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Branche kompakt | China | Chemische Industrie

Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

Die schwache Konjunktur bremst den Umbau alter Chemie-Produktionskapazitäten hin zu mehr Nachhaltigkeit. Vor allem erneuerbare Energien und Elektroautos schaffen "grüne" Nachfrage.

Von Corinne Abele | Shanghai

Dass China seine Klimaziele erreichen will – die Spitze der CO2-Emissionen vor 2030 und Klimaneutralität bis 2060 (sogenanntes Doppelziel 30:60) - spielt für die petrochemische und chemische Industrie eine große Rolle. Ihre Energieintensität ist laut Darstellung der China Petroleum and Chemical industry Federation (CPCF) 3,8 mal höher als im Durchschnitt der EU. Mit einem Anteil von rund 13 Prozent an den CO2-Emissionen Chinas liegt die Chemiebranche nach Angaben des RMI Innovation Center hinter dem Energiesektor auf Platz 2. 

Ausbau des Emissionshandelssystems stockt

Allerdings umfasst das im Juli 2021 gegründete nationale Emissionshandelssystem (ETS) bis dato nur die Wärme- und Stromerzeugung. Eigentlich sollte es bereits 2022 ebenfalls die Sektoren Zement, Aluminium- und Stahlherstellung abdecken. Dies ist bislang nicht erfolgt. Ob, wie ursprünglich geplant, bis 2025 sieben weitere Branchen integriert werden, darunter auch die petrochemische und chemische Industrie, wird immer ungewisser. Seit 8. Februar 2022 müssen jedoch börsennotierte Unternehmen ihre Umweltdaten veröffentlichten, inklusive der CO2-Emissionen. 

Doch nicht nur die Wirtschaftskonjunktur bremst einen raschen Umbau der Industrie hin zu mehr Nachhaltigkeit. Auch die vielerorts mangelnde Verfügbarkeit grünen Stroms ist ein Hemmschuh. Vor allem ausländische Investoren achten auch in China darauf, dass neue Investitionsprojekte im Einklang mit ihren globalen CO2-Minderungszielen stehen. So unterzeichnete BASF für sein großes Verbundprojekt am Standort Zhanjiang in Guangdong 2023 einen 25-jährigen Vertrag mit der State Power Investment Corporation (SPIC) zum Kauf von jährlich 1.000 Gigawattstunden grünen Stroms. China treibt zwar den Aufbau eines grünen Strommarktes voran; bislang kann er vielerorts jedoch die Nachfrage nicht decken. 

Neue Dynamik durch CBAM?

Während die schwache Wirtschaftskonjunktur sowie energiepolitische Sicherheitsaspekte den bisherigen Zeitplan hin zu mehr Nachhaltigkeit verlangsamen, dürfte die schrittweise Einführung des Cross-Border-Ausgleichsmechanismus (CBAM) der EU seit 1. Oktober 2023 für neue Dynamik sorgen. Mit dem Mechanismus will die EU die außerhalb des Staatenbundes mit höherer CO2-Intensität hergestellten Produkte bei der Einfuhr besteuern. Zu den davon betroffenen Waren zählen in der ersten Phase Eisen, Stahl, Zement, Aluminium, Elektrizität, Düngemittel, Wasserstoff sowie einige vor- und nachgelagerte (insbesondere Eisen- und Stahl-) Produkte in reiner oder verarbeiteter Form. 

Chinesische Exporteure sind davon unmittelbar betroffen, vor allem wenn ab 1. August 2024 spezifische, überprüfbare CO2-Emissionswerte und keine Referenzwerte mehr angegeben werden dürfen. China ist beispielsweise weltweit der größte Produzent von Harnstoff, auf dem die meisten Stickstoffdünger beruhen, von Rohstahl, Zement sowie Wasserstoff – und in vielen dieser Bereiche ein bedeutender Lieferant für die EU.

Während die Transformation der chemischen Industrie zu mehr Nachhaltigkeit eher stottert, sind neue grüne Wirtschaftszweige wie die Wind- und Solarbranche sowie die Elektromobilität längst zu großen Abnehmern chemischer Produkte geworden. Allein 2023 installierte China Solarpanels mit einer Gesamtleistung von 217 Gigawatt – und damit mehr als die Gesamtinstallation über alle Jahre hinweg in irgendeinem anderen Land, wie Bloomberg berichtete. Hinzu kommen 13 Gigawatt Windanlagen. Ende 2024 dürften Windkraft und Solarenergie, so die von der South China Morning Post im Februar 2024 zitierte Einschätzung des chinesischen Verbandes für Stromhandel, damit 36 Prozent der installierten Gesamtleistung zur Energieerzeugung Chinas stellen.

Wie umgehen mit Abhängigkeiten?

Die globale Dominanz Chinas in der Herstellung von Solarzellen und -panels schafft sowohl für Deutschland als auch Europa große Abhängigkeit bei der Dekarbonisierung ihrer Energiesysteme. Bislang lehnt die EU das Wiederaufleben von Anti-Dumping-Maßnahmen gegen Solarpanels aus China ab - anders als die USA. Letztere werden ab Juni 2024 Anti-Dumping-Zölle erheben, und zwar zusätzlich nicht nur auf Solarpanels aus China, sondern auch auf von einigen chinesischen Firmen in Südostasien gefertigte Solarpanels.

Auch bei der Herstellung von Batterievormaterialien und Batterien drücken durch Subventionen entstandene Überkapazitäten in China weltweit die Preise. Das britische Marktforschungsunternehmen CRU Group schätzt, dass allein Chinas Produktion eisenbasierter Elektroden die Nachfrage um 51 Prozent überstieg. Der Preis von Lithium fiel im Jahresverlauf 2023 um über 80 Prozent. Für derart rasant aufgebaute Überkapazitäten spielen Subventionen eine Rolle.

Aufbau der Wasserstoffwirtschaft kommt schleppend voran

Zwar verfügt das Land inzwischen über seinen mittelfristigen Entwicklungsplan bis 2035 für die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft, doch de facto kommen Ausbau der Infrastruktur und Pilotprojekte nur langsam voran. Nicht selten werden Projekte aufgrund der schwierigen Finanzlage von Lokalregierungen zumindest verschoben. Auch bleiben bislang alle "3+2" nationale Demonstrations- und Anwendungs-Cluster für Brennstoffzellenfahrzeuge hinter ihren Zielsetzungen zurück. 

Aber Rahmenbedingungen und Standards werden kontinuierlich präzisiert. Erstmals hat die Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) am 8. August 2023 Richtlinien zur Standardisierung von Gewinnung und Einsatz von Wasserstoff erlassen. Laut Experten zielen sie auf eine rasche Entwicklung der gesamten Wertschöpfungskette von der Gewinnung bis zum Einsatz von Wasserstoff. Bislang entfällt jedoch in China nur ein marginaler Teil auf "grünen" Wasserstoff.

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