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Zentralasien baut gemeinsames Stromnetz auf

Die Länder Zentralasiens müssen ihr Stromnetz verdichten und stabilisieren, auch um das Potenzial erneuerbarer Energiequellen zu heben. Brüssel will die Region dabei unterstützen.

Von Viktor Ebel | Bonn

In Zentralasien schlummert ein enormes Potenzial für die Nutzung grüner Energien. Tadschikistan und Kirgisistan erzeugen bereits einen Großteil ihres Stroms mit Wasserkraftwerken. Kasachstan und Usbekistan hinken noch hinterher, wollen aber den Anteil der Erneuerbaren am Energiemix schnell steigern. Bis 2030 will Usbekistan 25 Prozent seines Stroms mit Sonne, Wind und Wasser erzeugen. Kasachstan geht noch weiter und peilt einen Anteil von 33 Prozent an.

Damit reagieren die Länder auf die Auswirkungen des Klimawandels, der die von Trockenheit geprägte Region besonders betrifft. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren ist es jedoch nicht getan. Zentralasien benötigt Reservekraftwerke und Interkonnektoren, also transnationale Stromleitungen, um wetterbedingte Produktionsschwankungen der Solar- und Windanlagen auszugleichen. Das würde einen effizienten Stromhandel ermöglichen, die Versorgung sicherstellen und weitere Investitionen in erneuerbare Energiequellen ankurbeln.

Mehr regionale Zusammenarbeit bei Energie und Wasser

Usbekistan war zuletzt viele Jahre der Hemmschuh, wenn es darum ging, das zentralasiatische Stromverbundnetz zu reaktivieren. Aufgrund von Wasserstreitigkeiten verfolgte das Land eine Politik der nationalen Selbstversorgung. Seit dem Amtsantritt von Präsident Shavkat Mirziyoyev im Jahr 2016 wendete sich vieles zum Besseren: die Länder Zentralasiens haben Interkonnektoren reaktiviert und arbeiten nun intensiver an einem gemeinsamen Strommarkt. 

Dafür sollen die Übertragungsleitungen und Kraftwerke modernisiert und ausgebaut werden. Usbekistan und Tadschikistan kooperieren beispielsweise aktuell beim Bau von zwei Wasserkraftwerken (insgesamt 320 MW Leistung) am Zarafshan-Fluss.

Wasserkonflikte sorgen für Spannungen in Zentralasien

Zu Sowjetzeiten wurden die rohstoffarmen Länder Tadschikistan und Kirgisistan im Winter mit Energie aus den benachbarten Republiken versorgt. Im Gegenzug lieferten sie im Sommer Strom und Wasser aus den Flüssen Amudarja und Syrdarja, das flussabwärts in Usbekistan und Turkmenistan für die Landwirtschaft zur Verfügung stand. Mit der Unabhängigkeit verabschiedeten sich die Länder zunehmend vom zentral gesteuerten Wasser- und Energiemanagement.


Die Länder flussaufwärts sahen sich gezwungen, große Wasserkraftwerke zu bauen, um ihre Energiesicherheit zu gewährleisten. Die ineffiziente Wasserverteilung verursacht bis heute hohe Kosten, Stromausfälle und sogar gewalttätige Auseinandersetzungen wie zuletzt 2021 an der kirgisisch-tadschikischen Grenze. 

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EU weitet Kooperation auf Stromsektor aus

Die EU hat sich im Rahmen ihrer neuen Zentralasien-Strategie auf die Fahne geschrieben, die erneuerbaren Energien in der Region zu fördern. Mit seinem unter Global Gateway bekannten Gegenentwurf zur chinesischen "Neuen Seidenstraße" stellt Brüssel den Ländern Zentralasiens 700 Millionen Euro bereit. Das teilten Vertreter der EU-Kommission bei einer Konferenz zu nachhaltiger Konnektivität in Samarkand am 18. November 2022 mit. Finanziert werden Projekte aus den Bereichen:

  • integrierter Strommarkt
  • grenzüberschreitendes Wassermanagement
  • Klimaschutz

Beispielsweise fließen fast 7 Millionen Euro in das SECCA-Programm (Sustainable Energy Connectivity in Central Asia), das sich an Regierungsbehörden und Institutionen richtet. Diese werden unterstützt bei der Konzeption von nationalen Plänen für erneuerbare Energiequellen und von grünen Investitionsprojekten.

Europäisches Engagement beim Megastaudamm in Tadschikistan

Im Juli 2022 hat die EU signalisiert, beim milliardenteuren Rogun-Wasserkraftwerk in Tadschikistan als Investor einzusteigen. Die Bauarbeiten an dem 8 Milliarden US-Dollar (US$) teuren Projekt laufen seit 2016. Die Regierung in Duschanbe hat bereits 3 Milliarden US$ in das Vorhaben investiert. Mit einer Kapazität von 3.600 Megawatt würde das Kraftwerk die Stromproduktion in Tadschikistan verdoppeln und das von häufigen Stromausfällen geplagte Land energietechnisch unabhängig machen. Überkapazitäten könnten nach Usbekistan und Kasachstan exportiert werden. Neben der Sicherstellung der Versorgung und der Dekarbonisierung des Energiesektors ist die EU auch daran interessiert, die Region in Energiefragen unabhängiger von Russland zu machen.

Details über die Beteiligung wurden bei der Konferenz in Samarkand nicht genannt. Fest steht jedoch, dass das 300-Milliarden-Euro-Budget von Global Gateway durchaus Raum für solche Investitionen lässt.

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Auch China ringt um Einfluss in der Region

Im Rahmen seines Großprojekts "Neue Seidenstraße" will China nicht nur Verkehrswege, sondern auch die globalen Stromnetze miteinander verbinden. Zentralasien kommen dabei zwei Rollen zu: Es könnte als Stromtransitbrücke Richtung Europa dienen und mit seinem enormen Wind-, Wasser- und Solarpotenzial in Zukunft Chinas westliche Provinzen versorgen.

Zwar fehlen die Interkonnektoren in das Reich der Mitte noch, doch erste Vorschläge liegen bereits vor. Zudem sind chinesische Unternehmen bereits in den Bau von zahlreichen Wasserkraftwerken und Stromleitungen in Kirgisistan und Tadschikistan involviert, sei es als Auftragnehmer oder als Investor. Dadurch setzt Beijing auch technologisch-regulatorische Standards um und könnte Zentralasien enger an sich binden.

Zentralasiatische Länder beziehen Afghanistan mit ein

Die Staaten der Region verfolgen auch ganz eigene Pläne, wie beispielsweise das "CASA-1000"-Projekt. Diese 1.387 Kilometer lange Hochspannungsleitung soll es Tadschikistan und Kirgisistan ermöglichen, in den Sommermonaten ihre Stromüberschüsse via Afghanistan nach Pakistan zu exportieren. Von den 4.264 benötigten Strommasten steht bereits mehr als die Hälfte. Ein Konsortium von internationalen Gebern finanziert das Projekt. Usbekistan und Turkmenistan forcieren ähnliche Vorhaben, die mit CASA-1000 konkurrieren. 

Fortschritt beim Bau von Strommasten für das CASA-1000-Projekt

Land

Gesamt

gebaut

Anteil in %

Pakistan

462

237

51

Kirgisistan

1.243

954

77

Tadschikistan

846

741

88

Afghanistan

1.713

315

18

Gesamt

4.264

2.247

53

Die Bauarbeiten in Tadschikistan sollen bis Ende 2022 abgeschlossen werden. Quelle: CASA-1000 Website, Stand: Oktober 2022

Wie geht es weiter mit dem Stromnetz CASA-1000?
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 wurden die Arbeiten in Afghanistan unterbrochen. Dafür bauen die übrigen beteiligten Länder unvermindert an der Hochspannungsleitung weiter. Da transafghanische Infrastrukturprojekte wie die Gaspipeline TAPI oder die Usbekistan-Afghanistan-Pakistan-Bahnstrecke zuletzt auf höchster Ebene diskutiert wurden, bleibt das CASA-1000-Vorhaben am Leben. Auch die Weltbank ist noch im Boot, wie eine aktuelle Ausschreibung für die Lieferung von Ausrüstung zur Instandsetzung von Stromverteilungsnetzen in Kirgisistan zeigt.

Reformen und Regulierung für gemeinsamen Strommarkt nötig

Die ersten Schritte zur Reaktivierung des zentralasiatischen Stromverbundes sind mit der Wiederinbetriebnahme von Interkonnektoren getan. Doch weitere Schritte sind nötig, um die Energieresilienz der Region zu stärken, weitere Stromräume zu erschließen und Investitionen in erneuerbare Energiequellen attraktiver zu machen:

  • Stromnetz und Erzeugungskapazitäten technisch-regulatorisch gemeinsam koordinieren 
  • übergeordnete Institutionen zur Harmonisierung des Marktes schaffen
  • geopolitische Interessenkonflikte um Marktanteile und Führungsansprüche überwinden 
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