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Der Einzelhandelsumsatz lag im Sommer 2020 immer noch rund ein Drittel unter dem Vorkrisenniveau. Supermärkte und Möbelhäuser konnten allerdings gegen den Trend zulegen.
29.10.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
In Hongkong Einzelhandelssektor mehren sich die Pleiten und Geschäftsaufgaben. Bereits im 2. Halbjahr 2019 hatten die Geschäfte unter stark rückläufigen Umsätzen zu leiden. Chinesische Touristen mieden angesichts der politischen Unruhen zunehmend die Sonderverwaltungsregion (SVR). Seitdem die Metropole ihre Grenzen infolge der Coronapandemie Anfang 2020 weitgehend schloss, kommen praktisch keine Besucher mehr in die Stadt.
Das ist besonders schmerzlich, denn chinesische Touristen vom Festland tragen laut Umfragen der Hongkonger Fremdenverkehrsbehörde im Durchschnitt rund ein Drittel zum Einzelhandelsumsatz bei. In vielen Sparten der Luxusgüterindustrie – insbesondere bei Lederwaren, Schmuck, Uhren und Kosmetik – fällt die entsprechende Quote wesentlich höher aus.
Wer durch die Einkaufviertel der Stadt bummelt, kann mitverfolgen, wie ein Laden nach dem anderen schließt. In großen Shoppingmalls ist die Lage hingegen nicht ganz so dramatisch. Die Betreiber bieten starke Mietnachlässe an, damit kein verwaister Eindruck entsteht. Die South China Morning Post berichtete von Mietminderungen zwischen 50 und 70 Prozent. Dafür wird dann aber auch der Abschluss eines mehrjährigen Mietvertrages erwartet.
Doch dazu sind nicht alle bereit, denn es zeichnet sich vorerst nicht ab, wann sich das Blatt wendet. Im Herbst 2020 sind die Grenzen noch immer geschlossen. Verhandlungen zur Herausbildung von sogenannten Travel Bubbles kommen nur schleppend voran. Zudem zeigt sich, dass, selbst wenn ein quarantänefreier Personenverkehr mit bestimmten Ländern und Regionen möglich wird, das Reisen dennoch beschwerlich bleiben dürfte.
Das zeigen die Erfahrungen von Macau. Dort gibt es seit dem Sommer 2020 wieder einen quarantänefreien Grenzverkehr mit der chinesischen Nachbarprovinz Guangdong. Trotzdem kamen während der sogenannten Golden Week Anfang Oktober 2020, wenn sich halb China traditionell auf Reisen begibt, nach Angaben der Tourismusbehörde 86 Prozent weniger Besucher vom Festland als noch im Vorjahr.
In Hongkong lässt zudem die Angst vor einer neuen Ansteckungswelle im Winter 2020 ökonomische Aspekte in den Hintergrund treten. Wissenschaftler warten mit Horrorszenarien auf. Stimmen der Wirtschaft, die auf eine partielle Öffnung der Grenzen drängen, dringen kaum durch. Langsam, aber sicher muss man sich wohl damit abfinden, dass ein normaler Grenzverkehr erst nach der Impfung großer Teile der Bevölkerung wieder möglich sein wird. Damit dürfte wohl nicht vor dem Sommer/Herbst 2021 gerechnet werden. Bis dahin könnten viele weitere Ladenbesitzer pleitegehen.
Auch der einheimischen Bevölkerung sitzt das Geld nicht mehr so locker in der Tasche. Die Erwerbslosigkeit ist deutlich angestiegen. Viele Menschen befinden sich in Kurzarbeit oder müssen unbezahlten Urlaub nehmen. Immerhin gibt es auch einen gegenteiligen Effekt: Da die Mehrheit nicht mehr verreisen kann, bleibt für diejenigen, die ihren Job behalten haben, mehr Geld in der Familienkasse.
Offizielle Daten unterstreichen den Negativtrend. Im 1. Halbjahr 2020 sank der Einzelhandelsumsatz laut dem Hongkonger Statistikamt um nominal ein Drittel im Vergleich zur Vorjahresperiode. Seit Juni 2020 haben sich die Werte zwar spürbar verbessert. Dafür ist allerdings überwiegend der statistische Basiseffekt verantwortlich. Da es in den letzten beiden Quartalen 2019 bereits starke Einbrüche gegeben hatte, könnten sich die Zuwachsraten im 2. Halbjahr 2020 auf dem Papier verbessern, selbst wenn das Geschäft nicht wieder anzieht. Vergleicht man nämlich die Sommermonate 2020 mit dem Vorkrisenjahr 2018, zeigt sich sogar eine leichte Verschlechterung der Lage.
Zwischen den einzelnen Sparten gibt es jedoch eine recht unterschiedliche Entwicklung. Supermärkte, die kaum chinesische Kunden verzeichnen, gehören zu den großen Krisengewinnern. Die einheimische Bevölkerung isst seltener auswärts, kocht häufiger zu Hause und ernährt sich tendenziell gesünder. Der Umsatz mit frischem Fleisch und Fisch sowie mit Obst und Gemüse legte in den ersten acht Monaten 2020 um 15 Prozent beziehungsweise 14 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu.
Im Gegenzug ging das Geschäft mit Back- und Süßwaren zwischen Januar und August 2020 um 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. Der Umsatz mit Alkoholika und Tabakwaren ist derweil quasi in sich zusammengefallen. Zwischen Januar und August 2020 ging er um fast 67 Prozent zurück. Die meisten Einkäufe finden traditionell in Duty-free-Shops am Flughafen und an den Grenzübergängen zu China statt, wo es derzeit kaum mehr Personenverkehr gibt.
Da die einheimische Bevölkerung nicht mehr reisen kann, machen es sich die Meisten zu Hause gemütlich. Der Umsatz mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen wächst seit April 2020 wieder. Auch das Geschäft mit Automobilen ist weniger stark eingebrochen, als zunächst erwartet. Aus Angst vor Ansteckungen gibt es einen Trend zu mehr Individualmobilität. Wer es sich leisten kann, fährt mit dem eigenen Auto zur Arbeit.
Bei den Juwelieren der Stadt herrscht jedoch getrübte Stimmung. Die Hauptkundschaft stammt regulär aus China. Nicht umsonst war die kleine SVR – zumindest bis zur Jahresmitte 2019 – der weltweit größte Absatzmarkt für Schweizer Uhren. Doch im Sommer 2020 lag der Umsatz mit Schmuck, Uhren und wertvollen Geschenken rund 60 Prozent unter dem Vorkrisenniveau von 2019.
Während der Offline-Handel Verluste verzeichnet, herrscht im E-Commerce Hochstimmung. In Zeiten von Social Distancing nehmen Konsumenten zunehmend Abschied von ihrer traditionellen Lieblingsbeschäftigung, dem Einkaufsbummel. Stattdessen bestellen sie Waren online. Der führende Anbieter HKTVmall berichtete von einem exorbitanten Umsatzzuwachs im Zuge der Coronakrise.