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Infolge der Corona-Pandemie droht ein stärkeres Ungleichgewicht in Nordafrika. Digitalisierung, Nahrungsmittelindustrie und Gesundheitswesen im Fokus.
22.05.2020
Von Michael Monnerjahn | Bonn
Die Corona-Pandemie könnte in der Region Afrika/Nahost als Katalysator für weitere politische sowie wirtschaftliche Veränderungen wirken. Das wurde beim Austausch von Korrespondenten im Rahmen des Global Meetings der GTAI im Mai 2020 deutlich. Es besteht jedoch auch die Gefahr, dass sich die Kluft zwischen den zu Reformen bereiten und zu Veränderungen unwilligen Ländern weiter vergrößert. Gleichzeitig haben Reformländer die Chance, mittel- bis langfristig gestärkt aus der derzeitigen Wirtschaftskrise hervorzugehen, so die Analyse. Deutschland hat durch sein gutes Krisenmanagement die Möglichkeit, seine Position in einer Reihe von Ländern der Region zu stärken.
Insbesondere südlich der Sahara hatte die Verschuldung in vielen Volkswirtschaften schon vor der Corona-Pandemie ein gefährliches Niveau erreicht. Daher droht vielen Staaten ohne die Unterstützung internationaler Finanzinstitutionen eine Überschuldung. „In Kenia ist besonders der mühsam aufgebaute Mittelstand gefährdet. Die Regierung hat kein Geld, um die Privatwirtschaft zu unterstützen. Es droht eine Pleitewelle“, so die Prognose von Carsten Ehlers, GTAI-Korrespondent für Ostafrika. Ähnliches gilt für weitere Länder der Region.
Die Staaten in Nah- und Mittelost sind teilweise besser aufgestellt, da sie über gewisse finanzielle Reserven verfügen. Dennoch brechen aufgrund des drastisch gesunkenen Rohölpreises vielen Ländern die Einnahmequellen regelrecht weg. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind eine der wenigen Ausnahmen, die ein staatliches Aktionsprogramm zur Krisenbewältigung planen.
Global tätige Unternehmen wollen ihre Produktionsstätten mit Blick auf den Standort und die Lieferketten neu aufstellen. Es ist absehbar, dass Staaten und Unternehmen versuchen, weniger abhängig von China zu werden. „Durch eine Diversifizierung der Importquellen können sich neue Chancen für deutsche Unternehmen ergeben“, erwartet Israelkorrespondent Wladimir Struminski.
Gleichzeitig besteht in der gesamten Region Afrika/Nahost der Wunsch eigene Produktionskapazitäten auf- oder auszubauen. Diese Bestrebungen in Unternehmen und Regierungen könnten bei entsprechender Unterstützung – durch deutsche, europäische und internationale Initiativen wie dem Compact with Africa – zu einer Stärkung der Industrie in einer Reihe von Ländern führen. „Tunesien könnte mittelfristig von einer Produktionsverlagerung aus Übersee in die Peripherie der EU profitieren“, nennt Peter Schmitz, GTAI-Korrespondent mit Sitz in Tunis, ein Land in Nordafrika als Beispiel. „Bereits vor der Corona-Pandemie wurden wichtige Weichen zu mehr Diversifizierung und Industrialisierung mit mehr Wertschöpfung im Land gestellt“, berichtet Corinna Päffgen, GTAI-Korrespondentin mit Sitz in Ghana.
Deutschland wird in vielen Ländern positiv wahrgenommen, der Blick ist jedoch häufig stark auf China oder Akteure wie Frankreich und die USA gerichtet. Die deutsche Politik und Wirtschaft sollten das erfolgreiche Krisenmanagement nutzen, um das vorhandene Know-how und die in vielen Bereichen führende Technologie offensiver zu vermarkten. „Es spricht sich auch in Ägypten herum, dass Deutschland zu den Musterschülern in der Krisenpolitik gehört. Der Imagegewinn für Deutschland und damit auch die Marke „Made in Germany“ ist groß“, beobachtet Sherif Rohayem, GTAI-Korrespondent in Kairo. Anderenorts schätzen die Korrespondenten den Imagegewinn nicht so groß ein, da Deutschland grundsätzlich nicht so stark wahrgenommen wird.
Die Gesundheitsbranche stand krisenbedingt während der vergangenen Wochen besonders im Fokus. Ebenso rückte die Digitalisierung in vielen Ländern der Region Afrika/Nahost in das Zentrum der Aufmerksamkeit. „Die Digitalwirtschaft könnte am ehesten ein Krisengewinner sein, weil durch den Lockdown die Notwendigkeit gestiegen ist, digitale Geschäftsmodelle oder Dienstleistungen zu entwickeln“, berichtet Friedrich Henle, GTAI-Korrespondent für Nordafrika. „Die Digitalisierung wird von der Krise profitieren“, so auch Robert Espey, Korrespondent der GTAI mit derzeitigem Sitz in Dubai. „Die Medizintechnik dürfte in Südafrika prominentester Krisengewinner sein“, sagt Fausi Najjar, GTAI-Korrespondent in Johannesburg. „In Nigeria sind der Nahrungsmittel- und Agrarsektor interessant“, ist Corinna Päffgen als GTAI-Korrespondentin für Westafrika überzeugt.