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Die Staaten eines ganzen Kontinents öffnen ab Juli ihre Grenzen für den freien Warenverkehr. Was davon Realität wird, bleibt abzuwarten.
31.03.2020
Von Ulrich Binkert | Bonn
„Chancenkontinent Afrika“, „große Perspektiven“ und „enormer Investitionsanreiz“ – wenn es um die geplante Afrikanische Freihandelszone geht, zeugen Statements deutscher Wirtschaftsvertreter von viel Optimismus. Die im Mai 2019 in Kraft getretene African Continental Free Trade Area (AfCFTA) soll ab Juli 2020 umgesetzt werden. Beobachter der Verhandlungen rechnen zur Zeit zwar mit Verzögerungen, aber gehen dennoch davon aus, dass die Staaten tatsächlich zügig mit dem Zollabbau beginnen.
Die Liberalisierung kann als Erfolg gelten, schon weil der Haushalt vieler afrikanischer Staaten mangels anderer Einnahmequellen auf Importabgaben angewiesen ist. Viel politischer Wille ist allerdings noch vonnöten beim Abbau von Zöllen auf sensible Produkte sowie bei den Themen, für die Verhandlungen gerade erst begonnen haben – also Investitionen, Wettbewerbspolitik und geistige Eigentumsrechte. Nichttarifäre Handelshemmnisse gelten als probates Mittel, um heimische Märkte doch noch zu schützen und angesichts weggefallener Zölle andere Einnahmen aus Steuern oder Abgaben zu erzielen.
Ansätze für mehr Integration gibt es seit vielen Jahren in Form regionaler Abkommen. Am weitesten ist dabei die East African Community, so die Einschätzung der UN-Wirtschaftskommission für Afrika (UNECA). Logistiker können in Ostafrika Waren zwischen den Ländern ohne weitere Grenzkontrollen transportieren. Im südlichen Afrika handeln Länder wie Botsuana, Simbabwe oder Namibia vergleichsweise viel mit dem Rest des Kontinents – konkret allerdings hauptsächlich mit dem benachbarten Südafrika, das als Industriestaat die erforderlichen Güter und Wertschöpfungsketten bietet.
Insgesamt jedoch funktionieren Afrikas regionale Abkommen nur begrenzt. „Die Mitgliedsländer haben sich nicht genug angenähert”, formuliert es die UNECA vorsichtig. Marokko, Tunesien und Ägypten zum Beispiel vereinbarten als Teil des Agadir-Abkommens von 2004 zwar längst Freihandel, ihr Warenaustausch ist de facto trotzdem sehr eingeschränkt. Die regionalen Blocks, von denen die Afrikanische Union acht offiziell anerkennt, sind uneinheitlich und überlappen sich zudem geografisch. Ihre Vielzahl verkompliziert eine tatsächliche Integration; Kenia, Ruanda und andere Staaten zum Beispiel sind jeweils Mitglieder von gleich drei solcher „Integrationsgemeinschaften“.
Mit dem Freihandelsabkommen AfCFTA will die Afrikanische Union vor allem freien Waren- und Dienstleistungsverkehr auf dem Kontinent ermöglichen. Bisher wickelten die afrikanischen Länder in der Summe nur 16 Prozent ihres Außenhandels untereinander ab, so Zahlen der UN-Handelsorganisation UNCTAD für 2018. In Asien waren es 60 Prozent und in Europa 69 Prozent; nur in der Region Lateinamerika/Karibik war die Quote ähnlich niedrig wie in Afrika.
Zu den Gründen gehört die Struktur von Afrikas Volkswirtschaften: Was der eine braucht, stellt der andere nicht her oder er ist dabei nicht wettbewerbsfähig. Der Kontinent exportiert vor allem Rohstoffe in andere Weltregionen und importiert Maschinen, Handys und all die anderen Dinge, die Mensch und Wirtschaft benötigen. Zudem gibt es beispielsweise zwischen West- und Ostafrika wenig Austausch von Menschen und Kapital, hat Martyn Davies vom Berater Deloitte beobachtet. Beim Blick nach außen orientiere man sich gleich an anderen Kontinenten, in Ostafrika zum Beispiel oft an Asien.
Eine Barriere sind die Bürokratie und der schlechte Zustand der Infrastruktur. Der Landversand eines Containers von Ghanas Hauptstadt Accra ins 470 Kilometer entfernte Lagos in Nigeria ist deutlich schwieriger als der lange Seeweg über Rotterdam. Auch Flugrouten führen oft nicht direkt ans Ziel. Im „Doing Business“-Kompendium der Weltbank erreicht Subsahara-Afrika beim Unterpunkt „Trading Across borders“ unter allen sieben weltwirtschaftlichen Regionen mit Abstand die niedrigste Bewertung, Nordafrika/Nahost die zweitniedrigste.
Beim Austausch von Dienstleistungen schneidet Afrika ebenfalls schlecht ab: Die Hürden sind viermal so hoch wie im Club der Industriestaaten OECD, konstatiert die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit Verweis auf den Services Trade Restrictiveness Index der Weltbank. Unterschiedliche Normen gelten ebenfalls als Integrationshemmnis. Das merkt schon der Afrika-Reisende, der für sein Elektrogerät etliche Steckeradapter besorgen muss.
Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig unterstützt Partner auch in Afrika seit Jahren bei den Themen Messwesen, Normung, Akkreditierung und Zertifizierung. Aktuell hilft die PTB mit der GIZ in ihrer „Allianz für Produktqualität“ dabei, die „Qualitätsinfrastruktur“ in Afrika auszubauen und afrikanische Unternehmen dabei zu unterstützen, Qualitätsanforderungen zu erfüllen.