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Special | Schweiz | Start-ups

Schweizer Start-ups fehlt Kapital

Gemessen an der Zahl ihrer Start-ups ist die Schweiz international gut aufgestellt. Bei den Investments muss indes noch einiges passieren, um global mithalten zu können.

Von Karl-Heinz Dahm | Bonn

  • Steckbrief Start-ups in der Schweiz

  • Lebendige Gründerszene in schwierigem Umfeld

    Die Schweiz verfügt über innovative Start-ups und ein gesundes Ökosystem. Globale Krisen und wirtschaftliche Verunsicherung bremsen jedoch die Geldgeber. 

    Das Jahr 2023 war ein durchwachsenes Jahr für Gründer. Das Finanzierungsumfeld war schwierig. Start-ups mangelte es an Wagniskapital. Die Verunsicherung der Anleger aufgrund von globalen Krisen und hohen Zinsen führte zu einem deutlichen Einbruch bei den Investitionen in Start-ups. 

    Im internationalen Vergleich kann sich allerdings die Zahl der Start-ups in der Schweiz sehen lassen. Laut Startup-Radar, einem datenbasierten Infoportal über die Schweizer Start-up-Szene, liegt sie pro Kopf der Bevölkerung höher als in den meisten Standorten weltweit. Die Start-up-Plattform konstatiert, dass pro Kopf in der Schweiz von 2018 bis 2022 gleich viele Technologieunternehmen gegründet wurden wie in führenden Start-up-Nationen wie Israel oder im Silicon Valley. 

    Nach Schätzung von Christoph Aeschlimann, dem Chef des größten IKT-Unternehmens der Schweiz Swisscom, hat das Schweizer Ökosystem einen Wert von über 70 Milliarden Euro. Laut Aeschlimann beschäftigten die innovativen Gründer 2023 rund 30.000 Mitarbeitende.

    StartupBlink, das international die 100 besten Länder und 1.000 besten Städte für Start-ups bewertet (quantitativ, qualitativ und in Bezug auf das Geschäftsumfeld), listete die Schweiz 2023 auf Platz 11 der Start-up-freundlichsten Länder der Welt, hinter den Niederlanden (Platz 10) und vor China (Rang 12). Deutschland liegt auf Platz 7 der weltweiten Rangliste.

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    Exzellente Hochschulen als Start-up-Booster

    Als Basis für ein solides Start-up-Ökosystem hat die Schweiz viel zu bieten. Dazu zählt eine hervorragende Infrastruktur und ein erstklassiges Bildungsangebot. Die international renommierten Hochschulen, Technologieparks sowie zahlreiche Acceleratoren und Inkubatoren verleihen dem Ökosystem große Dynamik. Im internationalen Vergleich bringen die Schweizer Hochschulen überdurchschnittlich viele Start-ups hervor. Besonders in der Frühphase der Unternehmensgründung steht den Jungfirmen ein dichtes Netz an Unterstützern zur Verfügung. 

    Zürich ist Gründungs-Hotspot

    Epizentrum der Schweizer Gründerszene ist der Großraum Zürich. Laut dem Global Startup Ecosystem Report 2023 von Startup Genome hat sich das Ökosystem der Region Zürich international in der Rangliste um 10 Plätze nach vorne katapultiert. Es liegt damit auf Platz 12 der besten Start-up-Städte in Europa. Das Beratungsunternehmen Startup Genome vergleicht Ökosysteme weltweit. Die Stadt Zürich gilt zudem laut Blink-Ranking als Referenzstadt für den Bereich Digitalisierung. 

    Die renommierte Technische Hochschule (ETH Zürich) verzeichnete 2023 mit 43 Spin-offs so viele Ausgründungen wie nie zuvor. Schwerpunkte der Jungfirmen lagen auf den Bereichen künstliche Intelligenz und Biotechnologie. 

    Die meisten Spin-offs im Bereich Biotech und Medtech

    Von den 43 Spin-offs hatten nach Mitteilung der ETH 12 einen Bezug zu künstlicher Intelligenz wie zum Beispiel Mantis Ropeway Technologies, das den Einsatz autonomer Sesselbahnen auf KI-Basis testet oder Quazel, das einen KI-Sprachtrainer entwickelt hat, der auf alles reagiert, was die Lernenden sagen, also über natürliche Kommunikation. Die meisten Ausgründungen gab es jedoch nach wie vor in den Bereichen Biotechnologie und Pharmazie. Im Jahr 2023 flossen 47 Millionen Schweizer Franken in ETH-​Spin-offs, Auch der Anteil an Gründerinnen hat 2023 zugenommen. Elf Spin-offs der ETH wurden von Frauen mitgegründet. 

    Top Start-ups in der Schweiz 2023
    Name

    Kapitalbeschaffung in Mio. Euro

    Phase

    Branche

    Atlas Agro

    282,7

    early stageCleantech, Düngemittel auf Basis erneuerbaren Energien
    Distalmotion

    133,8

    later stageMedtech, klinische Roboter
    Noema Pharma

    103

    later stageBiotech, Erkrankungen zentrales Nervensystem 
    Alentis Therapeutics

    94,4

    later stageBiotech, Krebsbehandlung
    GetYourGuide

    76,5

    later stageIKT, Buchungsplattform Reisen
    Rejuveron Life Science

    66,8

    later stageBiotech, Therapien altersbedingter Erkrankungen
    Nouscom

    65

    later stageBiotech, Krebsimpfstoffe
    Kandou Bus

    64,2

    later stageICT (Fintech), Halbleiter
    Quelle: Startupticker, VC Report 2024

    Unter den 20 größten Finanzierungsrunden im Jahr 2023 kamen laut "Swiss Venture Capital Report“ des Online-Portals Startupticker acht aus den Branchen Biotechnologie und Medizintechnik. Darunter die drei Medtech-Start-ups Distalmotion, Xeltis und Lunaphore Technologies sowie die fünf Biotech-Start-ups Noema Pharma, Alentis Therapeutics, Rejuveron Life Sciences, Nouscom und Limmatech Biologics. 

    Derzeit gibt es in der Schweiz sieben Unicorns (Einhörner), das sind Start-ups mit einer Bewertung von über 1 Milliarde US-Dollar (US$). Die meisten darunter sind Tech-Start-ups aus dem Großraum Zürich: Sonar Source (4,7 Mrd. US$), Acronis (3,5 Mrd. US$), 21.co (2 Mrd. US$), Nexthink (1,1 Mrd. US$), Numbrs (1 Mrd. US$), Mindmaze (1 Mrd. US$) und Scandit (1 Mrd. US$).

    Laut der schweizerischen Plattform für Wirtschaftspolitik "Die Volkswirtschaft" werden drei Viertel der Start-ups im Lande von Ausländern gegründet oder mitgegründet. Knapp jedes dritte Start-up habe sogar ausschließlich ausländische Gründer. Bei den Einhörnern sei der Anteil mit 78 Prozent noch höher. Laut "Die Volkswirtschaft" machten ausländische Personen knapp 40 Prozent aller Unternehmensgründungen aus. 

    Weniger Bürokratie und bessere Rahmenbedingungen

    Eine Umfrage im Rahmen der Studie "Unicorn Nation Switzerland" der Universität St. Gallen unter Junggründern ergab, dass die bürokratischen Abläufe bei einer Unternehmensgründung als zu komplex angesehen werden. Von der Bereitstellung der nötigen Dokumente, Beurkundung sowie Anmeldung beim Handelsregister gehe viel Zeit mit analogen Vorgängen verloren. Gefordert wird, diese zu bündeln und ein Gründung quasi online "in einem One-Stop-Shop und mittels digitalen Notariats" zu realisieren. 

    Ein weiteres Problem ist auch in der Schweiz der Fachkräftemangel, unter dem auch Start-ups leiden. Hier wünschen sich Jungunternehmen zum Beispiel für die Rekrutierung von IT-Personal unbürokratische Start-up-Visa. Diese würden es erleichtern, Mitarbeitende aus Drittstaaten zügig einstellen zu können.  

    Inkubatoren und Acceleratoren stehen bereit

    Eine Vielzahl von Inkubatoren und Acceleratoren stehen bereit, um Start-ups zu unterstützen, Geschäftsideen zu analysieren und Coachings anzubieten.

    Auswahl an Inkubatoren in der Schweiz
    NameFokusAnmerkungen
    FongitDeep Tech, IT, Life-Sciences, RobotikUnterstützt Start-ups im Bereich der Spitzentechnologie
    BluelionTechnologien gegen den Klimawandel, nachhaltige ProjekteFunding & support
    TenityFinanz- und VersicherungswesenBranchenspezifische Unterstützung und Mittelbeschaffung
    InnosuisseAlle SektorenProjektfinanzierung für innovative Start-ups 
    VentureLabAlle IndustriesektorenUnterstützung von Start-ups von der Frühphase bis hin zu erfolgreichen Exits
       
    Quelle: Startupticker, VC Report 2024

    Auswahl an Acceleratoren in der Schweiz
    NameFokusAnmerkungen
    AxelraDiverse Industrie- und TechnologiebereicheAxelra, mit Sitz in Zürich, investiert Kapital und Technologieressourcen aus seinem eigenen Partnernetzwerk
    BaseLaunchBiotechnologieUnterstützt auch Start-ups, die an therapeutischen Projekten arbeiten
    DARTLabsFokus auf nachhaltige Unternehmen aus verschiedenen Teilindustrien wie Künstliche Intelligenz (KI) und Deep TechMaßgeschneiderte Programme an den Standorten Zürich und San Francisco
    DayOneGesundheitstechnologien, interessant insbesondere für Ärzte, Forscher und andere Player aus dem GesundheitssektorBietet Unternehmen in der Anfangsphase finanzielle Unterstützung und Mentoring
    Swiss Venture GroupUnterstützt junge, digitale Unternehmen mit innovativen IdeenIn Zürich ansässiger early stage-investor
    KickstartGesundheits- und Nahrungsmitteltechnologien, Fintech, Smart CityGrößter Accelerator der Schweiz  
    MassChallengeNachhaltige Lebensmittel, nachhaltige Industrien und Klimaschutz und HealthTechEarly Stage Accelerator
    Quelle: Basel Area 2024

    Von Karl-Heinz Dahm | Bonn

  • Start-ups erleiden Finanzierungsrückgang

    Im Jahr 2023 ist das Finanzierungsvolumen Schweizer Start-ups gegenüber dem Vorjahr erheblich geschrumpft. Behaupten konnte sich die Biotech- und Medtech-Branche.

    Die Venture Capital-Investitionen gingen 2023 insgesamt um 35 Prozent auf 2,39 Milliarden Euro zurück. Laut dem aktuellen VC Report 2024 beliefen sich die Gesamtinvestitionen 2022 noch auf 3,67 Milliarden Euro. Vor allem bei den Wachstumsfinanzierungen gab es laut der Branchenvereinigung SECA und dem Onlinenachrichtenportal startupticker.ch Einbrüche. 

    Anleger hatten sich 2023 insbesondere auf den Life Sciences-Sektor fokussiert. So stiegen laut Swiss Venture Capital Report Investitionen in Biotech-Start-ups um 22 Prozent auf 455 Millionen Euro. Der Medtech-Bereich verzeichnete sogar ein Plus von 41 Prozent auf 351 Millionen Euro. Nicht gut lief es für IKT und Fintech. Die beiden Branchen erlitten Verluste um 60 Prozent. Deren Investitionen sanken auf 728 Millionen Euro, berichtet der jüngste VC-Report.

    Trotz des geringeren Finanzierungsvolumens in Start-ups lag die Zahl der Finanzierungsrunden 2023 mit 397 Runden sogar noch ein wenig höher als 2022 (rund 390). Deutlich geschrumpft ist allerdings das Volumen der Investments.

    In einem Interview mit dem Portal Swissinfo sagt Sophie Lampart, dass die Schweizer Regierung mehr unternehmen müsse, damit Start-ups aus der Schweiz heraus expandieren anstatt ins Ausland abzuwandern. Lampart ist die Gründerin von DART, einem Unternehmen, das innovativen early-stage Start-ups aus den Bereichen Gesundheit und Klimaschutz hilft, sich zu globalen Akteuren zu entwickeln. Es müsse mehr in Jungunternehmen investiert werden, damit "ihre an den Universitäten entwickelten Technologien den Markt erreichen, anstatt diese Möglichkeit ausländischen Investmentgesellschaften oder internationalen Technologiegiganten zu geben."

    Swisscom will 46 Milliarden Euro Risikokapital für Start-ups auftreiben

    Ähnliches beklagt Christoph Aeschlimann, Chef von Swisscom, des größten Telekommunikationsunternehmens der Schweiz. Gegenüber der Presse sagte er, dass insbesondere in der Expansionsphase, wo Start-ups zu Scale-ups werden wollen, oft die nötige Finanzierung fehle und nicht wenige Jungunternehmen deshalb scheiterten. Die Folge sei, dass sie ins Ausland abwandern. Dieser Entwicklung möchte Swisscom entgegenwirken. Das Ökosystem Schweiz werde mit rund 2,3 Milliarden Euro Wagniskapital pro Jahr überwiegend durch ausländische Investoren finanziert. Swisscom plane diesen Betrag zu verdoppeln, auf jährlich 4,6 Milliarden Euro, beziehungsweise 46 Milliarden Euro über 10 Jahre. Dabei sei das Investitionsziel von 46 Milliarden Euro "ein Minimum, um im weltweiten Innovationswettbewerb mithalten zu können". 

    UBS investiert rund 15 Millionen Euro 

    Die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL) und die Bank UBS sind 2023 eine Partnerschaft eingegangen. Im Rahmen dieser Partnerschaft will UBS laut einer Mitteilung der EPLF in den nächsten 10 Jahren bis zu 15 Millionen Euro in gemeinsame Projekte investieren. Dabei ginge es insbesondere um die Förderung von Jungunternehmerinnen und Jungunternehmern. EPFL und UBS wollen gemeinsame Formate und Veranstaltungen für junge Unternehmerinnen und Unternehmer etablieren.

    Vielfältige staatliche Unterstützungsangebote

    Gründerinnen und Gründer profitieren in den verschiedenen Phasen ihrer Vorhaben von staatlichen Hilfsangeboten. Das schweizerische Staatssekretariat für Wirtschaft SECO unterstützt die Firmengründung mit seinem Portal EasyGov.swiss. Über den SECO Start-up Fonds (SSF) erhalten Investoren und Investorinnen aus der Schweiz Finanzierung von Start-ups in verschiedenen Regionen weltweit. 

    Die schweizerische Innovationsförderungsagentur Innosuisse fördert Projekte von Jungunternehmen vor Markteintritt mit direkten Beiträgen. Die maximale Beteiligung seitens Innosuisse beträgt bis zu 70 Prozent der Projektkosten. Start-ups können seit 2023 Gelder direkt von Innosuisse (maximal 2,5 Millionen sfr = 2,3 Millionen Euro) erhalten. Die Förderagentur bietet Start-ups zudem Trainings und Coachings an. Start-ups, die in einem Coaching-Programm sind, ermöglicht Innosuisse zudem die Teilnahme an Internationalisierungscamps oder an internationalen Leitmessen.

    Darüber hinaus bieten weitere Institutionen und Partnerorganisationen effiziente Hilfen an: 

    • Die kantonalen Wirtschaftsförderungen versorgen Firmengründerinnen und -gründer im Vorfeld mit relevanten Informationen.
    • Startupticker.ch Die Plattform informiert über die Schweizer Start-up-Szene. Auf der Webseite werden die wichtigsten tagesaktuellen Nachrichten veröffentlicht. Zudem gibt ein Kalender Start-ups Auskunft über relevante Events und Trainings.
    • Business Angels Schweiz (BAS) ist ein Verein, der Start-ups die Möglichkeit bietet, ihre Projekte erfahrenen Investoren und erfolgreichen Unternehmern vorzustellen und Finanzierung oder Coaching eines Projekts zu erhalten. 
    • Über relevante Start-up-Events im Jahr 2024 informiert die Swiss Startup Association (SSA). Der Verband setzt sich dafür ein, die Rahmenbedingungen für Start-ups in der Schweiz zu verbessern und ihnen eine einheitliche Stimme zu geben. Sie arbeitet eng mit anderen Verbänden und Organisationen in Europa zusammen.

    Von Karl-Heinz Dahm | Bonn

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkung

    InnosuisseSchweizerische Agentur für Innovationsförderung
    SecoStaatssekretariat für Wirtschaft  
    VenturelabGründungsberatung für Start-ups
    Swiss Business AngelsBeratung und Mentoring 
    Swiss Startup AssociationDachverband 
    SecaSchweizerische Vereinigung für Unternehmensfinanzierung
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