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Lateinamerika muss seine Wasserwirtschaft modernisieren

Lateinamerika hat enorme Wasserressourcen. Doch ineffiziente Nutzung und der Klimawandel sorgen für Probleme. Viele Länder investieren in deutsche Technologie.

Von Janosch Siepen | Bogotá

Lateinamerika beherbergt lediglich 8 Prozent der Weltbevölkerung, aber ein Drittel der weltweiten Süßwasserressourcen. Trotzdem machen Trockenheit, veraltete Infrastruktur und Wasserverschwendung der Region zu schaffen. Weil viele Länder ihre Wasserwirtschaft modernisieren, ergeben sich zahlreiche Chancen für deutsche Anbieter in der ganzen Breite des Sektors. 

Trockenheit stellt Wasserversorgung in Lateinamerika vor Herausforderungen

Amazonas und Atacama – Wasserreichtum und -knappheit liegen in Lateinamerika eng beieinander. Dabei stellen der Klimawandel, zunehmende Extremwetterereignisse und der steigende Wasserverbrauch viele Länder der Region vor große Herausforderungen. Hierzu zählt Chile: Rund drei Viertel des Landes sind von Dürre, Wüstenbildung oder Bodenverschlechterung betroffen. Doch geht immer noch viel Wasser durch Lecks in Wasserleitungen verloren.

Auch viele Gebiete in Mexiko sind stark von Trockenheit und zunehmendem Wassermangel betroffen. In der Hauptstadt des Landes gingen die Menschen Ende Januar 2024 auf die Straße, um gegen die Trinkwasserknappheit zu protestieren. In den Wochen zuvor hatten die Behörden den Trinkwasserzufluss für Teile der Hauptstadt gedrosselt. In mehreren Stadtvierteln kommt seitdem spürbar weniger Wasser aus den Leitungen, zeitweise bleibt es auch ganz weg.

Angespannte Situation eröffnet Geschäftschancen

Die zunehmende Wasserknappheit erfordert gewaltige Investitionen. Im Norden Mexikos entstehen neue Wasserleitungen und -speicher. Noch größer sind die Pläne in Chile: Über eine 3.000 Kilometer lange "Wasserautobahn" könnte künftig Wasser aus dem Süden in den Norden gepumpt werden. Doch noch sind die entsprechenden Pläne nicht über das "Ideenstadium" hinausgekommen.

In Brasilien fließen Milliarden in die Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung. Private Betreiber investieren verstärkt in Sensortechnik und innovative Lösungen, um Wasserverluste und -diebstahl zu reduzieren. Auch die Meerwasserentsalzung gewinnt an Bedeutung, allen voran in Chile und Peru, wo Projekte in den Startlöchern stehen. 

Ausgewählte Projekte im lateinamerikanischen Wassersektor

Land

Projektname

Investitionssumme in Mio. US$

Projektstand

Betreiber

Mexiko

Meerwasserentsalzungsanlage Mar de Cortés – Puerto Peñasco (1 Mio. m³/Tag)

5.500

Projekt ist Teil des Sonora-Wasserplans 2023-2053

Konsortium Pierson Capital – IDE Technologies

Chile

Meerwasserentsalzungsanlage Aguas Marítimas (700.000 m³/Tag)

5.000

Prüfung des Projekts ausgesetzt, Unternehmen arbeitet an erforderlichen Unterlagen

Cramsa Infraestructura

BrasilienPernambuco Saneamento (Wasserversorgung für 9,7 Mio. Menschen im Bundesstaat Pernambuco)

4.800

Konzession/PPP *) wird im 4. Quartal 2024 versteigert

Vergabe erfolgt im 4. Quartal 2024

Panama

Wassermanagementsystem für den Panamakanal

2.000

Entwurf der Vorstudien wird überarbeitet

Autoridad del Canal de Panamá

Brasilien

Sanierung des Tietê-Flusses (3. Phase)

2.000

Voller Betrieb ab 2027

Sabesp

Kolumbien

Klärwerk Canoas

1.519

Vorqualifikation bis Mai 2024, technische und finanzielle Restrukturierung

EAAB-ESP

Argentinien

Unterirdische Wasserleitung von dem Klärwerk Juan Manuel de Rosas in die Metropolregion Buenos Aires

1.200

Frühkonzipierung, Finanzierung unklar

Secretaría de Infraestructura y Política Hídrica / AySA

Chile

Meerwasserentsalzungsanlage Aconcagua (1.000 l/s)

1.000

Finanzierung gesichert, Bau läuft, Betrieb ab 2025

Aguas Pacífico / IDE Technologies

Mexiko

Wasserreservoir El Zapotillo

979

Testphase des Pumpsystems hat begonnen, Betrieb ab 2024

Organismo de Cuenca Lerma-Santiago-Pacífico (CONAGUA) / Fonadin

Peru

Bewässerungssystem Chavimochic (3. Phase, 47.000 ha)

750

Vertrag mit kanadischer Regierung für technische Beratung, Baubeginn Ende 2024, Betrieb ab 2026

Midagri / Gobierno Regional de la Libertad / Chavimochic (Odebrecht, CNO, Aenza)

* Public Private PartnershipQuelle: BNamericas 2024; Recherchen von Germany Trade & Invest

Eine große Herausforderung ist die Trinkwasserversorgung auf dem Land. Hier sind dezentrale Lösungen gefragt. Kolumbien setzt auf Wasseraufbereitungsmodule. Ende 2023 weihte das kolumbianische Wohnungsministerium im Rahmen eines Notfallplans im dünn besiedelten Bundesstaat La Guajira die erste von 100 geplanten Anlagen ein. Abseits davon installierte das Kölner Unternehmen mft in La Guajira Minikläranlagen und Boreal Light aus Berlin lieferte drei Trinkwasseraufbereitungsanlagen.

Chile modernisiert Kläranlagen, Kolumbien setzt verstärkt auf Technologie

Der Stand der Abwasserreinigung in Lateinamerika ist sehr unterschiedlich. Während in Chile knapp 90 Prozent der häuslichen Abwässer aufbereitet werden, liegt der Anteil in Kolumbien bei weniger als einem Fünftel. Aufgrund des erreichten hohen Standards setzt Chile auf die Modernisierung bestehender Klärwerke anstatt auf neue Großprojekte. Hiervon profitieren auch deutsche Unternehmen. "Die Kunden in Chile achten genau auf Effizienz und Return-on-Investment. Deshalb findet sich für gute deutsche Wertarbeit immer noch eine Nische", sagt Max von Igel, Regionaldirektor für Lateinamerika und die Karibik bei Huber Technology in Bayern.

In Kolumbien steigt der Absatz moderner, effizienter Lösungen. Bei neuen Anlagen setzen die Betreiber unter anderem auf deutsche Technik: große Abwasserpumpen der pfälzischen Firma KSB sowie vollautomatisierte Zentrifugen von Flottweg aus Vilsbiburg. Zwar fehlen in Kolumbien aktuell neue Großvorhaben des Staates, doch dürften deutsche Anbieter auch künftig gute Geschäfte machen. Auflagen für die Aufbereitung von Industriewasser, neue Qualitäts- und Effizienzstandards, hohe Energiekosten und ein Trend zu langlebigen Produkten sprechen für "made in Germany".

Auch in Brasilien bieten sich wachsende Chancen. In den vergangenen Jahren hat Lateinamerikas größtes Land den Wassermarkt für private Betreiber geöffnet. Seitdem steigen die Investitionen zweistellig. Gut für Anbieter qualitativ hochwertiger Produkte: Die privaten Betreiber orientieren sich bei ihren Investitionsentscheidungen deutlich stärker an Effizienz sowie langfristigen Betriebs- und Wartungskosten. Im Jahr 2024 privatisiert der Bundesstaat São Paulo den weltweit größten Wasserversorger Sabesp. Weitere Konzerne sollen folgen.

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Wasserintensive Landwirtschaft soll effizienter werden

Zunehmende Trockenheit trifft auch die Landwirtschaft, den größten Wasserverbraucher in den meisten Ländern Lateinamerikas. Auch hier fließen Investitionen in moderne Technik. Besonders fortschrittlich sind die großen Landwirte in Brasilien und Chile. Sie setzen auf Präzisionsbewässerung, die Nutzung von Luft- und Satellitenbildern und Monitoringsysteme.

Auch die Regierungen sind tätig. So entstehen im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais neue Staudämme zur Bewässerung. Und die peruanische Regierung möchte mit dem Bewässerungssystem im Chancay-Tal die Wasserverluste in der Region verringern und neue landwirtschaftliche Flächen erschließen. In Kolumbien erleichtert das Programm "Incentivo a la capitalización rural" kapitalschwachen Kleinbauern die Finanzierung von Bewässerungsanlagen.

Nachhaltige Wassernutzung spielt größere Rolle in der lateinamerikanischen Industrie

Auch die Industrie in Lateinamerika steigert die Investitionen in moderne Wassertechnik, darunter das Recycling von Grauwasser. Dies gilt besonders für börsennotierte Unternehmen mit Nachhaltigkeitsstrategien. So nutzt das brasilianische Unternehmen Tramontina Regenwasser, während die Firma Eldorado auf die Wiederaufbereitung von verwendetem Wasser setzt. Eldorado ist in der Papier- und Zellstoffbranche tätig. Zusammen mit der Zucker-Ethanol-Industrie gehört diese zu den größten industriellen Wasserverbrauchern in Brasilien.

Zudem setzen die Firmen vermehrt auf Meerwasserentsalzung, beispielsweise in Chiles durstigen Kupferminen. "2025 sollen 90 Prozent des Wassers, das in der chilenischen Bergbauindustrie genutzt wird, aus dem Meer kommen oder wiederverwendetes Wasser sein. Ein interessantes Szenario für die deutsche Industrie, die auf diesem Gebiet Technik und Know-how einbringen kann", sagt Iris Wunderlich, Leiterin des Kompetenzzentrums Bergbau an der AHK Chile.

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