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Branchen | China | Made in China 2025
Mit dem Vorhaben sollte die Technologieführerschaft in zehn Industriezweigen aufgebaut werden. GTAI-Expertin Corinne Abele zieht eine Zwischenbilanz des 2015 initiierten Programms.
12.11.2020
Von Corinne Abele | Shanghai
Wie setzt China seine Strategie Made in China 2025 aktuell in Schlüsselbranchen um (Erfolge, Verzögerungen, Strategieänderungen)?
Made in China 2025 macht in den chinesischen Medien kaum noch Schlagzeilen. Dies hat verschiedene Gründe: Zum einen möchte man es aufgrund der negativen internationalen Reaktion auf die enthaltenen Selbstversorgungs- und damit Importsubstitutionsziele aus der Schusslinie bekommen – gerade vor dem Hintergrund des sich weiter zuspitzenden Technologiekonflikts mit den USA. Zum anderen bedeutet es, dass die Umsetzung läuft, die Gelder verteilt sind und man die Roadmap für die identifizierten Schlüsseltechnologien in den zehn strategischen Bereichen wie Biotech, alternative Antriebstechnik, moderne IKT oder neue Materialien mithilfe gezielter Aktions- und Entwicklungsprogramme abarbeitet und ausfeilt. Der Fokus liegt dabei zunehmend auf der Herausbildung regionaler Industriecluster.
Für China hat sich gezeigt, dass Subventionen allein keine internationalen Spitzentechnologien hervorbringen und überdies teuer sind.
Das beste Beispiel dafür sind Elektroautos. Chinesische Automobilhersteller umzupolen und Elektroautos in den Markt zu drücken hat viel Geld gekostet, aber bislang keine Technologiedominanz begründet, was übrigens auch der erfolgreiche Markteintritt von Tesla untermauert. Ich sehe daher Chancen für Elektromodelle deutscher Autobauer, die 2021 in größerer Zahl auf den chinesischen Markt kommen werden. Gleichzeitig ist die Volksrepublik mit rund 1,2 Millionen im Jahr 2019 verkauften Fahrzeugen mit alternativem Antrieb ihrem Etappenziel von 2 Millionen per anno 2020 auf der Spur. Auslaufende Subventionen und Auswirkungen der Coronakrise haben – abgesehen von Tesla-Modellen – jedoch zu einem deutlichen Einbruch der Nachfrage geführt, die nur langsam wieder anspringt.
Beim Ausbau des Mobilfunknetzes der fünften Generation (5G), bei Biotech oder alternativen Energien ist die Dynamik hingegen weiterhin groß. Auch bei den in der Strategie Made in China 2025 benannten Querschnittsthemen wie der Weiterentwicklung des Standardisierungssystems und der Marktüberwachung gibt es bereits Etappenergebnisse: So ist 2018 die neu eingerichtete Superbehörde für Marktüberwachung SAMR (State Administration for Market Regulation) entstanden. Zudem hat die Ausarbeitung von China Standards 2035 Gestalt angenommen. Tendenziell steigen dabei Gestaltungsraum und Eigenverantwortung der Firmen – bei verstärkter Kontrolle der Anforderungen.
Welche Auswirkungen hat die Coronakrise auf die Made in China 2025-Strategie?
China denkt Digitalisierung umfassend und treibt sie gemäß seiner Vision voran: Die Schnittstellen zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Staat sind zahlreich und gewinnen im internationalen Wettbewerb an Bedeutung.
Die Coronakrise hat den bereits in der Strategie angelegten Fokus auf Informatisierung sowie Digitalisierung verschärft.
Darauf müssen sich auch deutsche Firmen vor Ort einstellen. Denken Sie nur an den Einsatz von QR-Gesundheitscodes während der Pandemie, an digitale Zahlungsverfahren oder die anvisierte papierlose Abwicklung von Cross-Border-E-Commerce.
Welche Schlussfolgerungen sollten deutsche Unternehmen und Investoren aus den Analysen der ersten zwei Antworten ziehen?
Sie müssen eine kritische und ehrliche Bestandsaufnahme ihrer digitalen Wettbewerbsfähigkeit vornehmen und rasch reagieren: Verfüge ich über die notwendige Hard-/Software und das notwendige Know-how? Wie bleibe ich für umkämpfte IT-Spezialisten ein attraktiver Arbeitgeber? Kann ich in meiner Firma Datensicherheit garantieren? Wie bin ich in den für meine Branche wichtigen digitalen Ökosystemen – von den Marketingmöglichkeiten über WeChat bis hin zu Apollo, Baidus offener Plattform für autonomes Fahren – unterwegs? Dazu zählt auch, für künftige Industriestandards bedeutende und häufig mit staatlicher Initiative gegründete Industrieallianzen im Blick zu behalten, beispielsweise in den Bereichen Industrial Internet, Internet of Things oder künstliche Intelligenz. Bin ich zudem firmenintern auf das schnelle Ausrollen von 5G in China vorbereitet? So hat beispielsweise BMW bereits 2019 drei Werke seines Joint Ventures BMW Brilliance Automotive in Shenyang komplett mit 5G ausgestattet.
Gleichzeitig müssen Tochterfirmen vor Ort ihren Headquartern in Deutschland die Dynamik von innovativem Wettbewerb und digitalem Fortschritt auf dem chinesischen Markt verdeutlichen, damit Entscheidungen zeitnah getroffen werden können. Die Greater Shanghai Innovation Survey 2018/19 der deutschen Auslandshandelskammer in Shanghai identifizierte Headquarter als ein Haupthindernis für Innovation in China.
Was sind die zentralen Handlungsfelder für Unternehmen für die nächsten fünf Jahre der Made in China 2025-Strategie?
Alles wird sich um die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit drehen, denn chinesische Konkurrenten werden stärker – das bestätigen Umfragen in nahezu allen Branchen. Bereits jetzt sind chinesische Firmen wie Haier, DJI, CATL, COFCO und Huawei weltweit unterwegs und zählen in den jeweiligen Sektoren zu den Spitzenunternehmen. Hinzu kommen durch staatlich verordnete Fusionen entstandene Giganten wie China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) oder China COSCO Shipping Corporation. Wer in China technologisch und digital nicht am Ball bleibt, wird Marktanteile an seine chinesischen Herausforderer verlieren – zunächst in der Volksrepublik und dann weltweit.
Gleichzeitig müssen sich deutsche Unternehmen auf die wachsende Innovationsfähigkeit des chinesischen Markts und steigende Kundenanforderungen einstellen. Das geht nur mithilfe von Investitionen in Innovation. Sich aus dem chinesischen Markt zurückziehen ist trotz möglicher Decoupling-Szenarien keine Lösung. Dabei werden digitale Ökosysteme das Miteinander von Kooperation und Wettbewerb in China sowie weltweit verstärken. Wer "Coopetition" kann, wird vorne mit dabei sein.
Das Interview wurde mit der Investment Plattform China/Deutschland geführt und ist hier online.