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Viele Fintech-Firmen profitieren in den USA von der Coronakrise

Finanztechnologie boomte in der Pandemie. Und das Wachstum hält an: Laut BlueWeave Consulting wird der US-Fintech-Markt bis 2027 pro Jahr im Schnitt um gut 10 Prozent zulegen.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

In der Pandemiezeit boomt der Internethandel und treibt das Volumen digitaler Zahlungen in die Höhe. Der Wunsch nach kontaktlosem Bezahlen beschert Anbietern digitaler Zahlungsplattformen wie PayPal und Stripe einen enormen Kundenzulauf.

Mobile Bezahldienste werden immer beliebter

Auch Zahlungsdienste, die es ermöglichen, Geld vom Smartphone aus zu senden und zu empfangen, stehen hoch im Kurs. Daher gibt es in den USA bereits zahlreiche P2P-Zahlungs-Apps (Person-zu-Person), darunter Apple Pay, Google Pay, Venmo, WePay und Zelle. Dem Wirtschaftsmagazin Fortune zufolge nutzen bereits fast neun von zehn US-Amerikanern eine Art Fintech-App, um ihre Finanzen zu verwalten.

Um Potenziale im Zuge dieses Trends besser auszuschöpfen, suchen Fintechs untereinander den Schulterschluss: So will die schwedische Klarna durch ihre Partnerschaft mit GoCardless in den USA vor allem ihr "Buy Now Pay Later"-Geschäft ("Jetzt kaufen, später bezahlen") erweitern. In dieses Segment rücken neben Fintechs auch Banken, Payment Service Provider (Zahlungsverkehrsdienstleister) und Händler vor. Andere wie Sumup expandieren mittels Übernahmen in den US-Markt: Das deutsch-britische Finanz-Start-up, das Lesegeräte für mobile Kartenzahlungen vertreibt, hat sich im Oktober Fivestars, eine Marketingplattform mit integrierter Zahlungsabwicklung, einverleibt.

Corporate Banking goes digital

Viele Unternehmen waren in der Coronakrise auf finanzielle Unterstützung und kurzfristige Kredite angewiesen. Einige Fintechs haben daher digitale Lösungen entwickelt, die den ganzen Kreditvergabeprozess von der Anfrage über die Bonitätsprüfung bis hin zur Kreditauszahlung abdecken, darunter Bluevine, FundBox, Kabbage, Lendio und OnDeck. Während der Coronapandemie wickelte Kabbage fast 300.000 Kredite für Kleinunternehmen im Rahmen des Paycheck Protection Program (PPP) der Small Business Administration ab.

Stark gefragt sind auch Echtzeitzahlungen, da sie das Risiko von Zahlungsausfällen verringern. Schätzungen zufolge haben bereits etwa 40 Prozent der Großunternehmen in den USA Instant Payments eingeführt. Goldman Sachs hat im Juni 2021 eine strategische Partnerschaft mit dem Kreditkartenanbieter Visa geschlossen und nutzt nun die Plattform Visa B2B Connect für grenzüberschreitende Zahlungen, mit der Firmenkunden den Zahlungsstatus von der Absender- bis zur Zielbank nahezu in Echtzeit zu verfolgen können.

Kryptowährungen sind auf dem Vormarsch

Außerdem betreiben die Menschen in der Coronazeit mehr Onlinebanking und handeln vermehrt mit Aktien und Kryptowährungen. Einem Bloomberg-Bericht zufolge dürfte sich der Bitcoin 2022 weniger volatil verhalten, zumal die USA in dem Jahr Digitalwährungen mit einer angemessenen Regulierung einbinden dürften.

Fintech-Firmen entwickeln daher verstärkt Angebote auf Basis der Blockchain-Technologie, zum Beispiel für neue digitale Geschäfts- und Anlagemodelle. Denn auch für Unternehmen gewinnen Bitcoin, Ethereum & Co. an Bedeutung: So kündigte Visa im Dezember eine neue Sparte für Kryptoberatung für Banken, Finanzdienstleister und Einzelhändler an. Um institutionellen Kunden Zugang zu neuen Kryptoprodukten zu verschaffen, kooperieren US-Fondshäuser wie Fidelity bereits mit Kryptobörsen. Auch verarbeitende Unternehmen investieren in Kryptowährungen: Der Elektroautopionier Tesla und der Softwarespezialist MicroStrategy halten bereits größere Bitcoin-Bestände in ihren Bilanzen.

Digitale Plattformen beflügeln Hypothekenabschlüsse

Zudem lösen niedrige Zinssätze und der Wunsch, von den Innenstädten in Vororte oder sogar aufs Land zu ziehen, einen Ansturm auf Hypotheken aus. Die niedrigen Hypothekenzinsen drücken auf die Gewinnmargen der Banken und bieten Einsatzchancen für KI-Lösungen (Künstliche Intelligenz), um gesunkene Gewinne zumindest aufrechtzuerhalten. So hat Maxwell Processor Edge im Dezember eine webbasierte Anwendung auf den Markt gebracht, die sich in bestehende Kreditvergabesysteme integrieren lässt. Die Fintech-Plattform für Hypothekenlösungen beschleunigt die Dokumentenprüfung durch maschinelles Lernen.

Auch in dem Teilmarkt bauen Unternehmen ihre Position mit Übernahmen aus: So hat der Cloud-Banking-Anbieter nCino die Technologiefirma SimpleNexus zugekauft, die in den USA unter anderem mehr als 300 unabhängige Hypothekenbanken bedient.

Big Data und KI revolutionieren die Vermögensverwaltung

Der Ansturm von Kleinanlegern auf die Börsen hat zu einem Boom bei Wealthtech-Start-ups geführt. Der Begriff bezieht sich auf innovative Technologien für die Vermögensverwaltung. Fintech-Firmen setzen zum Beispiel zunehmend auf virtuellen Support. Gefragt sind unter anderem Robo-Advisor und Chatbots, die auf KI basieren.

Auch Zinsvergleichsportale zählen zu den erfolgreichsten Fintechs. So wollen die deutschen Anbieter Raisin (Zinsportal WeltSparen) und Deposit Solutions (Zinspilot, Savedo) nun gemeinsam in den USA den Durchbruch schaffen, nachdem sie vor ein paar Monaten zu „Raisin DS“ fusioniert haben.

Die meisten Fintech-Börsengänge finden in den USA statt

Zwar machte, mit deutscher Brille gesehen, mit Bezug auf die USA zuletzt vor allem der Rückzug von N26 aus dem US-Markt Schlagzeilen. Das Berliner Start-up ist eine rein digitale Bank, die sich auf die Kontoführung per Smartphone spezialisiert hat. Doch wie die Beispiele weiter oben zeigen, ist der US-Markt für viele deutsche Fintechs weiterhin hochattraktiv.

Daher verwundert es nicht, dass von den weltweit 37 Fintech-Börsengängen in den ersten drei Quartalen 2021 stolze 30 auf US-Börsen entfielen. Rund 60 Prozent aller Fusionen und Übernahmen im gleichen Zeitraum betrafen Fintech-Unternehmen mit Sitz in Nordamerika. Diese Angaben stammen von der Investmentbank Financial Technology Partners.

Allerdings müssen sowohl Finanzinstitute als auch Fintech-Start-ups auf einen stärkeren Wettbewerb seitens der US-Techriesen gefasst sein. Unternehmen wie Apple, Facebook und Google dürften künftig noch stärker in Segmente wie Zahlungen, Versicherungen und Kreditvergabe vordringen.

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