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Branche kompakt | Niederlande | Solarenergie

Niederlande bauen Fotovoltaik stark aus

Die Niederlande forcieren den Ausstieg aus der Kohle- und Erdgasverstromung und setzen auf Solarenergie. Deren installierte Leistung soll diejenige von Windparks 2030 übersteigen.

Von Torsten Pauly | Berlin

  • Marktüberblick

    Der Fotovoltaikmarkt wächst rasant. Im Jahr 2020 gab es einen Zubau um 48,3 Prozent auf 10,7 Gigawatt und 2030 soll die Leistung 27 Gigawatt bis 34 Gigawatt erreichen.

    Markttreiber und -hemmnisse

    Treiber

    Hemmnisse

    Das 2021 neu aufgelegte Förderprogramm SDE++ berücksichtigt viele gewerbliche Fotovoltaikprojekte

    Eine dichte Besiedlung und intensive Bodennutzung hat einen Mangel an großen Flächen zur Folge

    Noch bis Ende 2023 läuft ein Programm für kleine Dachanlagen, das eine Amortisierung in weniger als sechs Jahren ermöglicht

    Es gibt eine Vielzahl von Genehmigungs-, Lizenzierungs- und Zertifizierungsinstitutionen

    Quelle: Germany Trade & Invest

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Politische Ziele

    Die Niederlande lagen 2019 bei der installierten Fotovoltaikleistung pro Kopf EU-weit an zweiter Stelle. Der Ausstieg aus fossilen Quellen erfordert weiter hohe Investitionen.

    Ehrgeiziger Umbau des Energie-Mix steht bevor

    In den Niederlanden waren Ende 2019 Fotovoltaikanlagen mit einer durchschnittlichen Leistung von 539 Watt je Einwohner installiert. Dies war in der EU der zweitbeste Wert nach Deutschland (651 Watt). Im Jahr 2020 haben die Niederlande Solarstrom im Umfang von 8,1 Terawattstunden erzeugt, das entsprach 6,7 Prozent der gesamten Elektrizitätsgewinnung. Noch bedeutender war die Windkraft (12,5 Prozent), für die hervorragende natürliche Bedingungen bestehen. Nach wir vor gibt es jedoch eine starke Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, insbesondere vom Erdgas, das die Niederlande seit Jahrzehnten aus ihren Nordseegewässern fördern und das 2020 etwa 59 Prozent zur Stromproduktion beigetragen hat. Weitere 6,2 Prozent entfielen auf die Steinkohle.

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    Die Niederlande planen Ende 2021 keinen Atomausstieg, werden aber den Anteil der CO2-intensiven fossilen Brennstoffe stark herunterfahren. So wollen die Niederlande 2028 aus der Kohleverstromung aussteigen und der Anteil des Erdgases soll bis 2030 auf 30 Prozent sinken. Dann wird sich das große Groningenfeld im Nordseeboden erschöpfen.

    Im Zuge dessen wird der starke Zubau an Fotovoltaikanlagen weitergehen, kommt diesen doch eine Schlüsselrolle im neuen Energie-Mix zu. Laut dem Nationalen Klima- und Energieplan von 2019 bis 2030 soll die installierte Solarstromleistung bis 2023 auf 15 Gigawatt und bis 2030 auf 27 Gigawatt steigen. Diese Kapazität ist erheblich höher als diejenige, die der Nationale Klima- und Energieplan 2030 für Windparks zu Lande (6,1 Gigawatt) und zu Wasser (10 Gigawatt) vorsieht. Der Betreiber des landesweiten Stromübertragungsnetzes TenneT hat 2020 sogar eine installierte Fotovoltaikkapazität von 34 Gigawatt im Jahr 2030 für realistisch gehalten. Dies käme einem Anstieg um über 23 Gigawatt gegenüber 2020 gleich.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Marktorganisation

    Den Elektrizitätsmarkt organisiert das Unternehmen TenneT. Niederländische Haushalte können zwischen verschiedenen Anbietern wählen.

    Stromversorgung ist regional aufgeteilt

    Zuständig für die Regulierung des Strommarktes ist die Agentur ACM (Autoriteit Consument & Markt). ACM informiert auch über die jeweils gültigen Leitungs- und sonstigen Stromtarife.

    In den Niederlanden existieren sieben regionale Netzbetreiber, die jeweils für bestimmte Gebiete zuständig sind. Niederländische Haushalte können aber zwischen verschiedenen Stromversorgern wählen. Großabnehmer mit einer Stromstärke von mindestens dreimal 80 Ampere können einen exklusiven Versorgungsvertrag mit einem bestimmten Stromerzeuger abschließen.

    Das niederländische Hochspannungsübertragungsnetz ab 110 Kilovolt gehört dem Unternehmen TenneT, das auch das landesweite Stromangebot und die Nachfrage danach ständig erfasst und kontrolliert. TenneT schließt auch Fotovoltaikparks an das Stromnetz an. Alle Stromerzeuger und -abnehmer müssen sich bei TenneT registrieren. Wer nicht ausschließlich Großabnehmer beliefert, muss zudem eine Lizenz bei ACM beantragen. Darüber hinaus muss eine Zertifizierung von erneuerbarer Energiegewinnung bei CertiQ erfolgen. CertiQ gehört zum Unternehmen TenneT.

    Die Marktteilnehmer können ihren gehandelten Strom frei vereinbaren. Darüber hinaus müssen sie TenneT täglich über ihre Angebots- und Bezugspläne informieren und TenneT kann im Fall von wetter- oder anderweitig bedingten Ungleichgewichten Strom beziehen und wo benötigt zur Verfügung stellen.

    Für die Genehmigung von Fotovoltaikparks ist die staatliche Immobilienagentur Rijksvastgoedbedrijf (RVB) zuständig. Große Kraftwerke werden zudem vom Ministerium für Wirtschaft und Klima koordiniert. Dies gilt für Fotovoltaikparks mit einer Mindestleistung von 50 Megawatt.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Marktchancen

    Kleine Dachanlagen und große Solarparks eröffnen gute Geschäftschancen. Die gewerblich installierte Fotovoltaikkapazität hat diejenige von Hausbesitzern 2019 erstmals übertroffen.

    Beide Segmente sind zuletzt stark gewachsen. So hat sich die gewerbliche Solarstromleistung 2019 laut neuesten verfügbaren Zahlen um 59 Prozent auf 3,6 Gigawatt erhöht, während die auf Wohnhäusern um 39 Prozent auf 3,2 Gigawatt gestiegen ist.

    Günstige Regeln für kleine Dachanlagen gelten noch bis 2023

    Niederländische Eigenheimbesitzer mit Fotovoltaikanlagen sind zum einen selber verbrauchende Prosumer, können ihre Elektrizität aber auch ins öffentliche Netz einspeisen. In diesem Fall greift das sogenannte Netmetering, das heißt die Netto-Messung. Den Erzeugern wird in diesem Fall die Differenz von eingespeistem und bezogenem Strom berechnet, wobei jeweils der gleiche Marktpreis berechnet wird. Zudem lassen sich Solarenergieinvestitionen steuerlich absetzen. Dachanlagen können sich daher in bis zu sechs Jahren amortisieren. Diese Regelungen gelten noch bis Ende 2023 und sollen dann bis 2031 stufenweise wegfallen. Es ist daher zu erwarten, dass viele Hausbesitzer noch zu den jetzt geltenden Bedingungen in Fotovoltaikdachanlagen investieren werden.

    Die niederländischen Haushalte haben geringe Stromkosten. Im ersten Halbjahr 2021 fielen bei einem Jahresverbrauch von 2.500 Kilowattstunden bis 5.000 Kilowattstunden inklusive aller Steuern und Abgaben im Mittel 41,6 Prozent weniger pro Kilowattstunde als im EU-Durchschnitt an. Gewerbliche Kunden mit einem Jahresverbrauch von 2.000 Megawattstunden bis 20.000 Megawattstunden zahlten im ersten Halbjahr 2021 etwa 13,2 Prozent weniger als im EU-Schnitt. Zunehmend investieren Unternehmen im Sekundär- und Tertiärsektor in ihre eigene Stromversorgung mit Fotovoltaikanlagen auf ihren Gebäudedächern.

    RWE und andere Investoren projektieren große Anlagen

    Wegen der mit 507 Einwohnern pro Quadratkilometer (2019) sehr hohen Bevölkerungsdichte und der intensiven Bodenbewirtschaftung werden große Fotovoltaikparks oft auf Meeres- oder Binnengewässern errichtet. So haben die Investoren Zeeuwind und Deltawind im Juni 2021 bekanntgegeben, Anlagen im Umfang von 50 Megawatt auf 40 Hektar zwischen den Turbinen des Nordseewindparks Krammer zu installieren. Auf einem Binnensee errichtet die RWE Renewables GmbH den Fotovoltaikpark Amer mit 6,1 Megawatt Leistung. Weitere 2,3 Megawatt entstehen auf dem Gelände des nahegelegenen Kraftwerks.

    Ein weiterer niederländischer Großinvestor ist Powerfield. Die Gesellschaft entwickelt derzeit 12 Fotovoltaikparks zu Lande und zu Wasser mit einer Gesamtleistung von 372 Megawatt. Die größten Projekte sind dabei der Solarpark Borgercompagnie mit 150 Megawatt, der Solarpark Matsloot (50 Megawatt) und die Anlagen Leek (33 Megawatt) und Wanneperveen (28 Megawatt). Powerfield betreibt bereits zehn Fotovoltaikparks mit einer Kapazität von insgesamt 437 Megawatt.

    Regierung hat Förderprogramm SDE++ aufgelegt

    Seit 2021 fördern die Niederlande gewerbliche erneuerbare Energieprojekte mit dem Programm SDE++ (Stimulering Duurzame Energieproductie), welches das vorherige Schema SDE+ ersetzt hat. Das Programm SDE++ managt die Wirtschaftsförderungsagentur RVO (Rijksdienst voor Ondernemend Nederland).

    Projektierer können sich an Auktionen beteiligen, die in der Regel zweimal im Jahr im Frühjahr und Herbst stattfinden. Antragsteller benötigen eine CertiQ-Zertifizierung. SDE++ gewährt Subventionen für CO2-Einsparungen, die sich im Herbst 2021 je nach Tender in einer Spanne von 60 Euro bis 300 Euro je Tonne CO2 bewegen. Bei der Frühjahrsvergabe 2021 hat das Programm SDE++ 2 Milliarden Euro für Fotovoltaikprojekte im Umfang von 3,5 Gigawatt bereitgestellt.

    Auch Energiespeicher und Wasserstoff eröffnen Geschäftschancen

    Der durch große Fotovoltaikparks gewonnene Strom wird häufig in innovative Anlagen zur Energiespeicherung oder Elektrolyse überführt. An der Schnittstelle zu diesen Technologien eröffnen sich deutschen Anbietern von Fotovoltaiksystemen oder digitalen Steuerungsprozessen ebenfalls viele Geschäftschancen.

    Unter anderem wächst der niederländische Markt für Elektrofahrzeuge dank attraktiver Fördermodelle stark. Es gibt zwei Dutzend Projekte für Wasserstoffanlagen und der eingesetzte Strom kommt oft aus Wind- und Solarparks. Das Programm SDE++ hat im Frühjahr 2021 auch entschieden, ein Rotterdamer Projekt zur Speicherung von Kohlenstoff mit 2,1 Milliarden Euro zu fördern.

    Erneuerbare Quellen machen Niederlande zum Nettostromexporteur

    Die Niederlande waren seit Jahrzehnten ein Nettoimporteur von Elektrizität. Mit dem raschen Ausbau der ergiebigen erneuerbaren Quellen hat sich dies jedoch geändert, denn 2020 haben die Niederlande erstmals 2,7 Terawatt mehr Strom aus- als eingeführt. Dieser Überschuss wird in den kommenden Jahren mit dem groß angelegten Zubau weiter ansteigen.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Markthemmnisse

    Deutsche und andere EU-Anbieter stoßen in den Niederlanden auf keine generellen Hindernisse beim Marktzugang. Die örtlichen Regelungen sind aber komplex.

    Unterschiedliche Genehmigungen nötig

    Entwickler großer Solaranlagen sollten mit örtlichen Projektierern zusammenarbeiten, da mehrere Genehmigungen, Lizenzen und Zertifizierungen bei verschiedenen Institutionen einzuholen sind.

    Deutsche Hersteller bearbeiten den Markt oft mit niederländischen Handelsfirmen, mitunter auch mit exklusiv tätigen Vertretern. Wer in die Niederlande liefert, muss die Anmeldevorgaben für Firmen und entsandte Mitarbeiter beachten. Hierzu bietet unter anderem die Deutsch-Niederländische Handelskammer einen umfassenden Service einschließlich von Steuerfragen an. Die Rekrutierung eigener qualifizierter Mitarbeiter kann sich wegen eines in den wirtschaftsstärksten Regionen besonders ausgeprägten Fachkräftemangels als langwierig erweisen.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Branchenstruktur

    In den Niederlanden gibt es einige Entwickler und Hersteller von Fotovoltaik. Zahlreicher sind die Projektierer, Händler sowie Installations- und Wartungsfirmen von Solartechnik.

    Branche ist stark gewachsen

    Der Verband SolarPower Europe erwartet, dass die Wertschöpfung der niederländischen Fotovoltaikbranche 2021 etwa 760 Millionen Euro erreicht. Noch 2016 lag diese Summe bei circa 330 Millionen Euro.

    Die überschaubare Anzahl von inländischen Herstellern führt zu einer hohen Importquote. Allerdings besteht in den Niederlanden an den Schnittstellen zur Fotovoltaik ein sehr starkes Innovationspotenzial. Hier ist die Elektro- und Elektronikindustrie, etwa die Mikrochip- und Halbleitersparte, sowie der Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie zu nennen. Ein führendes interdisziplinäres Forschungsinstitut ist TNO, das in mehreren Städten insgesamt 3.400 Mitarbeiter beschäftigt und einen besonderen Fokus auf Sonnenenergie und andere erneuerbare Quellen legt.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Exportinitiative Energie

    Informationen zu Veranstaltungen, Markt- und Länderinformationen

    Factsheets der Exportinitiative Energie

    Factsheets mit allgemeinen Energieinformationen zum Land (teilweise mit Technologie- oder Anwendungsfokus)

    AHK Niederlande

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministerie van Economische Zaken en Klimaat

    Wirtschafts- und Klimaministerium, zuständig für Energiepolitik

    Planbureau voor de Leefomgeving (PBL)

    Umweltagentur, zuständig auch für Energieanalysen

    Autoriteit Consument & Markt (ACM)

    Strom- und Gasregulierungsagentur

    Rijksvastgoedbedrijv (RVB)

    Staatliche Immobilienagentur, zuständig für Baugenehmigungen

    CertiQ

    zuständig für Zertifizierungen erneuerbarer Stromgewinnung, gehört zum Stromübertragungsunternehmen TenneT

    Nederlandse Vereniging Duurzame Energie

    Niederländischer Verband erneuerbarer Energien

    Holland Solar

    Solarenergieverband

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