" nicht hinauskommen. Abhilfe könnte ein Darlehen von 50 Millionen US-Dollar bringen, das Chile bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank beantragt hat. Mit dem Geld sollen die Kapazitäten der Regional- und Kommunalverwaltungen in der Abfallwirtschaft gestärkt werden

Antonia Biggs, Geschäftsführerin des chilenischen Recyclingverbands ANIR, ist dennoch optimistisch. "Die Umsetzung des Gesetzes steht ja erst am Anfang", sagt sie im Gespräch mit Germany Trade & Invest. Die Recyclingziele seien so niedrig gesetzt, um sie tatsächlich erfüllen zu können. Mit den Jahren und den angestrebten Steigerungen werde dies natürlich schwerer. Deshalb müsse jetzt viel Wert auf Aufklärung gelegt werden. Man müsse sehen, inwieweit die Menschen bereit seien, mitzuarbeiten.

Es liegt in kommunaler Verantwortung, es den Menschen so einfach wie möglich zu machen, ihren Abfall zu trennen und abzugeben. Nach Möglichkeit gilt es, alle Abfälle zu Hause abzuholen. Die Frage wird auch sein, inwieweit die Prozesse transparent gestaltet werden können und das gesammelte Material wiederverwertet werden kann.

Bei der Wiederverwertung bleiben noch viele Fragen offen

Generell bleibt jedoch die Frage, was mit den gesammelten Wertstoffen passiert. Für große Frustration sorgten in den vergangenen Jahren TV-Dokumentationen, welche belegten, dass von Haushalten getrennt gesammelter Müll von den Entsorgungsgesellschaften wieder "zusammengeworfen" wurde.

"In Chile fehlt es nicht unbedingt an Recyclingkapazitäten. Im Gegenteil. Diese sind vielfach nicht ausgelastet. Das Problem liegt darin, dass es sich nicht lohnt respektive aus Umweltsicht wenig sinnvoll ist, den getrennten Müll über weite Strecken bis zur Recyclingfirma zu fahren. Darüber hinaus gibt es oft keinen Markt für recycelte Produkte. Hier sind noch Ideen und Technologien gefragt." 

Antonia Biggs Geschäftsführerin des chilenischen Recyclingverbands ANIR

Die Industrie ist bedeutend weiter

Die Recyclingziele in der Industrie sind deutlich ambitionierter als die im Haushaltssektor. Schon heute hebt ihr höherer Recyclingwert den Gesamtdurchschnitt bei der Wiederverwertung auf circa 20 Prozent. Neben den größeren Mengen kann das Material deutlich einfacher zurückgeholt werden, da die Abfälle in getrenntem und gesäubertem Zustand vorliegen.

In der Regel gibt es direkte Verträge zwischen den produzierenden Unternehmen und den Firmen, die ihre Abfälle annehmen und weiterverwerten. Beispielsweise nimmt die Firma Volta in Santiago abgelaufene Lebensmittel aus dem Handel an, packt sie aus und trennt die Verpackungen. Die Lebensmittel werden unter anderem zu Tierfutter verarbeitet.

Bild vergrößern

Rücknahmeplattformen sind mögliche Kunden für Anbieter von Recyclingtechnologien

Ein weiterer bedeutsamer Schritt ist die Verpflichtung der Hersteller und Inverkehrbringer zu einer gesetzeskonformen und nachhaltigen Sammlung und Wiederverwertung gebrauchter Verpackungen. Entsprechend den Vorgaben des Ley REP wurden deshalb verschiedene Rücknahmesysteme etabliert, weitere befinden sich in Entwicklung. Diese Plattformen kommen als Kunden für Anbieter von Recyclingtechnologien in Frage, denn sie sind gesetzlich verpflichtet, Verpackungen wiederzuverwerten und verfügen außerdem über ein Budget, das sich über finanzielle Beiträge ihrer Mitglieder speist. Davon können auch deutsche Firmen profitieren.

Die wichtigsten Rücknahmesysteme in Chile
RücknahmesystemInformationen
Giro Todos Reciclamos

In Giro zahlen derzeit laut Webseite circa 165 Firmen ein, darunter Abus, B.Braun und Puma; hinter Giro stehen die Unternehmen Eureciclo aus Brasilien und Citeo aus Frankreich; gegründet Ende 2022. 

ProREP

Managementsystem für Nicht-Haushaltsverpackungen in Chile, mitaufgebaut und beraten durch die deutsche Firma RIGK; angeschlossen sind mehr als 450 Hersteller/Inverkehrbringer von Gewerbe- und Industrieverpackungen; gegründet im April 2023.

ReSimple

ReSimple (Corporación Sistema Colectivo de Gestión de Envases y Embalajes) konzentriert sich auf Verpackungen aus dem Haushalts- und Gewerbebereich; Träger sind unter anderem die Handelsketten Cencosud und Fallabella mit etwa 1.000 vertretenen Marken; gegründet im Juni 2023.

  • Goodyear de Chile
  • Michelin Chile
  • Bridgestone off the road tire Latin America
  • Epirop Chile
  • AA Comercial
  • Anglo American
  • Autorentas del Pacifico
  • Finning Chile
  • Sandvik Chile
  • Doosan Bobcat Chile
  • Neuvol: Corporación Sistema Colectivo de Gestión de Neumáticos Usados y Fuera de Uso
  • STARCO
  • Commercial AGROIMEC
  • INSACOMEX
  • Valoramas: Corporación de Sistema de Gestión de Neumáticos Fuera de Uso Valora Más
jeweils voneinander unabhängige Reifen-Rücknahmesysteme; alle 2022/2023 gegründet
  • Sierra Gorda
  • Complejo Industrial Molynor
  • SUGAL Chile
  • Molymetnos S.A.
  • Coca Cola de Chile
  • Asociación de Productores de envases y embalajes de sustancias peligrosas y/o agroindustriales Campo Limpio
jeweils voneinander unabhängige Rücknahmesysteme für Verpackungen und Kartonagen; keine Haushaltsabfälle; gegründet zwischen März und Dezember 2023
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.