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Branche kompakt | China | Chemische Industrie

Branchenstruktur

Chinas Chemiebranche gewinnt weiterhin an Wertschöpfungstiefe. Harte Preiskämpfe setzen ausländische Produzenten in China unter Druck. Einige setzen auf Lokalisierung als Ausweg.

Von Corinne Abele | Shanghai

Chinas Chemieindustrie hat in den vergangenen Jahren ihre inländische Wertschöpfungskette beständig vertieft. Und der Ausbau geht weiter – trotz teilweise bereits hoher Überkapazitäten. Vor allem Firmen im Mittelfeld versuchen eine kritische Marktgröße zu erreichen, um im Wettbewerb zu bestehen. So investierten im Gesamtjahr 2023 Hersteller von Grundchemikalien und chemischen Produkten 13,3 Prozent mehr als im Jahr zuvor und übertrafen damit den Investitionszuwachs in der gesamten verarbeitenden Industrie in Höhe von 6,5 Prozent deutlich.

Umsätze der chemischen und petrochemischen Industrie in China Umsatz in Milliarden US-Dollar; akkumulierte Veränderung in Prozent

Sektor

2022 1)

2023 2)

Veränderung 3)

Basischemie und verarbeitende Chemie

1.360

1.248

-3,5

Erdölverarbeitung / petrochemische Erzeugnisse

970

862

-1,0

Gummi-, Kunststofferzeugnisse

442

400

0,5

Arzneimittel

433

358

-3,7

Erdöl- und Erdgasproduktion

187

168

-5,9

Kunststofffasern

162

156

6,8

1 Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2022 der Deutschen Bundesbank; 2 Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2023 der Deutschen Bundesbank; 3 auf Basis der Inlandswährung; Unternehmen mit einem Mindestjahresumsatz von 20 Millionen RMB.Quelle: National Bureau of Statistics (NBS) 2023

Überkapazitäten führen zu ruinösem Preiswettbewerb

Nicht immer reflektieren die Investitionen die inländisch vorhandene Nachfrage. So starteten 2023 allein acht neue Produktionsanlagen zur Herstellung von Azeton (Lösungsmittel). Wie bei Paraxylol (wesentliches Polyester-Vorprodukt) oder Ethylenderivate (Rohstoff für die chemische Industrie) werden dadurch vorhandene Überkapazitäten verstärkt. Der Import von Azeton ging in der Folge 2023 um 43 Prozent laut MC Chemicals zurück. In anderen Produktsparten wie beispielsweise Polyethylen (vielseitiger Kunststoff) sind Überkapazitäten im Bereich Standardqualität bei gleichzeitig hoher Importabhängigkeit von Produkten mit Spezialqualitäten anzutreffen, berichtet CHEManager.

China drängt mit seiner Überproduktion auf den Weltmarkt, bleibt jedoch auf die Einfuhr hochwertiger Chemieprodukte angewiesen. Der Anteil chemischer Produkte an Chinas Gesamtimport liegt relativ unverändert bei rund 10 Prozent. Der Anteil der Chemieausfuhr am globalen Export des Landes ist hingegen seit 2020 kontinuierlich gestiegen, wobei der Ausfuhrwert in US-Dollar (US$) 2023 im Vergleich zum Vorjahr laut chinesischem Zoll um 19,8 Prozent sank.

Chinas Chemiefirmen investieren im Ausland

Parallel treiben vor allem die chinesischen Branchenführer der jeweiligen Chemiesparten ihre Internationalisierung voran. Dies zeigen zahlreiche Chemieprojekte chinesischer Firmen im Ausland - wie das PET-Projekt von WKAI in Nigeria für 49 Millionen US$ oder die Produktion von Sonnenschutzprodukten für 99 Millionen US$ von Cosmos Chemical in Malaysia. Die steigende Anzahl von Investitionsprojekten chinesischer Chemiefirmen hat mehrere Gründe: wachsende Produktionskosten infolge höherer Umweltauflagen und eine schwächere Nachfrage im heimischen Markt China und die steigende geopolitische Fragmentierung des globalen Welthandels. 

Chinesische Spitzenunternehmen wollen durch Investitionsprojekte jenseits der Landesgrenzen sicherstellen, auch in einer fragmentierten Welt Kunden notfalls mit ihren Produkten aus Standorten außerhalb Chinas beliefern zu können. Ausländische Unternehmen wiederum wägen bei Investitionen in China zwischen Risikominimierung und Wettbewerbsfähigkeit ab. Letztere können sie angesichts immer stärkerer inländischen Konkurrenz nur durch Investitionen in moderne Produktion und Entwicklung halten. 

So hat Anfang Februar 2024 BASF seine weltweit größte Produktionsanlage für thermoplastische Polyurethane (TPU, Spezialkunststoff) am neuen Verbundstandort in Zhanjiang in der Provinz Guangdong in Betrieb genommen. Insgesamt beabsichtigt der deutsche Chemieriese, Chinas Anteil am globalen Umsatz von derzeit 15 Prozent auf 20 Prozent bis 2030 zu erhöhen. Allerdings hat sich BASF im Februar 2024 auf Druck der Öffentlichkeit aus seinen zwei Joint Ventures in der nordwestlichen Provinz Xinjiang zurückgezogen, nachdem in verbundenen Unternehmen Fälle von Zwangsarbeit von Uiguren bekannt geworden waren. BASF selbst führte wirtschaftliche und umweltpolitische Gründe für den Entschluss an.

Keine Alternative zu China

Eine Alternative zu China gibt es in der petrochemischen und chemischen Branche kaum. Denn globaler Marktführer kann nur bleiben, wer im chinesischen Markt die Nase vorn behält, auf den Prognosen zufolge 2030 etwa die Hälfte der globalen Chemienachfrage entfallen dürfte. Wie die im Februar 2024 veröffentlichte Geschäftsumfrage der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in China zeigt, erwarten fast 90 Prozent der im Herbst 2023 befragten deutschen Chemiefirmen vor Ort in den nächsten fünf Jahren weiteres Wachstum. Lücken in der chemischen Wertschöpfungskette in China vor allem im Bereich hochwertiger Feinchemikalien, Klebstoffe oder anspruchsvoller Lacke sind nach wie vor Chancen für ausländische Hersteller. Doch auch in Nischensegmenten wird der Wettbewerb immer härter. Vor allem schnell agierende, nicht-staatliche Chemieproduzenten holen immer mehr auf.

Wichtige Branchenunternehmen in China Umsatz in Milliarden US-Dollar; Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum in Prozent
Unternehmen

Eigentumsform 

2022 Umsatz 1)

1.-3. Quartal 2023 Umsatz 1)

Veränderung 1.-3. Quartal 2023 zum Vorjahreszeitraum

Sinopec

staatlich

493,3

350,5

0,7

CNPC

staatlich

481,6

323,9

-7,1

Hengli

privat 

91,0

k.A.

k.A.

Rongsheng

privat

86,2

k.A.

k.A.

Lonsen 2)

privat

3,2

1,5 3)

-19,4

Tongkun 4)

privat

9,2

8,8

30,8

1 Umrechnung zu den Jahresdurchschnittskursen der Deutschen Bundesbank; 2 Top 1 im Bereich Feinchemikalien; 3 Umsatz für das gesamte Jahr 2023; 4 Top 1 im Bereich Kunststofffasern.Quelle: 2023 China Pretro and Chemical Top 500; 2023 China FineChem 100

Chancen durch nachhaltige Produktion

Deutsche und ausländische Firmen konzentrieren sich zunehmend auf Chancen, die sich aus dem schrittweisen Umbau der Industrie insgesamt sowie der Chemieherstellung hin zu mehr Nachhaltigkeit und weniger CO2-Emissionen ergeben. Zum einen produzieren sie nachhaltigere Produkte als ihre heimischen Konkurrenten – zum Beispiel wasserlösliche Lacke oder biologisch abbaubare Kunststoffe. Zum anderen investieren sie in nachhaltigere Produktion. 

Noch stockt die Modernisierung alter Chemiekapazitäten. Doch bei neuen Investitionsprojekten spielen Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit sowohl bei den eingesetzten Prozessen wie bei der anvisierten Nachfrage eine zunehmende Rolle. So ging Anfang 2024 das Joint Venture von BASF Environmental Catalyst and Metal Solutions und Heraeus Precious Metals in Pinghu südlich von Shanghai in Betrieb. In der Anlage werden Edelmetalle aus Autokatalysatoren rückgewonnen.

Ebenfalls kündigte BASF Ende Januar 2024 seine künftigen Zusammenarbeit mit Envision Energy zur Entwicklung eines Herstellungsprozesses von E-Methanol aus grünem Wasserstoff und CO2 an. Und auch die geplante Kooperation des BASF Bereichs Monomere mit Xuchuan Chemical zur Herstellung von Methylendiphenylisocyanate auf Basis von Biomasse für die Produktion von synthetischen Leder-Applikationen zielt auf eine Verringerung der CO2-Emissionen in der Branche.

Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in China
Projekt/Akteur

Investitionssumme (in Mrd. US$) 1)

ProjektstandJahreskapazität
Fabrik zur Herstellung von Sodium-Ionen-Batterien von BYD (Xuzhou, Provinz Jiangsu)

1,4

Baubeginn am 04.01.24Hauptprodukte: Sodium-Ionen-Batteriezellen und Packs;
Jährliche Produktionskapazität: 30GWh
Open-Source Projekt für Carbon Capture, Utilisation and Storage (CCUS) von Shell, Sinopec, Baowu und BASF (Jangtse-Delta)

k.A.

Unterzeichnung von Memorandum of Understanding (MoU) zur Durchführung einer gemeinsamen Studie zu Technologielösungen und Geschäftsmodell am 04.11.23Ziel ist es, Unternehmen im Jangtse-Delta CCUS-Lösungen anbieten zu können
Sino-Saudi Gulei Ethylene Complex Project von SABIC und Fujian Fuhua Gulei Petrochemical (Zhangzhou, Provinz Fujian)

6,4

Investitionsentscheidung bekannt am 22. Januar 2024;
Baubeginn am 19.02.24
Angestrebte Jahresproduktion: 180.000 jato Ethylen und daraus PE, PP und PC
Projekt zur Integration von grünem Methanol und grünem Flugkraftstoff von Energy China (Jilin, Provinz Jilin)

1,7

Unterzeichnung des Abkommens über Investitionszusammenarbeit am 08.03.24Jahresproduktion: 200.000 jato grünes Methanol und 100.000 jato grüner Flugkraftstoff
Ethylene-Projekt von ExxonMobil (Huizhou, Provinz Guangdong)

4,32)

Investitionsentscheidung bekannt am 18.02.24;
Inbetriebnahme bis Ende 2024
Jahresproduktion des Chemiekomplexes: 160.000 jato Ethylen jato, 120.000 jato lineares Hochleistungspolyethylen niedriger Dichte, 500.000 jato Polyethylen niedriger Dichte, 950.000 jato differenziertes Hochleistungspolypropylen und andere
Projekt zur Integration neuer Hochleistungsmaterialien aus Silizium und Fluor von Zhejiang Juhua (Yumen, Provinz Gansu)

5,8

Baubeginn am 28.01.24Jahresproduktion: 360.000 jato Industriesilizium, 100.000 jato Polysilizium, 50.000 jato Trichlorhydrosilizium, 125.000 jato Fluorpolymere, 29.000 jato HFP, 20.000 jato Pentafluorpropan (R245eb), 30.000 jato HCC-240 (R240), 80.000 jato R152a (HFKW-152a), 120.000 jato R142b (HFCKW-142b), 70.000 jato VDF, 120.000 jato Tetrachlorethan, 30.000 jato Tetrachlorethylen, 195.000 jato R22, 105.000 jato TFE, 760.000 jato Methanchlorid, 150.000 jato AHF, 300.000 jato Kalziumchlorid, 300.000 jato Schwefelsäure, 240.000 jato Kalziumkarbid, 900.000 jato Natronlauge mit ionischer Membran und andere
Demonstrationsprojekt für Kohle-Cracking zur Herstellung von Olefine und Aromate von Shaanxi Coal and Chemical Industry Group (Yulin, Provinz Shaanxi)

25,0 3) 

Genehmigung der Umweltverträglichkeitsprüfung am 15.01.24Mehr als 30 Produkte: Kunstharze, neue chemische Materialien, abbaubare Harze und Batterieelektrolyte und andere mit einer Gesamtproduktion von 8,8 Mio. jato
1 Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2023 der Deutschen Bundesbank: 1 US $ = 7,0467 RMB; 2 seit dem Jahr 2020 investiert, Kapitalerhöhung um 1.419 US$ im Jahr 2024; 3 davon 1.690 für Umweltschutz (6,8% der Gesamtinvestition).Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Meldungen in der chinesischen und internationalen Presse 2024

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