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Special | USA | Start-ups

Die USA sind für deutsche Start-ups sehr attraktiv

Europäische Jungfirmen wollen weiterhin in die USA, vor allem für Anschlussfinanzierungen. Kurseinbrüche sowie hohe Inflation und Zinsen lassen Investoren aber vorsichtiger werden.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

  • Steckbrief Start-ups in den USA

    Von Heiko Steinacher | San Francisco

  • Digitalisierungsschub: Start-ups sammeln Rekordsummen ein

    Die Anziehungskraft des Silicon Valley ist weiterhin groß. Doch haben sich in den letzten Jahren noch weitere Technologiehubs in den USA herausgebildet.

    Einst als Start-ups und Ideenschmieden gegründet, sind sie binnen weniger Jahre zu Techgiganten herangewachsen: Amazon, Apple, Facebook, Google, Microsoft und weitere Unternehmen. Ihren Vorsprung haben sie sich durch revolutionäre Innovationen verschafft. Besonders in der San Francisco Bay Area, und dort vor allem im Silicon Valley, haben sich enorm schnell wachsende und disruptive („marktstörende“) Unternehmen entwickelt. Auf die Region entfallen rund 41 Prozent der gesamten US-Wagniskapitalinvestitionen und etwa 15 Prozent der US-Patente.

    Nähe zum Kapital und die Forschungslandschaft beflügeln das Start-up-Umfeld

    Die Bedingungen für Start-ups sind verlockend: Schneller als in Deutschland ist nach der Finanzierung erster Prototypen (Seed-Phase) die Series-A-Runde möglich. In diesem Roll-out hat das Start-up bewiesen, dass sein Produkt funktioniert. So sind in den USA unter anderem die Anlagevorschriften, etwa für Versicherungsfirmen, weniger restriktiv, sodass Start-ups in der Wachstumsphase schneller Kapitalgeber finden können.

    Innovation Labs und Hochschulen sorgen für einen fortwährenden, kräftigen Schub an bahnbrechenden Ideen. In der San Francisco Bay Area zum Beispiel sind das vor allem die University of California, Berkeley, und die Stanford University, in Boston das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und die Harvard University und im „Research Triangle“ North Carolinas die Duke University, North Carolina State University (NCSU) und die University of North Carolina at Chapel Hill (UNC).

    Wie in den Vorjahren sammelten Jungfirmen das meiste Risikokapital auch 2021 in Kalifornien ein: Laut PitchBook waren es knapp 400 Transaktionen im Gesamtwert von rund 100 Milliarden US-Dollar (US$). Dahinter folgten New York und Massachusetts. Auch in diesen US-Bundesstaaten treffen innovative High-Tech- und Robotik-Start-ups auf viel Wagniskapital sowie große Innovationsnetzwerke und Inkubatoren.

    Vor allem Massachusetts investiert stark in die Digital-Health-Industry: Durch Initiativen wie das Massachusetts Technology Collaborative und dessen E-Health-Institut entstehen Partnerschaften zwischen Unternehmen, Hochschulen und Behörden, um Innovationen zu fördern. Schwerpunkte in New York sind unter anderem Fashion, FinTech, Maschinelles Lernen und Smart-City-Anwendungen.

    Auswahl an Inkubatoren in den USA

    Inkubator

    Fokus

    Focus-Englisch

    Anmerkungen

    500 Start-ups

    Start-up Communities, Tech-Start-ups, Wagniskapital

    Start-up Communities, Technology Startups, VC

    -

    Transmedia Capital

    Wagniskapital, Investitionen von Business Angels, Finanzdienstleistungen

    VC, Angel Investment, Financial Services

    -

    The Hatchery

    Agri-Tech, Food-Tech; außerbörsliches Eigenkapital

    Private Equity

    -

    EnterpriseWorks

    Technologie, Innovation, Studentische Forschung

    Technology, Innovation, Student Research

    Universitätsprogramm, aber offen für alle

    Ben Franklin TechVentures

    Frühphase, Seed-Funding, Wagniskapital im späteren Phasen

    Early Stage, Late Stage Venture, Seed

    Pennsylvania

    Tech Wildcatters

    Betreuung, Finanzierung

    Mentorship, Funding

    Auf Tech-Start-ups fokussiert

    Start Fast

    Wagniskapital in der Seed-Phase

    Seed, VC

    Auf Tech-Start-ups fokussiert

    Founder Institute

    Start-ups weltweit

    Global Start-ups

    Viele Standorte, Zentrale in Palo Alto

    World Innovation Lab

    Verbraucher- und Unternehmenstechnologien (Consumer and Enterprise Technology)

    Consumer and Enterprise Technology

    Accelerator- und Inkubatorprogramme, Standorte in den USA und Japan

    Illinois Ventures

    Neue Technologien

    Evanston, Illinois

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, 2022

    In den letzten Jahren sind neue Tech-Hubs herangewachsen

    Gerade in der Pandemiezeit mauserten sich aber auch andere US-Bundesstaaten zu neuen, kleineren Tech-Hubs - vor allem Texas und Washington, wo die Lebenshaltungskosten zum Teil deutlich niedriger sind. Auch Steuern und Abgaben sind dort nicht so hoch wie in Kalifornien. Tech-Giganten wie Apple und Google haben in Austin (Texas) Tausende Jobs geschaffen. Auch die Investitionen von Oracle und Tesla in Austin tragen dazu bei, dass derzeit keine andere Stadt in den USA so stark wächst. Weitere Start-up-Hubs sind die Konkurrenten Atlanta (Georgia) und Miami (Florida), ferner Denver (Colorado) und Kansas City.

    Auswahl an Acceleratoren in den USA

    Name

    Fokus

    Anmerkungen

    Techstars Accelerator

    verschieden


    Netzwerk aus mehreren Acceleratoren (zum Beispiel in Boulder, Seattle, Boston, New York)

    Founder Friendly Labs

    keine nähere Angabe

    -

    AngelPad

    Seed-Phase

    -

    Starve Ups

    keine nähere Angabe

    Oregon

    Microsoft for Startups

    keine nähere Angabe

    -

    StartX (Stanford-StartX Fund)

    keine nähere Angabe

    -

    Boost VC

    "Sci-Fi Tech" / sehr frühe Phase (Pre-Seed)

    -

    Google for Startups

    verschieden

    Mehrere Gruppierungen je nach Region und Kernthema (Frauen, Südostasien, Voice AI)

    Amplify.LA

    Los Angeles / Frühphase

    Nur in Los Angeles

    Capital Factory

    keine nähere Angabe

    Texas

    Dreamit Ventures

    Healthtech und Securetech / Scaling

    -

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, 2022

    Zu starkem Unternehmergeist und Mut zum Risiko gesellt sich in den USA noch ein Hang zur Disruption. So sind dort zum Beispiel zahlreiche Entwicklungen im KI-Bereich (künstliche Intelligenz) bereits weit fortgeschritten, etwa für Vorhersageanalysen, intelligente Assistenzsysteme und autonome Mobilität. US-Firmen kommt dabei zugute, dass sie stark auf digitale Geschäftsmodelle wie Plattformen und andere datengetriebene Modelle trainiert sind. Nach einer Analyse des Trendforschungsunternehmens CB Insights kommen fast drei Viertel der 100 vielversprechendsten KI-Start-ups aus den USA.

    Durch ihre Datendominanz haben US-Unternehmen einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber deutschen. Denn in den USA gibt es kein allgemeines und umfassendes Datenschutzgesetz. Personenbezogene Daten unterliegen dort bundesweit nicht den gleichen strengen Datenschutz- und Sicherheitsbestimmungen wie in der Europäischen Union (EU).

    Der Digitalisierungs-Turbo Covid-19 half Start-ups in allen Finanzierungsphasen

    Der durch die Coronakrise befürchtete Rückschlag für die Gründerszene ist großenteils ausgeblieben. Gerade für Start-ups in frühen Phasen hatte sich zu Beginn der Pandemie der Zugang zu Wachstumskapital zunächst verschlechtert: Viele Kapitalgeber konzentrierten sich damals weitgehend auf ihre Portfolios, um ihre bestehenden Investitionen sicher durch die Krise zu bekommen. Auf deutscher Seite waren davon besonders innovative Softwareunternehmen betroffen, die in Europa nicht genug Abnehmer fanden und dann den Sprung über den Atlantik wagen wollten, um im Firmenkundensegment stärker zu wachsen.

    Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2020 zeigte sich aber, dass Technologie der klare Gewinner der Krise war, da Unternehmen nun massiv in die Digitalisierung investierten – was Start-ups in allen Finanzierungsphasen zugutekam. Dass viele Start-ups auch ohne staatliche Hilfen in den USA immer noch gut finanziert blieben, belegt auch die Statistik: Im 1. Halbjahr 2022 brachten Venture-Capital-Firmen laut Pitchbook rund 144,3 Milliarden US$ an Risikokapital auf. Das war zwar knapp 9 Prozent weniger als von Januar bis Juni 2021, aber immer noch fast doppelt so viel wie im gleichen Zeitraum des ersten Pandemiejahrs 2020.

    Top Start-ups in den USA

    Name

    Bewertung (Mrd. US$)

    Hauptsitz

    Branche

    Investoren (Auswahl)

    SpaceX

    127

    Hawthorne

    Sonstiges

    Founders Fund, Draper Fisher Jurvetson, Rothenberg Ventures

    Stripe

    95

    San Francisco

    Fintech

    Khosla Ventures, LowercaseCapital, capitalG

    Instacart

    39

    San Francisco

    Lieferketten, Lieferlogistik

    Khosla Ventures, Kleiner Perkins Caufield & Byers, Collaborative Fund

    Databricks

    38

    San Francisco

    Datenmanagement, Analytik

    Andreessen Horowitz, New Enterprise Associates, Battery Ventures

    Epic Games

    31,5

    Cary

    Sonstiges

    Tencent Holdings, KKR, Smash Ventures

    Fanatics

    27

    Jacksonville

    E-Commerce, Direkthandel

    SoftBank Group, Andreessen Horowitz, Temasek Holdings

    Chime

    25

    San Francisco

    Fintech

    Forerunner Ventures, Crosslink Capital, Homebrew

    Miro

    17,5

    San Francisco

    Internetsoftware und -dienstleistungen

    Accel, AltaIR Capital, Technology Crossover Ventures

    Quelle: CBInsights, Juli 2022

    Neue Branchen ziehen Gründerinnen und Gründer an

    Besonders viel Wagniskapital ziehen seit 2020 Bereiche an, die durch das veränderte Arbeitsumfeld und Verbraucherverhalten im Zuge der Coronapandemie profitiert haben. Dazu gehören vor allem Onlinehandel, Medizin und Software.

    Große Hoffnungen verbinden sich bei ­Digital Health mit KI. In diesen Bereich fließen in den USA Rekordsummen. Außerdem boomen die Märkte für Finanztechnologien sowie Lehr- und Lerntechnologien (Educational Technology/Edtech), Just-in-Time-Lieferdienste und Lieferkettenmanagement. Seit August 2020 dürfen in den USA auch Lieferdrohnen in größerem Umfang eingesetzt werden – ein weiteres Gebiet, auf das sich viele Start-ups spezialisieren.

    Von Heiko Steinacher | San Francisco

  • Für Wagniskapital sind die USA der größte Markt der Welt

    Start-ups stehen Inkubatoren und Acceleratoren zur Seite. Die Dichte an Risikokapitalfirmen und Privatinvestoren ist hoch. Das Finanzierungsumfeld verschlechterte sich jedoch.

    Start-ups werden in den USA überwiegend privat finanziert. In Innovationszentren wie der San Francisco Bay Area, New York und Massachusetts sorgt eine hohe Dichte an Wagniskapitalfirmen, Banken, privaten Investoren, Business Angels, Start-up-Hubs und Mentorennetzwerken für eine dicke Kapitaldecke.

    Start-up-Hubs verfügen über große Netzwerke für Wagniskapital

    Die meisten Risikokapitalgeber kommen aus dem Großraum San Francisco, darunter Accel, Andreesen Horowitz, Benchmark, Sequoia Capital, Bessemer Venture Partners, Founders Fund, GGV Capital und IVP. In den letzten Jahren haben sich zwar viele Städte rund um den Globus – darunter auch europäische wie Amsterdam, Berlin, London, Paris und Stockholm – zu Start-up-Hubs entwickelt. Für Wagniskapital sind die USA aber immer noch der weltweit größte Markt.

    Große Finanzdienstleister wie Barclays, Deloitte, Goldman Sachs, UBS und Visa investieren ebenfalls direkt in Start-ups oder finanzieren Inkubatoren. Oft sind auch finanzkräftige Investoren mit an Bord, wie Berkshire Hathaway und J.P. Morgan.

    New York setzt auf öffentlich-private Partnerschaften

    In New York City gibt es gleich vier große Hochschulen und viele für die Gründerszene ebenfalls wichtige kleinere und zum Teil stark spezialisierte Universitäten und Campus wie Cornell Tech und Rockefeller. Sowohl die Stadt als auch der Bundesstaat New York haben innovative öffentlich-private Partnerschaften entwickelt, um Forschungsergebnisse aus den Hochschulen schneller in neue Technologien umzusetzen. Beispiele hierfür sind das NYC Media Lab, das RLab, der Urban Tech Hub  und Urban X.

    Auch andere US-Universitäten verfügen über angesehene Acceleratoren, darunter StartX in Stanford und delta v am MIT. Die Teilnahme an Programmen solcher Acceleratoren oder auch von Inkubatoren kann die Überlebenschancen von Start-ups deutlich erhöhen.

    Aufstrebende Start-up-Zentren wie Miami, Atlanta und Austin locken Gründerinnen und Gründer darüber hinaus mit Steueranreizen und schaffen ständig neue Coworking-Spaces. Mehrere Events auf der in Austin alljährlich im März ausgetragenen South by Southwest (SXSW) bringen die Start-up- mit der Venture-Capital-Szene in einem kreativen Umfeld zusammen und haben die Hauptstadt von Texas in eine Brutstätte für Jungunternehmer und revolutionäre Technologien verwandelt.

    In der Forschung, Entwicklung und Kommerzialisierung neuer Technologien spielt der Privatsektor in den USA traditionsgemäß eine zentrale Rolle. Eine wichtige Finanzierungsquelle für Start-ups ist aber zum Beispiel auch das Small Business Innovation Research (SBIR)-Programm, ebenfalls bekannt als America’s Seed Fund: Elf Bundesbehörden nehmen daran teil und stellen schulden- und eigenkapitalfreie Finanzierungen in Höhe von 4 Milliarden US$ im Jahr bereit. Zudem bekommt die Grundlagenforschung Impulse durch einen überwiegenden Teil des KI-Forschungsbudgets (künstliche Intelligenz) der US-Regierung: Auch Fachministerien wie das für Verteidigung schaffen einen großen Markt für KI.

    Europäische Jungunternehmen wandern weiterhin in die USA ab

    Europäische Start-up-Ökosysteme haben zwar in den letzten Jahren gegenüber den USA aufgeholt, vor allem wenn es ums Unternehmensgeschäft (B2B) geht. Dennoch wagen weiterhin viele junge Techfirmen den Sprung über den Atlantik. Zumindest bis Anfang 2022 bekamen Start-ups in späteren Finanzierungsrunden in den USA leichter eine Anschlussfinanzierung.

    Auch gibt es dort bessere Exit-Möglichkeiten, womit der Verkauf von Anteilen an strategische oder Finanzinvestoren (Trade Sale) oder der Börsengang des Unternehmens (Initial Public Offering; IPO) gemeint ist. Allerdings wollen sich US-Investoren gelegentlich stärker in die Führung des Unternehmens einbringen und dieses früher zum Exit drängen, als das wahrscheinlich in Deutschland passieren würde.

    Bis 2021 zog es etwa jedes dritte Unternehmen auf dem alten Kontinent für sein IPO in die USA. High-Tech-Start-ups haben dabei die US-Technologiebörse Nasdaq im Visier. Das Lufttaxi-Start-up Lilium debütierte dort im September 2021, zwei Monate später folgte der ebenfalls aus München stammende Solarautobauer Sono Motors. Auch die deutschen Biotech-Unternehmen BioNTech und Curevac haben diesen Weg gewählt.

    Einbruch einst starker Technologiewerte schlägt auf Start-ups durch

    Das Finanzierungsumfeld für Start-ups hat sich in den letzten Monaten stark verändert. War 2021 noch ein Rekordjahr für Risikofinanzierungen und Börsengänge, kommen vorbörsliche Finanzierungsrunden im Zuge des IPO-Marktstillstands 2022 weitgehend zum Erliegen. Da der Markt für private Finanzierungen gewöhnlich den öffentlichen Aktien hinterherhinkt, können Wagniskapitalgeber ihre Erwartungen an mögliche Ausstiegspreise anpassen. Und die befinden sich im Sinkflug, nachdem die meisten US-Aktienindizes in den letzten Monaten Rückgänge im zweistelligen Prozentbereich verzeichneten. Da andere Handelsplätze ein ähnliches Phänomen ereilt, könnte die Versuchung der New Yorker Börse zumindest mittelfristig dennoch größer als die europäischer Pendants bleiben.

    Auf Start-ups in der Frühphase dürfte sich das aber nicht ganz so stark auswirken, denn bei solchen beträgt der Anlagehorizont der Investoren ohnehin meist sechs bis zehn Jahre. Angesichts der massiven Zinserhöhungen der Fed zur Eindämmung der hohen Inflation leiten Vermögensverwalter das Geld ihrer Anleger aber auf weniger riskante Investitionen um, zum Beispiel in öffentliches Beteiligungskapital statt in Neugründungen. Auch drängen Investoren die Start-ups zu stärkeren Umsatzeinbehalten. Außerdem fordern sie von den Start-ups effizientere Vertriebsmodelle und dass die Jungfirmen über genug Barmittel für 36 oder noch mehr Monate verfügen, während früher 18 bis 24 Monate üblich waren.

    Von Heiko Steinacher | San Francisco

  • Erfolgsgeschichten sind nach Tech-Aktien-Crash seltener

    Deutsche Start-ups durften in den USA schon einige Erfolge feiern. Von der dortigen Start-up-Kultur können Firmen aller Größen lernen. Deutsche Institutionen helfen ihnen dabei.

    Der Erfolg deutscher Start-ups in den USA manifestiert sich in vielerlei Weise: Mal gelingt es, aufgrund der risikofreudigeren Mentalität von US-Investoren schnell und viel Wagniskapital einzusammeln, mal mithilfe von Vor-Ort-Partnern, tiefer in den Markt einzudringen. Im Frühjahr 2022 schafften es gleich sieben deutsche Firmen in den Accelerator Y Combinator (YC) aus dem Silicon Valley. Andere debütierten erfolgreich an US-Börsen.

    Von der Coronapandemie profitierte zum Beispiel Uberall. Der Berliner SaaS-Anbieter (Software as a Service) hilft Firmen dabei, kanalübergreifend mehr Kunden zu gewinnen. Seine Dienste sind sehr gefragt, denn im Vertrieb setzen sich zusehends hybride Formen durch. Um in den USA weiter zu expandieren, kooperiert Uberall seit Juni 2022 mit Amazon Alexa.

    Deutschen Start-ups gelang auch der Eintritt in Märkte, die besonders von der aktuellen Geopolitik und von Marktunsicherheiten profitieren. So eröffnete das Berliner FinTech Moonfare Anfang 2022 ein Büro in New York, um mit seiner Private-Equity-Investmentplattform auf dem US-Markt zu wachsen. Denn Anleger investieren nun stärker in Minderheitsbeteiligungen an mittelständischen und größeren Unternehmen.

    Im Gegensatz zu „traditionellen“ Industriefirmen genießen deutsche Start-ups in den USA zwar keinen Vertrauensvorschuss. Dennoch versuchen einige, sich den guten Ruf des „German Engineering“ zunutze zu machen, um sich von lokalen Wettbewerbern abzuheben. Für Adsquare, eine Datenplattform für mobile Werbung auf Smartphones, sind zum Beispiel hohe Datenschutzstandards wichtig. Ihre Technologie vermarktet die Firma daher unter dem Label „Made in Germany“.

    Kurseinbrüche sowie Inflations- und Zinsentwicklung lassen Investoren vorsichtiger werden

    Um weiter wachsen zu können, bräuchten viele Start-ups größere Kapitalerhöhungen. Doch das ist angesichts stark gesunkener Bewertungen schwer. Der Münchner Solarautobauer Sono Motors wendete durch den Gang an die US-Technologiebörse Nasdaq Ende 2021 immerhin die drohende Insolvenz ab. In den ersten Folgewochen legte die Aktie sogar zu. Allerdings büßte der Kurs im ersten Halbjahr 2022 gut vier Fünftel ein.

    Bei Lilium brach er seit Erstnotierung „nur“ um rund drei Viertel ein. Auch das Debüt des Münchner Lufttaxi-Start-ups  an der Nasdaq spülte weniger Geld in die Kasse als erhofft.

    Trends scheinen manchmal kurzlebiger als erwartet. So wollten mit Jokr und Gorillas  zwei deutsche Start-ups vom pandemiebedingten Boom der Just-in-Time-Lieferdienste profitieren, vor allem in großen US-Metropolen. Jokr hat seine Niederlassungen in New York und Boston Ende Juni 2022 aber wieder geschlossen. Auch Gorillas legte seine Wachstumspläne für die USA vorerst auf Eis.

    Weiterhin hohes Wachstum verspricht dagegen der Markt für medizinische KI-Software. Das Hamburger Start-up Mindpeak könnte 2023 die US-Zulassung für seine KI-Technologie erhalten, was bisher erst wenigen deutschen Anbietern gelang. Der Algorithmus wird bereits in 14 Laboren verwendet, darunter auch große Laborketten in den USA. „Unsere KI ist europaweit und in den USA die erste, die jemals im klinischen Routinebetrieb in der Pathologie eingesetzt wird“, sagt Mitgründer und CEO Felix Faber. „Damit haben wir alle Mitbewerber, zum Teil auch sehr gut finanzierte Start-ups aus den USA, geschlagen.”

    Auch Tenac.io kooperiert eng mit US-Partnern und -Investoren. Die Berliner Firma bietet digitale kardiovaskuläre Versorgung an und gründete 2021 eine Niederlassung in New York City. Zuvor hatte Tenac.io an STEP USA teilgenommen: Das Startup & Entrepreneur-Programm der AHK New York bringt deutsche Start-ups und Unternehmer aus verschiedenen Branchen zusammen, um die New Yorker Techszene zu erleben.

    Deutsche Partner stehen Start-ups bei der Internationalisierung zur Seite

    Außerdem bieten noch weitere deutsche Institutionen Jungfirmen Hilfe auf dem Weg in die USA. So unterstützt der German Accelerator deutsche Start-ups - darunter auch die genannten Firmen Uberall und adsquare - mit Know-how, Mentoring und lokalen Anlaufstellen mit Büros in den Hubs New York, Silicon Valley und Boston. „Mehr als 500 Start-ups haben bisher an GA-Programmen teilgenommen und über 12 Milliarden US$ an Finanzierungsvolumen eingesammelt, davon einige Unicorns“, sagt Christian Jorg, Managing Partner beim vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Gründerprogramm. Ein wichtiges Kompetenznetzwerk ist auch die Digital Hub Initiative des BMWK: Die Hubs haben einen enormen praktischen Erfahrungsfundus und nehmen regelmäßig an internationalen Start-up Summits teil.

    Die AHK USA - San Francisco baut eine Brücke in den Westen der USA und ins Silicon Valley. Mithilfe eines Netzwerks an Experten hilft die Kammer Firmen, konkrete Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. Nicht alle, die das Silicon Valley besuchen, um Ökosystem und Mindset besser zu verstehen, gründen danach gleich ihre eigene Firma. „Oft erhoffen sich Unternehmen Zukunftstechnologien besser zu verstehen und die Erkenntnisse zu Hause beim Aufsetzen von Innovationsprojekten anzuwenden“, sagt Kammergeschäftsführer Sven-Thorsten Potthoff. Andere wollen wissen, wie es ihren US-Pendants gelingt, gerade in der Wachstumsphase so schnell an Wagniskapital zu kommen. Beim Innovation Camp BW lernen sie, wie sich disruptive Geschäftsmodelle und Technologien auf ihre Industrie auswirken können und wie sich damit Innovation und digitale Transformation im eigenen Betrieb vorantreiben lassen. Dabei stehen ihnen Mentoren zur Seite. Potthoffs Team ist Partner der vom Land Baden-Württemberg geförderten Initiative.

    Auch die Kooperation mit Forschungseinrichtungen steht im Fokus: „Forschungsbasierte deutsche Start-ups können sich über uns mit potenziellen Partnern vor Ort vernetzen“, sagt Zahar Barth-Manzoori, Direktorin des Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses (DWIH) in San Francisco. Als Schwerpunkte nennt Barth-Manzoori dabei Nachhaltigkeitsthemen wie Mobilität und Energieversorgung.

    Von Heiko Steinacher | San Francisco

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkung

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Deutsch-Amerikanische Handelskammer (AHK USA)

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Der Delegierte der Deutschen Wirtschaft/Representative of German Industry and Trade - RGIT

    Verbindungsbüro des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) in Washington, D.C.

    German Accelerator

    Unterstützt deutsche Start-ups bei der internationalen Expansion in die USA und in Asien

    Digital Hub Initiative

    Bringt Start-ups mit KMU, Großunternehmen, Investoren und Wissenschaft zusammen

    Department of Commerce (DOC)

    US-Handelsministerium

    Bureau of Economic Analysis (BEA)

    Regierungsbehörde, die makroökonomische und Industriestatistiken bereitstellt

    National Venture Capital Association

    Nationaler Verband

    U.S. Small Business Administration

     US-Bundesbehörde zur Unterstützung von KMU

    TechCrunch Disrupt


    Start-up-Messe; nächster Termin: 18. bis 20. Oktober 2022 in San Francisco, Kalifornien

    Consumer Electronics Show (CES)

    Fachmesse für Unterhaltungselektronik, die sich zu einer Messe für Smart Living und vernetztes Wohnen wandelt; auch werden auf der CES zunehmend Entwicklungen beim autonomen Fahren präsentiert; nächster Termin: 5. bis 8. Januar 2023 in Las Vegas, Nevada

    SxSW

    Veranstaltung, die Festivals, Konferenzen und Fachausstellungen vor allem in den Bereichen Musik, Film und interaktive Medien vereint; nächster Termin: 10. bis 19. März 2023 in Austin, Texas

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