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Bargeldloses Bezahlen erhält in Japan einen Schub - durch eine Reihe von Regierungsinitiativen und nicht zuletzt die Coronapandemie.
05.10.2020
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Bargeldloses Bezahlen: Die Regierung will es, die Banken wollen es und auch die Technologiefirmen, die auf stärkere Digitalisierung setzen. Jedoch bleibt die Bevölkerung dem Bargeld bislang treu, verunsichert durch die Vielzahl konkurrierender Systeme und durch fehlendes Vertrauen in die Transaktionssicherheit.
Japans Regierung will bis 2025 einen Anteil von 40 Prozent bargeldlosen Bezahlens an den Gesamttransaktionen erreichen. Gemäß Angaben des Wirtschaftsministeriums hatte der Anteil 2019 bei japanischen Haushalten 26,8 Prozent erreicht, von 20 Prozent im Jahr 2016.
Als einen Ansatz, bargeldloses Bezahlen zu fördern, nutzte Japans Regierung die Erhöhung der Konsumsteuer von 8 auf 10 Prozent, die zum 1. Oktober 2019 erfolgte. Um den Verbrauchern die Erhöhung schmackhafter zu machen, führte die Regierung zeitlich begrenzt (bis Juni 2020) ein Rabattsystem für diejenigen ein, die ihre Käufe bargeldlos durchführten. Gleichzeitig bekamen kleine und mittlere Geschäfte Anreize, entsprechende Geräte und Applikationen anzuschaffen, die solche Transaktionen auch ermöglichen.
Damit Stadtverwaltungen bargeldloses Bezahlen für Dienstleistungen einführen, hat das Wirtschaftsministerium im April 2020 ein entsprechendes Programm aufgelegt. Ein weiterer Versuch, mehr bargeldlose Transaktionen zu erzielen, läuft seit Anfang September 2020. Das zentrale Sozialversicherungs- und Steuernummersystem, genannt MyNumber, bietet MyNumber-Karten mit Cashless-Payment-Funktionen an. Jedoch ist die Resonanz und Nutzung bislang gering, weshalb auch hier ein Rabattsystem helfen soll.
Einen ungeplanten Schub für bargeldloses Bezahlen hat der Ausbruch der Coronapandemie gebracht. Denn Japans Verbraucher bestellen mehr online und bezahlen elektronisch; beim physischen Einkauf in Geschäften nutzen sie viel häufiger kontaktlose Zahlmöglichkeiten, um die Berührung mit Bargeld als potenziellem Übertragungsweg zu vermeiden. Daher weiten die Anbieter von E-Money-Systemen und anderen bargeldlosen Bezahlsystemen ihre Aktivitäten aus.
In Japan mangelt es nicht an Auswahl von Anbietern und Systemen. Eher gibt es zu viele. Daher wird eine Konsolidierung stattfinden. Beispielsweise wird das populärste QR-basierte Smartphonebezahlsystem, PayPay, wohl mit LinePay verschmelzen, wenn sich Yahoo Japan und Line, wie geplant, in der Z Holdings zusammenschließen. Laut einem Gutachten der Fair Trade Commission zu den Marktauswirkungen hat PayPay im Januar 2020 einen Umsatzanteil von 55 Prozent, LinePay einen von 5 Prozent erreicht. Der umsatzmäßige Anteil von QR-basierten Bezahlsystemen im Januar 2020 betrug insgesamt circa 7,3 Prozent, der von Kreditkarten rund 34,7 Prozent.
Kreditkarten werden auch zukünftig umsatzmäßig den Löwenanteil bei bargeldlosem Bezahlen ausmachen, so das Nomura Research Institute. Jedoch werden im Prognosezeitraum bis 2025 vor allem Debitkarten an Popularität gewinnen und den größten Umsatzzuwachs erzielen. Dies bestätigen auch Zahlen der Bank of Japan; demnach haben beispielsweise in den Monaten April bis Juni 2020 das Transaktionsvolumen und der Transaktionswert bei Debitkarten gegenüber dem Vorjahresquartal um 45,7 Prozent beziehungsweise um 15,6 Prozent zugenommen.
Debitkarten, die mit Loyalitätssystemen von Einzelhandelsunternehmen verbunden sind, sind in Japan weit verbreitet. Mithin die größte Nutzergruppe erreicht East Japan Railway mit der Suica, einer smarten Transitkarte, von der ungefähr 80 Millionen Stück im Einsatz sind. Mit diesen lässt sich in vielen Läden, in Taxis et cetera kontaktlos bezahlen. Bislang sind diese Karten nicht mit Bankkonten verbunden. Jedoch läuft die Diskussion mit Japans Großbanken, eine umfassendere Bezahlplattform zu schaffen.
Segment | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 |
---|---|---|---|---|---|---|---|
E-Money | 67,0 | 73,4 | 78,9 | 83,5 | 86,2 | 88,1 | 89,0 |
Prepaid-Karte | 84,4 | 88,1 | 88,1 | 84,4 | 79,8 | 76,1 | 72,5 |
Debitkarte | 18,3 | 29,4 | 67,9 | 147,7 | 211,0 | 248,6 | 280,7 |
Kreditkarte | 601,8 | 645,0 | 689,9 | 723,9 | 720,2 | 709,2 | 703,7 |
Insgesamt | 771,6 | 834,9 | 924,8 | 1.040,4 | 1.097,2 | 1.121,1 | 1.145,0 |
Bei einigen Anbietern im Mobilkommunikationsbereich, die eigene E-Money-Systeme unterhalten, wie NTT Docomo, KDDI, LinePay und Merpay, gibt es auch bereits Konsolidierungsbemühungen. Sie haben sich im März 2019 in einer Mobile Payment Alliance zusammengefunden, um bargeldloses Bezahlen zu weiterer Verbreitung zu verhelfen sowie den Händlern und Verbrauchern die Nutzung zu vereinfachen.
Jedoch kommt es immer wieder zu Rückschlägen bei der Umsetzung. Im September 2020 meldete NTT Docomo, dass bei seinem E-Money-Dienst unautorisiert auf Bankkonten zugegriffen wurde. Mindestens 66 Fälle wurden gemeldet. Auch wenn der finanzielle Schaden nicht sehr hoch war und von den Banken kompensiert werden soll, wird das Vertrauen bei den Nutzern in bargeldloses Bezahlen auf die Probe gestellt. Denn es kam auch davor schon zu ähnlichen Vorfällen bei anderen Anbietern.
Um die Rahmenbedingungen für eine bargeldlose Gesellschaft zu verbessern, wurde im Oktober 2018 eine Payments Japan Association gegründet. Mittlerweile (Stand: September 2020) zählt sie 361 Mitglieder, darunter 206 Unternehmen, wie alle wichtigen Anbieter von bargeldlosen Systemen, Banken et cetera; 96 Lokalregierungen sowie 54 Verbände und Organisationen, wie beispielsweise die Fintech Association.
Fintech soll dabei helfen, das Banksystem und die Finanztransaktionen unter anderem sicherer und schneller zu machen, wie etwa mittels Blockchain und anderer Technologieverfahren. Das bargeldlose Bezahlen wird auch von den Banken gefördert, die ihre Kosten senken wollen, indem unter anderem die Notwendigkeit von Bankautomaten und Schalterpersonal verringert werden kann.
Bargeldloses Bezahlen machte laut einer Untersuchung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 2016 in Japan einen Anteil von rund 20 Prozent aus. Im internationalen Vergleich lagen Länder wie Südkorea, China, Kanada oder Schweden deutlich höher. Diese erreichten 2016 schon Anteile von jeweils über 50 Prozent. Dabei waren es japanische Unternehmen, die Anfang des 21. Jahrhunderts mit E-wallets zu den Pionieren bargeldlosen Bezahlens gehörten.