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Wirtschaftsumfeld | China | Arbeitsmarkt

Entsendungen nach China könnten erheblich teurer werden

Sollten Steuererleichterungen für ausländische Arbeitnehmer Anfang 2022 wie geplant wegfallen, dürften entsendende Firmen ihr Personal reduzieren oder nach Hongkong schicken.

Von Roland Rohde | Hongkong

Das chinesische Einkommenssteuerrecht wurde zuletzt mit Wirkung zum 1. Januar 2019 angepasst. Dabei wurde für in der Volksrepublik arbeitende Ausländer eine dreijährige Übergangsfrist eingeführt, während der zahlreiche vom Arbeitgeber gewährte Zuwendungen nicht versteuert werden mussten. Doch ab dem 1. Januar 2022 sind – zumindest laut Plan – Zuschüsse für die Wohnungsmiete, internationale Schulen, Heimatflüge und sogar Sprachkurse vollständig zu versteuern.

Es handelt sich in erster Linie nicht um ein Gesetz zur Benachteiligung ausländischer Arbeitnehmer. Sie werden lediglich mit chinesischen Angestellten gleichgestellt. Fairerweise muss angemerkt werden, dass der internationale Schulbesuch für die meisten Expatriate-Kinder wegen der enorm hohen Sprachbarrieren alternativlos ist. Zudem ist man in der Volksrepublik ohne die Absolvierung eines Sprachkurses völlig verloren.

Entsendungen grundsätzlich schwieriger geworden

Es gibt demnach durchaus Argumente für die Beibehaltung von Steuererleichterungen für Ausländer. Dass Beijing dennoch plant, die Erleichterungen abzuschaffen, zeugt von einem zunehmenden Selbstbewusstsein. Scheinbar herrscht die Überzeugung vor, auf Expertise aus dem Ausland nicht mehr so stark angewiesen zu sein und internationale Fachkräfte durch einheimische Angestellte ersetzen zu können. Grundsätzlich ist es für internationale Firmen und Organisationen schwieriger geworden, Arbeitsvisa für ihre Entsandtkräfte zu erhalten.

Umfang des geplanten Gesetzes noch unklar

Obwohl schon seit langem bekannt ist, dass die erwähnten Steuervorteile auslaufen, wird vielen in China tätigen ausländischen Unternehmen und Angestellten erst in jüngster Zeit bewusst, welche schwerwiegenden Folgen dies nach sich ziehen könnte. Bislang standen andere Themen im Vordergrund, vor allem die Bewältigung der Auswirkungen und Folgen der Coronapandemie. Womöglich haben Firmen bislang auch daraufgesetzt, dass es schon nicht so schlimm kommen werde.

Noch ist nicht endgültig abgeklärt, ob beziehungsweise in welchem Umfang die erwähnten Steuererleichterungen wegfallen.

Die Ausländische Handelskammer (AHK Greater China) in Beijing steht diesbezüglich im engen Austausch mit den nationalen Behörden. Eine Verlängerung der Frist ist noch unsicher, wäre aber möglich. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, dass Städte oder Kreise Steuererleichterungen anbieten. Dadurch entstände allerdings ein Flickenteppich an sogenannten Steueroasen. Zudem bleibt die Frage bestehen, inwieweit sich damit die Wohnortwahl ausländischer Entsandkräfte einschränken würde. Ebenso wären Lösungen auf Unternehmensebene in Abhängigkeit vom jeweiligen Gesamtsteueraufkommen möglich, wovon aber vor allem größere Gesellschaften profitieren dürften.

Mietzuschüsse sind wesentlicher Gehaltsbestandteil

Ausländische Firmen müssen sich auf alle möglichen Szenarien vorbereiten und starke Kostensteigerungen einkalkulieren. Die Wohnungs- und Schulzuschüsse machen üblicherweise einen erheblichen Teil des gesamten Gehaltspakets aus. Für eine mittlere Führungskraft mit zwei Kindern fallen etwa Kosten in Höhe von 100.000 bis 150.000 US-Dollar im Jahr an. Zusammen mit dem Grundgehalt wird somit leicht der Spitzensatz erreicht, der im Einkommenssteuertarif bei 45 Prozent liegt. Die AHK Greater China in Beijing hat eine Aufstellung der möglichen Auswirkungen der Steuerreform mitsamt einer Beispielrechnung veröffentlicht. Die Möglichkeit, Steuerschlupflöcher zu nutzen, ist nach Ansicht von Experten gering. Auch wenn ein Unternehmen seine Angestellten kostenlos in einer Firmenwohnung wohnen lässt, müssten Arbeitnehmer dies als geldwerten Vorteil versteuern.

Erschwerend kommt folgendes hinzu: Wenn ein Unternehmen für seine Angestellten die zusätzlich anfallenden Steuern übernimmt, erhöht dies deren Bruttogehalt, was wiederum weitere Steuerzahlungen auslöst. Wenn der Arbeitnehmer die Kostensteigerungen aus eigener Tasche zahlt, kommt es nicht zu dieser Kaskade. Doch wer wäre unter diesen Umständen zu einer Entsendung bereit?

Die Bereitschaft, in China zu leben und zu arbeiten, ist unter Expatriates zuletzt ohnehin spürbar zurückgegangen.

Negative Konsequenzen für Chinas Wirtschaft absehbar

Internationale Unternehmen werden infolge des Wegfalls der Steuervorteile dazu übergehen, tendenziell weniger Entsandkräfte nach China zu schicken. Ebenso wird die Bereitschaft ausländischer Firmen, ihr Asien-Hauptquartier in Beijing oder Shanghai zu platzieren, zurückgehen. Damit dürften auch Chinas Gewerbesteuereinnahmen sinken. Technologisch betrachtet werden die Bemühungen der Volksrepublik, zum Westen aufzuschließen, durch den geringeren Zufluss an internationalen Experten konterkariert.

Bereits in China angesiedelte Unternehmen dürften mit dem Gedanken spielen, einen Teil ihrer Mitarbeiter beispielsweise nach Hongkong zu entsenden. Die Sonderverwaltungsregion war bislang aus Kostengesichtspunkten eher unattraktiv, vor allem, weil die Mieten zu den höchsten weltweit gehören. Doch politische Unruhen, das von Beijing verabschiedete nationale Sicherheitsgesetz und die Covid-19-Krise haben die Mietpreise auf eine steile Talfahrt geschickt. Zudem sind internationale Schulen in Hongkong wesentlich preisgünstiger als etwa in Beijing.

Steuerparadies Hongkong als Alternative

Hauptsächlich kann die ehemalige britische Kolonie aber mit den niedrigen Steuersätzen punkten. Der Spitzensatz bei der persönlichen Einkommenssteuer beträgt 17 Prozent. Außerdem bestehen umfangreiche Anrechnungsmöglichkeiten. Es kommt zudem regelmäßig vor, dass die Regierung den Bürgern einen Teil ihrer Steuerschuld zum Jahresende erlässt.

Daneben bietet die ehemalige britische Kolonie eine höhere Lebensqualität als die meisten Metropolen auf dem chinesischen Festland. Hongkong ist des Weiteren wesentlich internationaler, sodass man mit Englisch problemlos zurechtkommt. Ähnliche Standortvorteile bietet auch Singapur. Allerdings ist der südostasiatische Stadtstaat geografisch betrachtet weit vom chinesischen Markt entfernt.

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