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Die in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigten Investitionen werden durch die Pandemie weiterhin zurückgehalten. Derweil wächst Asiens Präsenz in der Region.
30.03.2021
Von Judith Illerhaus | Bonn
Investitionen in die Infrastruktur Lateinamerikas haben in den vergangenen drei Jahrzehnten stetig abgenommen, so heißt es in einem Bericht der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC). Der Anteil beträgt inzwischen durchschnittlich nur noch 2 bis 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zuletzt haben nur die Länder Subsaharas einen geringeren Anteil ihres BIP in Infrastrukturprojekte investiert.
Dabei gilt es insbesondere hier, Lücken zu schließen, um die Entwicklung anderer Bereiche fortlaufend zu unterstützen. Mehr als 60 Prozent der Straßen der Region sind nicht asphaltiert. Zum Vergleich: In Schwellenländern Asiens sind es 46 Prozent, im europäischen Raum dieser Länderkategorie gerade einmal 17 Prozent. Zwei Drittel des Abwassers in Lateinamerika wird nicht behandelt.
Experten sehen den größten Handlungsbedarf in den Bereichen Straßen- und Schienenbau, Häfen und dem Ausbau städtischer Transportsysteme, um Exporte beschleunigen und Pendlerzeiten verkürzen zu können. Nichtsdestotrotz gibt es einige zukunftsweisende Märkte: Laut dem britischen Analyseinstitut Economist Intelligence Unit (EIU) sind Chiles Straßen besser als jene in Belgien, Neuseeland oder China und Uruguays Energiematrix zieht am US-amerikanischen und kanadischen Energiesektor locker vorbei.
Logistische Lösungen müssen in Lateinamerika vielfältig sein: Neben umfangreichen und langwierigen Schienenprojekten in Brasilien fokussieren kleinere Länder wie beispielsweise Uruguay vor allem PPP-Projekte im Straßenbau. In diesem Bereich hat die Regierung zuletzt Projekte mit einem Gesamtvolumen von 615 Millionen US-Dollar (US$) verabschiedet.
Auch Kolumbien plant ein großes Infrastrukturpaket und hat dafür insgesamt 8 bis 11 Milliarden US$ vorgesehen. Unter anderem soll auch in die Binnenschifffahrt investiert werden. Um die viel beanspruchten Straßen zu entlasten, aktuell entfallen 96 Prozent des Gütertransports auf Lkw, will das Land 1,1 Milliarden US$ in die Instandsetzung und Schiffbarmachung zweier Gewässer investieren. Hierbei handelt es sich um zwei Großprojekte, die auch die Beteiligung privater Investoren vorsehen.
Auch wenn die Covid-19-Pandemie dafür gesorgt hat, dass Lieferketten weltweit zum Erliegen gekommen sind, hat die Krise gewissermaßen als Katalysator für Digitalisierungsprozesse in der Logistikbranche gewirkt. Beispiel Mexiko: Dort wurde durch den rasant gestiegenen Onlinehandel besonders deutlich, dass zusätzliche Investitionen dringend nötig sind. Unter anderem DHL plant 300 Millionen US$ in Mexiko zu investieren.
Brasilien reiht sich ebenfalls an dieser Stelle ein: Einerseits steht im Jahr 2021 die umfangreiche Privatisierung des brasilianischen Postdiensts Correios an; andererseits sind die Veränderungen im E-Commerce und eine beschleunigte Umstrukturierung des Logistiksektors auch in Form innovativer Lösungen wie dem Start-up Truck Pad zu spüren - mithilfe dieser App lassen sich Frachtaufträge an selbstständige Lkw-Fahrer übermitteln. Chinesische Unternehmen sind nach wie vor die dominanten Investoren in Brasilien und investieren dort zudem vermehrt in die Hafeninfrastruktur.
Heutige Infrastrukturvorhaben sind vermehrt darauf ausgelegt, ausländische Investitionen anzuziehen und dabei vor allem exportorientierte Industrien zu fördern. Laut dem Marktbeobachter bnAmericas gibt es derzeit zehn Megaprojekte dieser Kategorie - beim Blick auf die Verteilung der Investitionen wird schnell ersichtlich, dass der Schienenbau den größten Anteil hat.
Neben den zahlreichen positiven Auswirkungen großer Infrastrukturvorhaben zeigen jedoch Ereignisse wie der Dammbruch in Brasilien (Bruminho), dass die sozialen und ökologischen Effekte solcher Megaprojekte verheerende Folgen haben können.
Darüber hinaus mehren sich regionale Stimmen, die darauf hinweisen, dass die Länder selbst mitunter nicht die notwendigen institutionellen Ressourcen mitbringen, um Projekte dieser Größenordnungen kontrolliert zu managen. Als die am weitesten entwickelten Märkte für PPP-Projekte im Bereich Infrastruktur gelten im regionalen Vergleich Chile, Kolumbien und Peru, gemessen am Index Infrascope 2019, der in Zusammenarbeit von EIU und IDB entsteht.
Name | Land | Investitionsvolumen |
---|---|---|
Maya Train | Mexiko | 7,78 |
Lima Metro Line No. 2 | Peru | 4,53 |
Panama City-Chiriquí Train | Panama | 4,1 |
Ferrograo Railway | Brasilien | 4,08 |
Santa Lucía International Airport | Mexiko | 3,63 |
Oeste-Leste Railway | Brasilien | 3,51 |
Mexico-Toluca Interurban Train | Mexiko | 3,4 |
San Antonio Outer Harbour | Chile | 3,27 |
Lima-Ica Railway | Peru | 3,26 |
El Dorado Airport | Kolumbien | 3,2 |
Das asiatische Interesse an PPP-Kooperationen ist besonders hoch. Neben den großen regionalen Banken wie Santander oder Itaú CorpBanca finden sich vier chinesische und japanische Banken unter den Top 10 der privaten Investoren für Infrastrukturprojekte im Zeitraum 2013 bis 2017, heißt es in einem Überblick von IDB Invest aus dem Jahr 2018. Die japanische Sumitomo Mitsui Banking Corporation befindet sich mit einer Gesamtinvestition von 3,6 Milliarden US$ sogar an zweiter Stelle.
Und auch China gilt als Hoffnungsträger für die Infrastruktur in Lateinamerika. Die ostasiatischen Banken investieren mehr in den Sektor als Weltbank und IDB zusammen, so die Einschätzung des US-amerikanischen Thinktanks Brookings Institution. Allerdings verlagern sich die Investitionsströme: Während das Geld aus Asien bisher zum großen Teil in den Energie- und Transportsektor floss, investieren die Banken inzwischen mehr als die Hälfte der Summe in den Dienstleistungssektor, allen voran in Transport, Finanzen, IKT-Lösungen und Stromerzeugung bzw. -übertragung.