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Branche kompakt | Italien | Chemische Industrie

Chemiehersteller entwickeln neue Technologien

Italiens Chemieindustrie ist forschungsstark. Große Bedeutung haben Fein- und Spezialchemikalien. Bei chemischen Erzeugnissen gab es in den letzten Jahren ein Importdefizit.

Von Torsten Pauly | Mailand

Ausblick der chemischen Industrie in Italien

Bewertung:

 

  • Die italienische Chemieproduktion soll 2024 um 0,5 Prozent steigen.
  • Die Hersteller investieren, insbesondere in Waste-to-Chemicals-Anlagen.
  • Wachstumschancen eröffnen Produktentwicklungen für die Elektromobilität, Kreislaufwirtschaft, effizientere Baustoffe, zur Nutzung erneuerbarer Energien und für den Gesundheitssektor.

Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: März 2024

  • Markttrends

    Leichtere widerstandsfähigere Kunststoffe und nachhaltige Produktionschemikalien prägen den Nachfragetrend in Italiens Industrie, Landwirtschaft und Baugewerbe.

    85 Milliarden Euro

    betrug die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen in Italien 2022.

    Italien führt zum 1. Juli 2024 Steuern auf Kunststoffverpackungen ein. Dies fördert die Nachfrage nach leichteren Materialien, denn die Abgaben bemessen sich nach Gewicht. So müssen Hersteller 45 Eurocent pro Kilogramm an den Staat abführen, wenn das Material auf Wiederverwertung ausgerichtet ist. Ist dies nicht der Fall, so sind sogar 80 Eurocent pro Kilogramm zu zahlen.

    Die italienische Inlandsnachfrage nach Chemieprodukten hat sich 2022 um 25,1 Prozent auf einen Rekordstand von 84,9 Milliarden Euro erhöht. Damit hat der Absatz den Coronaeinbruch 2020 und 2021 mehr als kompensiert. In der Europäischen Union war Italien 2022 mit einem Nettoumsatzanteil von 8,8 Prozent der viertgrößte Markt für chemische Erzeugnisse nach Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Der Transit durch Europas größten Hafen Rotterdam verzerrt allerdings die Binnenmarktgröße der Niederlande. 

    Deutschland ist führender ausländischer Lieferant

    Importe decken einen Großteil der italienischen Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen ab. Im Jahr 2022 haben eine Inlandsproduktion von 66,7 Milliarden Euro und ein Einfuhrüberschuss von 18,2 Milliarden Euro den italienischen Chemiemarkt beliefert. Aus Deutschland kamen etwa 22,4 Prozent der Branchenimporte von insgesamt 102,5 Milliarden Euro. Damit war Deutschland das führende Lieferland vor Belgien mit einem Anteil von 12,2 Prozent, Frankreich (9,5 Prozent) und den Niederlanden (8,2 Prozent).

    Die Nachfrage und Produktion chemischer Erzeugnisse wächst dank Kapazitätserweiterungen. Im Jahr 2021 hat die italienische Chemieindustrie 1,7 Milliarden Euro investiert, davon 1,4 Milliarden Euro in Maschinen und Anlagen. Hohe Investitionen haben 2021 auch die Pharmaindustrie (1,4 Milliarden Euro) und die Petrochemie (610 Millionen Euro) getätigt. Viele Großprojekte laufen zum Aufbau einer Produktion aus recycelten Grundstoffen.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Italien
    Akteur/Projekt

    Investitionssumme (in Mio. Euro)

    ProjektstandAnmerkungen
    Versalis: Anlage zur chemischen Behandlung gemischter Kunststoffabfälle in Mantua

    3.600

    BauFertigstellung Ende 2024 geplant; Förderung durch den EU Innovation Fund
    Versalis: Anlage zur Verwertung von Styrolrückständen in Porto Marghera
     

    790

    BauFertigstellung Ende 2024 geplant; Verfahren wurde vom Unternehmen Ecoplastic entwickelt
    Nextchem: Waste-to-Hydrogen-Anlage in Genua

    300

    PlanungFertigstellung 2026 geplant; aus Abfall gewonnenes Biomethanol dient der Elektrolyse von grünem Wasserstoff
    Eni Rewind: Anlage zur Gewinnung von Phosphor und Energie aus Klärschlamm in Porto Marghera

    140

    PlanungGenehmigungsprozess; Verwertung von 190.000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr geplant
    Itelyum, Plasta Rei: Bau einer Anlage zur Depolymerisation in Cisterna di Latina

    k. A.

    PlanungGenehmigungsprozess; Brownfieldprojekt in einer stillgelegten Fabrik
    Newcleo, NextChem: Entwicklung einer Dekarbonisierung chemischer Stoffe und angeschlossener Wasserstoffproduktion in Mailand

    k. A.

    PlanungKooperationsvereinbarung 2024; klimaneutrale Produktion angestrebt
    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

    Die Industrie hat 2019, laut neuesten verfügbaren Zahlen des Chemieverbandes Federchimica, 71 Prozent der italienischen Chemieerzeugung abgenommen. Die mit Abstand bedeutendste Branche war die Kunststoff- und Gummiverarbeitung (19,9 Prozent), gefolgt von der Modeindustrie (5,8 Prozent), der Nahrungsmittel- und Getränkeverarbeitung (5,3 Prozent), der Metall- (5,1 Prozent) und Elektroindustrie (4,4 Prozent), der Pharmabranche (4,3 Prozent) und der Fahrzeugindustrie (3,9 Prozent).

    Kfz-Industrie braucht neue Kunststoffe

    Die industrielle Nachfrage nach Chemiewaren sollte sich 2024 im Zuge eines leichten Produktionsanstiegs moderat erhöhen. Die italienische Zentralbank hat Ende 2023 geschätzt, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2024 um real 0,6 Prozent zulegt. Auch die Auftrags- und Produktionserwartungen des verarbeitenden Gewerbes waren Ende 2023 und Anfang 2024 laut Statistikamt Istat überwiegend positiv.

    Ein besonders hohes Nachfragewachstum nach neuen Chemieprodukten ist von der italienischen Kfz-Industrie zu erwarten. Deren Bedarf soll laut Verband Federchimica bis 2035 um etwa 30 Prozent steigen, da die Umstellung auf Elektrofahrzeuge neue leichtere und festere Kunststoffe sowie Batteriekomponenten erfordert.

    Fein- und Spezialchemikalien haben große Bedeutung

    In der italienischen Industrieproduktion haben hochwertige Konsumwaren wie Mode, Möbel, Drogerieartikel und Lebensmittel eine große Bedeutung. Daher sind auch die hierfür benötigten Chemikalien mit hoher Wertschöpfung in Italien sehr gefragt. Laut Verband Federchimica haben Kosmetika, Reinigungsmittel, Arzneien, Farben und sonstige Fein- und Spezialchemikalien 2020 zusammen 60,2 Prozent der italienischen chemischen Erzeugung ausgemacht. Dieser Anteil war anderthalbmal so hoch wie im EU-Durchschnitt (39,4 Prozent).

    In den kommenden Jahren ist bei der Nachfrage der Modeindustrie ein besonders hohes Wachstum bei umweltschonenderen Gerb- und Farbstoffen, Abwasserklärchemikalien und neuen synthetischen Fasern zu erwarten. Auch die Möbelindustrie setzt zunehmend auf ökologisch verträglichere Farben, Lacke und Stoffe zur Materialbehandlung. Die in Italien bedeutende Kosmetikindustrie ist gleichfalls an nachhaltigeren Inhaltstoffen interessiert.

    Landwirtschaft will Wassereffizienz chemisch verbessern

    Agrarchemikalien haben 2020 etwa 5 Prozent der italienischen Branchenproduktion ausgemacht. Hier ist Biotechnologie laut Federchimicaverband ein wichtiger Trend. Diese soll die Herstellung effizienter und Pflanzenschutzmittel und Veterinärarzneien nachhaltiger machen. Neue Chemikalien zur Wasserwiederaufbereitung erfordert die Klimaerwärmung. Die italienische Landwirtschaft hat 2021 und 2022 Dürreschäden von insgesamt 14 Milliarden Euro verzeichnet. An neuen Aromastoffen und Verarbeitungschemikalien ist Italiens Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie interessiert.

    Die Bauwirtschaft hat 2020 etwa 4,7 Prozent der italienischen Chemieerzeugung abgenommen. Im Jahr 2024 ist beim Tiefbau mit einer leicht steigenden, bei Gebäuden jedoch mit einer sinkenden Nachfrage nach Chemikalien zu rechnen. Der Grund für den Hochbaurückgang sind die zuletzt gestiegenen Zinsen, was die Finanzierung verteuert und die Anträge für Gebäude verringert. Insgesamt hat die italienische Zentralbank Ende 2023 jedoch erwartet, dass die realen Bauinvestitionen 2024 moderat um 0,6 Prozent zulegen.

    Der Nettoumsatz mit pharmazeutischen Erzeugnissen hat sich in Italien 2022 auf 29,2 Milliarden Euro summiert. Im Jahr 2023 gab es laut ersten Berechnungen einen kalenderbereinigten Umsatzanstieg um 7,8 Prozent.

    Von Torsten Pauly | Mailand

  • Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

    Die Chemiebranche hat für Italiens grüne Transformation strategische Bedeutung. Sie hat einen hohen Schadstoffausstoß und entwickelt Produkte für ein nachhaltigeres Wirtschaften.

    Zwischen 2017 und 2021 haben 60 Prozent aller italienischen Chemiefirmen in die Verbesserung ihrer ökologischen Bilanz investiert. Dies war der höchste Wert unter allen Sparten des verarbeitenden Gewerbes. Insgesamt hat Italiens Chemieindustrie ihren Kohlendioxidausstoß zwischen 1990 und 2020 um 64 Prozent gesenkt. Sie erfüllt damit die von der EU geforderte Reduktion um 55 Prozent bis 2030.

    Die Emissionen sind jedoch weiterhin hoch. Chemiehersteller waren 2020 für 14 Prozent des gesamten Kohlendioxidausstoßes des verarbeitenden Gewerbes Italiens verantwortlich. Der Verband Federchimica beziffert die bis 2050 nötigen Nachhaltigkeitsinvestitionen auf 20 Milliarden Euro. Damit müssen die Maßnahmen nochmals um 40 Prozent höher ausfallen als im Schnitt der Jahre 2016 bis 2020.

    Die Chemieindustrie muss auch neue Produkte entwickeln, damit Italiens Wirtschaft der Umbau zu nachhaltigerer Erzeugung gelingt. Damit ist sie zentral, um die von der EU 2018 im Green Deal formulierten Ziele für die Mitgliedsstaaten zu erreichen. Der Verband Federchimica sieht Wachstumschancen insbesondere durch neue Chemikalien für die Abfall- und Wasserwirtschaft, die Nutzung von Wind- und Solarenergie, eine digitale Elektromobilität, die Kohlendioxidabscheidung und -speicherung, Energieeffizienz und smarte Gebäudesteuerung, den Gesundheitssektor und die Bioökonomie.

    Teure Energiepreise zwingen zu Einsparungen

    Die italienische Chemieindustrie hat ihre Energieeffizienz zwischen 2000 und 2020 um 44 Prozent gesteigert. Damit erfüllt sie die EU-Vorgabe für das Zieljahr 2030, die eine Verbesserung um 32,5 Prozent vorsieht.

    Ein starker Anreiz für weitere Einsparungen sind jedoch die teuren Energiekosten. Im ersten Halbjahr 2023 musste ein industrieller Gasgroßkunde, der mindestens 4 Millionen Gigajoule im Jahr abnahm, in Italien 21,6 Prozent mehr als im EU-Schnitt bezahlen. Strom war für die Industrie ab einem Jahresbezug von 150.000 Megawattstunden in Italien 15,5 Prozent teurer als im EU-Mittel. Der Verband Federchimica hat Anfang 2024 erwartet, dass die Öl- und Gaspreise im gesamten Jahresverlauf hoch bleiben.

    Nachhaltige Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette

    Ein wichtiger Trend der nächsten Jahre ist die Chemieindustrie 5.0 (Industria chimica 5.0). Eine digitale Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette soll diese nachhaltiger machen. Dazu gehört die Erforschung und Entwicklung ressourcenschonender Chemikalien ebenso wie deren klimaneutrale Produktion und Auslieferung. Nach Verwendung sollen die Rückstände möglichst vollständig wiederverwertbar sein, entweder durch Recyceln einzelner Stoffe oder durch deren energetische Verwertung.

    Im Jahr 2022 wurden 52,3 Prozent des italienischen Chemiemülls recycelt oder auf andere Weise umweltgerecht aufbereitet. Dagegen wurden 14,9 Prozent der Rückstände deponiert und 4,8 Prozent verbrannt. Der Rest wurde anderweitig behandelt.

    Der Verband Federchimica hat für seine Mitglieder das Programm Coach (Circularity Oriented Assistance for Chemical Companies) entwickelt. Dieses verbessert die Erfassung aller Materialflüsse und ermöglicht so eine nachhaltigere Nutzung im gesamten Kreislauf. Bis 2023 hatten 14 Branchenfirmen das Programm getestet.

    Rückstände werden zu Chemikalien und Wasserstoff

    Einige italienische Hersteller sind führend in der Entwicklung neuer Waste-to-Chemicals-Technologien. In Porto Marghera bei Venedig ist eine Anlage geplant, die aus Klärschlamm durch chemische Behandlung Phosphor und Energie gewinnt. Das Projekt realisiert der Petrochemiekonzern Eni Rewind. Ebenfalls in Porto Marghera entwickeln die Unternehmen Versalis und Ecoplastic ein Verfahren zur Erzeugung von Polysterol und Polymeren aus Gewerbeabfällen.

    Im Cluster Motor Valley bei Modena realisiert die Gruppe Heraambiente eine Anlage zum Recyceln von Karbonfasern durch chemische Behandlung. Das Projekt richtet sich an die dort ansässigen Autobauer Ferrari, Lamborghini und Maserati. Die Technologie soll später an anderen Standorten auch für Rückstände aus der Luftfahrtindustrie und anderen Hightech-Branchen Anwendung finden.

    Das Start-Up Bi-rex aus Bologna hat zusammen mit der Polytechnischen Universität Mailand ein patentiertes Verfahren entwickelt, um mit umweltschonenden Lösungsmitteln Polymere und Zellstoff aus Agrarabfällen zu gewinnen.

    Drei Anlagen zur Elektrolyse von grünem Wasserstoff plant der Hersteller Marie Tecnimont in Genua, im sizilianischen Gela und im toskanischen Empoli. Das Verfahren sieht zunächst die Erzeugung von Biomethanol aus Abfällen und dann dessen Nutzung für die Wasserstofferzeugung vor. Marie Tecnimont gehört zum Konzern NextChem, der sich auf nachhaltige Chemie- und Energieerzeugung spezialisiert.

    EU-Fördergelder unterstützen Projekte

    Italien erhält bis 2027 Fördergelder aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der EU. Diese wurde 2021 zur Überwindung der Coronarezession durch Investitionen in nachhaltige und digitale Technologien ins Leben gerufen. Chemieproduzenten können von diesen Programmen profitieren. Unter anderem stehen 2 Milliarden Euro für Wasserstoffprojekte in hard-to-abate-Sektoren zur Verfügung (Programmtitel M2C2.3.2). Weitere 500 Millionen Euro können für Elektrolyseanlagen in bestehenden Brownfield-Industrieanlagen abgerufen werden (M2C2.3.1). Für sonstige Wasserstoffforschungen stellt die EU 160 Millionen Euro bereit (M2C2.3.5).

    Fördermöglichkeiten für Chemieunternehmen gibt es auch bei Projekten für eine kreislaufgerechte Biomethanproduktion. Hierfür stehen 1,9 Milliarden Euro aus der EU-Fazilität zur Verfügung (M2C2.1.4). Sonstige Vorhaben in der Abfallwirtschaft unterstützt die EU mit 2,1 Milliarden Euro (M2C1.1). Ein weiteres Programm für die Abwasserwirtschaft ist mit 600 Millionen Euro aufgelegt (M2C2.4.4).

    Von Torsten Pauly | Mailand

  • Branchenstruktur

    Italien ist der drittgrößte Erzeuger chemischer Produkte in der EU. Der durchschnittliche Umsatz eines Branchenbeschäftigten war 2022 in etwa so hoch wie in Deutschland.

    Der Verband Federchimica erwartet, dass die Branchenproduktion 2024 um 0,5 Prozent steigt. Die Chemieindustrie hat 2022 etwa 4,4 Prozent der Bruttowertschöpfung im italienischen verarbeitenden Gewerbe erbracht. Darüber hinaus entfielen 3,6 Prozent auf die Pharmaindustrie und 2,2 Prozent auf die Petrochemie. Damit ist die Chemiebranche im weiteren Sinne der viertgrößte italienische Industriezweig nach dem Maschinenbau, der Nahrungsmittel- und Getränkeverarbeitung und der Modeindustrie. In der EU ist Italien der nach Deutschland und Frankreich drittgrößte Erzeuger chemischer Produkte.

    Lombardei ist sechstgrößte europäische Chemieregion

    In räumlicher Hinsicht konzentriert sich die Chemieindustrie in Norditalien. Die mit Abstand bedeutendste Region ist die Lombardei, wo sich 2022 etwa 40,7 Prozent aller Branchenarbeitsplätze befanden. Im europäischen Vergleich liegt die Lombardei damit an sechster Stelle, nach der Île-de France, Nordrhein-Westfahlen, Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen. Die zweitwichtigste italienische Chemieregion ist die Emilia-Romagna, wo 13 Prozent aller Beschäftigten tätig sind.

    Ein Vorteil der italienischen Branche sind die moderaten Lohnkosten. Diese lagen 2022 laut den Verbänden Federchimica und BAVC im Schnitt 42 Prozent unter denen in Deutschland. Ein Standortnachteil sind dagegen die teuren Energiekosten.

    Hohe Forschungsintensität

    Die italienische Chemiebranche hat 2021 etwa 677 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Eine eigene Abteilung dafür unterhalten 1.231 italienische Chemieunternehmen. Europaweit gibt es nur in Deutschland mehr derartige Firmen (1.408 Betriebe). Etwa 8 Prozent aller italienischen Chemiebeschäftigten befassen sich mit Forschung und Entwicklung (Deutschland: 7 Prozent).

    Große Bedeutung hat die Biotechnologie. Im Jahr 2022 gab es in Italien 823 Biotech-Unternehmen. Diese haben 13,6 Milliarden Euro umgesetzt. Schwerpunkte sind dabei Produktentwicklungen für Industrie- und Agrarchemikalien sowie Arzneien. Auch der Pharmasektor ist sehr forschungsintensiv. Die entsprechenden Ausgaben waren laut dem Verband Farmindustria 2022 mit 1,9 Milliarden Euro fast dreimal so hoch wie in der Chemiebranche.

    Die italienische Pharmaproduktion hat 2022 laut Farmindustria 49 Milliarden Euro erreicht. Im Jahr 2023 ist das Produktionsvolumen laut ersten Schätzungen um real 7,3 Prozent gestiegen. Bedeutend ist die Auftragsfertigung für andere Pharmahersteller. Der Umsatz hiermit war 2021 mit 3,1 Milliarden Euro höher als in jedem anderen EU-Land.

    Die italienische Kosmetikindustrie ist forschungsintensiv und exportorientiert und hat 2022 etwa 13,3 Milliarden Euro umgesetzt. Eine Spezialisierung ist Make-Up. Italien hat den EU-Markt hierfür 2022 zu 67 Prozent beliefert.

     

    Produktion ausgewählter chemischer Erzeugnisse in Italien In Millionen Euro; Veränderung und Marktanteil in Prozent

    Sparte

    2022

    Veränderung 2022/2021

    Marktanteil 2022

    Kunststoffe in Primärformen

    10.786

    8,3

    30,0

    Farben, Lacke, Druckfarben 

    6.605

    19,0

    18,4

    Parfüms, Kosmetik und Seifen

    5.325

    10,8

    14,8

    Industriegase

    4.613

    399,4

    12,8

    Waschmittel, Reinigungs- und Poliermittel

    3.230

    15,8

    9,0

    Andere anorganische Basischemikalien

    1.916

    36,6

    5,3

    Düngemittel und Stickstoffverbindungen

    1.386

    20,7

    3,9

    Farbstoffe und Pigmente

    1.273

    22,4

    3,5

    Synthetische und künstliche Fasern

    448

    -35,4

    1,2

    Pflanzenschutzmittel und andere chemische Produkte für die Landwirtschaft

    388

    -38,1

    1,1

    Insgesamt

    35.970

    24,3

    100,0

    Quelle: ISTAT 2024

    Starke internationale Vernetzung

    Ausländische Investoren haben 2022 laut Verband Federchimica 38 Prozent der italienischen chemischen Erzeugung erbracht. Weitere 27 Prozent entfielen auf italienische Chemieunternehmen, die international aufgestellt sind. Die restlichen 35 Prozent haben italienische Firmen produziert, die ausschließlich im Inland tätig sind. Auch viele deutsche Chemiekonzerne produzieren in Italien, meist an mehreren Standorten. Zu diesen zählen unter anderem BASF, Bayer, Covestro, Evonik, Henkel, Lanxess und Linde Gas Italia.

     

    Wichtige Branchenunternehmen in Italien Umsatz in Millionen Euro

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz Global 2022

    Umsatz Italien 2022

    Versalis S.p.A.Grundchemie und Zwischenprodukte, Kunststoffe, Kautschuke

    6.213

    4.512

    Gruppo Mapei

    Bauchemische Produkte 

    3.979

    1.281

    Radici GroupPolyamid, Kunstfasern und Kunststoffe

    1.542

    884

    Gruppo BraccoPharmazie, Diagnostik

    1.460   

     836

    COIM GroupPolyol, Polyurethane, Polyester und Spezialstoffe für Coating

    1.410

    645

    Gruppo SOLTechnische, industrielle, reine und spezielle Gase und Arzneimittel

    1.379    

    601

    DiaSorinMolekulare Diagnostik

    1.361    

    289

    Gruppo SIADIndustrielle Gase, technologische Verfahren, Gesundheitswesen      

    1.048  

    731

    Italmatch chemicalsAdditive für die Wasseraufbereitung, Schmierstoffe, Öl und Gas, Kunststoffe, Flammschutzmittel

    862    

    275

    Esseco GroupAllgemeine chemische Produkte, Schwefelderivate

    859    

    572

    Quelle: Branchenverband Federchimica 2024

    In Italien gab es 2022 insgesamt 3.899 Chemieunternehmen. Diese haben 115.000 Mitarbeiter beschäftigt. Der Umsatz pro Arbeitnehmer war 2022 in Italien mit 615.000 Euro um 0,7 Prozent höher als in Deutschland (611.000 Euro). Der Verband Federchmica schätzt, dass in Italien weitere 211.000 Stellen in der direkten Weiterverarbeitung chemischer Erzeugnisse bestehen.

    Von Torsten Pauly | Mailand

  • Rahmenbedingungen

    Für deutsche Unternehmen bestehen im EU-Land Italien keine Beschränkungen beim Markteintritt. Landeskenner kritisieren jedoch lange Genehmigungsverfahren der zuständigen Stellen.

    Die Zulassung von Arzneimitteln obliegt der Pharmaagentur Aifa (Agenzia Italiana del Farmaco). Für die Qualitätssicherung in der chemischen Produktion ist die Institution Unichim (Assoziazione per l‘unificazione nel settore dell’industria chimica) zuständig. Der Verband Federchimica bietet Unterstützung bei der Zulassung chemischer Erzeugnisse an.

    Neue Vorgaben zur Darlegung der Nachhaltigkeit

    Bis 2026 müssen immer mehr italienische Chemieunternehmen die Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung erfüllen, welche die EU-Richtlinie 2014/95/EU festlegt. Für das Geschäftsjahr 2024 gilt das für Unternehmen mit 500 oder mehr Beschäftigten. Ab 2025 müssen dies auch Firmen mit mindestens 250 Mitarbeitern und ab 2026 alle Betriebe ausweisen.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der Europäischen Union sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa die Website des Deutschen Instituts für Normung e.V.).

    Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Torsten Pauly | Mailand

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Italien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministero delle Imprese e del Made in Italy 

    Ministerium für Unternehmen und Made in Italy

    Ministero della Salute

    Gesundheitsministerium
    Agenzia Italiana del FarmacoArzneimittelagentur
    UNICIMVeband zur Vereinheitlichung des Chemiesektors

    Federazione Nazionale dell'Industria Chimica

    Verband der Chemieindustrie
    Associazione Italiana di Ingegneria ChimicaVerband der Chemietechnik
    Associazione Italiana dei Chimici del CuoioVerband der Lederchemiker
    Associazione delle Imprese del FarmacoVerband der Pharmaindustrie
    Associazione delle Imprese CosmeticheVerband der Kosmetikindustrie
    COSMOFARMAJährliche Messe für Arzneien und Gesundheitsprodukte in Bologna; nächste: 19. bis 21.04.24

    COSMOPROF

    Jährliche Messe für die Kosmetikindustrie in Bologna, nächste: März 2025
    Industry ChemistryInternetportal

    ABC-Cosmetici

    Internetportal

     

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