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Covid-19 hat dem Online-Handel 2020 ordentlichen Rückenwind beschert, der 2021 anhalten dürfte. Ab 2022 muss sich die Branche womöglich auf sinkende Wachstumsraten einstellen.
25.01.2021
Von Roland Rohde | Hongkong
Der E-Commerce in der Volksrepublik boomt seit vielen Jahren. Daran hat auch die infolge der Coronakrise geringere Konsumneigung kaum etwas geändert. Während der gesamte Einzelhandelsumsatz mit Konsumgütern nach Angaben des nationalen Statistikamtes NBS (National Bureau of Statistics) 2020 leicht zurückging, stieg der Umsatz der Online-Sparte um nominal fast 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf umgerechnet 1,4 Billionen US-Dollar (US$).
Segment | 2020 | Veränderung |
---|---|---|
Einzelhandelsumsatz mit Konsumgütern | 5.686 | -3,9 |
Online-Einzelhandelsumsatz | 1.706 | 10,9 |
Online-Einzelhandelsumsatz mit Konsumgütern | 1.416 | 14,8 |
Anteil Online-Sparte am Konsumgüterumsatz | 24,9 | 4,2* |
Damit wurde bereits 2020 ein Viertel des gesamten Einzelhandelsgeschäftes online abgewickelt. Gegenüber 2019 kommt dies einer Steigerung von 4 Prozentpunkten gleich. Im Vergleich zu 2018 ergab sich eine entsprechende Differenz von 6,5 Prozentpunkten. Der Anteil des E-Commerce am Einzelhandelsgeschäft wird in den nächsten Jahren zudem weiter zulegen. Allerdings dürfte der Aufholprozess leicht an Kraft verlieren.
Ohne das neuartige Coronavirus hätte der E-Commerce 2020 wohl nicht so gut abgeschnitten, denn schon in der Vorkrisenzeit machten sich erste Sättigungserscheinungen bemerkbar. Den Anbietern wurde um das Jahr 2019 klar, dass im Online-Handel die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Doch die Pandemie hat die Digitalisierung der chinesischen Wirtschaft und Gesellschaft nun zusätzlich beschleunigt.
Der E-Commerce gilt als großer Krisengewinner. Online-Anbieter gewannen während des Shutdowns im Frühjahr 2020 neue Nutzergruppen hinzu, die sie ansonsten kaum erreicht hätten. Vor allem ältere Konsumenten haben gelernt, online zu bestellen und dabei erfahren, wie bequem Einkäufe über das Internet sein können. Ein Teil von ihnen dürfte langfristig bei der Stange bleiben, denn zufriedene Kunden kehren bekanntlich zurück.
Zudem konnten einige Sparten des Einzelhandels von der Coronapandemie profitieren, die bislang nicht so stark über den Online-Bereich liefen. So hat es sich etwa etabliert, Nahrungsmittel im Internet zu bestellen, da Verbraucher traditionelle Märkte mit ihren fragwürdigen hygienischen Bedingungen zusehends meiden. Viele Online-Anbieter haben daher ihre Kapazitäten im Bereich Lebensmittel kräftig aufgestockt und insbesondere in die entsprechende Logistik investiert.
Laut Angaben des nationalen Statistikamtes stieg der Online-Umsatz mit Nahrungsmitteln 2020 um mehr als 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Sparte profitierte dabei auch von einer generell höheren Nachfrage nach Lebensmitteln, da Verbraucher weniger ausgingen und Speisen vielfach selbst zubereiteten. Im Gegenzug fiel das Online-Geschäft mit Bekleidung enttäuschend aus. Bei Textilien handelt es sich eben oftmals um Spontankäufe, die anlässlich eines Stadtbummels getätigt werden. Zudem wollen Konsumenten die Kleidungsstücke vor dem Kauf gerne anprobieren.
Rückenwind kommt 2021 von einem sich insgesamt aufhellenden Konsumklima. Seit August 2020 wächst der Einzelhandelsumsatz wieder und die Zuwachsraten haben sich von Monat zu Monat verbessert. Allerdings blieb der erhoffte Nachholeffekt praktisch komplett aus. Schließlich ist die Arbeitslosigkeit – insbesondere unter Wanderarbeitern – in China gestiegen, auch wenn offizielle Statistiken dies nicht widerspiegeln.
Zudem zeigen sich jene, die eine Anstellung haben, von der vorsichtigen Seite. Man wartet ab, ob es an der Pandemiefront nicht doch noch zu Rückschlägen kommt. Schließlich zählte die Volksrepublik seit Dezember 2020 wieder mehr Ansteckungen. Zum Chinesischen Neujahrsfest 2021 (Mitte Februar) wurde etwa den Reisebüros in Guangdong nahelegt, keine provinzübergreifenden Reisen mehr anzubieten. Wenn aber Millionen von Wanderarbeitern anlässlich des traditionell wichtigsten Festes nicht mehr zu ihren Familien zurückkehren können, fallen die Festivitäten und die damit verbundenen Konsumausgaben geringer aus.
Beijing möchte den privaten Verbrauch 2021 zusätzlich ankurbeln. Das passt gut zur sogenannten Strategie des doppelten Wirtschaftskreislaufs (Dual Circulation), der zufolge die chinesische Wirtschaft sich stärker auf den Inlandsmarkt konzentriert. Unter anderem wurden Steuererleichterungen ins Spiel gebracht, mit denen die hohe Ungleichverteilung der Einkommen verbessert werden soll.
Zugleich kämpft das Reich der Mitte aber mit einem immer bedrohlicher werdenden Schuldenproblem. In allen Sektoren – Unternehmen, Regierung und Privathaushalte – ist der Verschuldungsgrad in den letzten Jahren spürbar gestiegen. Corona hat für eine weitere Verschärfung gesorgt. Daher ist für 2021 zugleich mit einer restriktiveren Kreditpolitik zu rechnen, die zwar vor allem Firmen spüren dürften. Doch auch Konsumenten werden nicht verschont bleiben.
Das Analysehaus eMarketer erwartet daher, dass der Einzelhandelsumsatz 2021 und 2022 nur um jeweils 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegen wird. Dies entspricht gerade einmal der Hälfte der offiziellen Wachstumsrate des Vorkrisenjahres 2019. Zudem handelt es sich dabei um Nominalwerte. Real betrachtet ergibt sich demzufolge eine nochmals geringere Zunahme. Der E-Commerce soll sich im Jahr 2021 aber noch sehr lebhaft entwickeln, sodass erst für 2022 mit einem Wachstumseinbruch zu rechnen ist. Anschließend kommt es zu einer Annäherung der Zuwachsraten der Online- und Offline-Sparten.
Es bleibt abzuwarten, ob die Prognose von eMarketer tatsächlich eintritt. Es gibt gute Argumente dafür, dass der E-Commerce auch mittelfristig wesentlich stärker wachsen wird als der Offline-Handel. Dafür spricht unter anderem die Tatsache, dass die Online-Sparte bisher vor allem jüngere Kunden bediente. Die besonders kaufkräftige Gruppe der Konsumenten zwischen 36 und 50 Jahren ist aber bisher nur ansatzweise erschlossen. Hier schlummert noch ein riesiges Absatzpotenzial.