Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | Libyen | Öl, Gas

Die Förderung von Erdöl stabilisiert sich

Die libysche Ölbranche blickt wieder etwas zuversichtlicher in die Zukunft. Nach zehn Jahren Bürgerkrieg ist der Investitionsstau groß.

Von Friedrich Henle | Berlin

Der staatliche Erdölkonzern Libyens, die National Oil Corporation (NOC), hat Anfang September 2021 verkündet, alle Beschäftigten einer parallel existierenden NOC im Osten des Landes wieder einzugliedern. Die NOC kommt damit einer Anordnung des Premierministers der Übergangsregierung der „Nationalen Einheit“ Abdul Hamid Dbaibah nach, die Spaltung der NOC zu beenden.

Erdölförderung schwankt mit Sicherheitslage

Die Entscheidung dürfte die Fördermenge weiter stabilisieren, die sich seit Jahresbeginn 2021 wieder zwischen 1,2 und 1,3 Millionen Barrel Rohöl pro Tag (bpd) bewegt. Tiefstände gab es im Jahr 2020 mit etwas mehr als 200.000 bpd, als über mehrere Monate Ölterminals blockiert waren. Fast 2 Millionen bpd förderte die NOC zu Spitzenzeiten in der Vergangenheit. Diesen Wert hat der Finanzminister der Übergangsregierung, Khaled al-Mabrouk, jüngst als Ziel für Ende 2022 ausgegeben. Voraussetzung sei aber, dass entsprechende Investitionsmittel aus dem Haushalt freigegeben werden. Auch dank gestiegener Weltmarktpreise für Rohöl fielen die Einnahmen der NOC im ersten Halbjahr 2021 mit rund 10,1 Milliarden US-Dollar (US$) deutlich höher aus als in den Vorjahren.

Bild vergrößern

In den zehn Jahren seit dem Tod des langjährigen libyschen Herrschers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 waren die Ölfelder, -pipelines und -häfen oft Ziel und Spielball der kriegerischen Auseinandersetzungen im Land. Entsprechend sprunghaft entwickelten sich die Ölfördermenge und -ausfuhren. Sichtbar wird dies auch am Handel zwischen Libyen und Deutschland, der in Richtung Deutschland fast ausschließlich aus Kohlenwasserstoffprodukten besteht. Belief sich der Wert der libyschen Exporte nach Deutschland im Jahr 2019 auf 3,9 Milliarden Euro, so waren es 2020 nur 750 Millionen Euro. Dieser Wert wurde allein im ersten Halbjahr 2021 mit 1,2 Milliarden Euro wieder deutlich überschritten. In Libyen ist auch das deutsche Unternehmen Wintershall Dea AG als Produzent aktiv. Nach eigenen Angaben hat das Erdölunternehmen in Libyen seit 1958 mehr als 2 Milliarden Euro investiert.

Wiederaufbau kostet Milliarden

Die negativen Auswirkungen des Bürgerkriegs auf die Öl- und Gasbranche sind gewaltig. Großer Nachholbedarf besteht bei der Wartung von Anlagen, der Erschließung neuer Ölfelder sowie der Infrastruktur in Pipelines und Häfen. Die Kosten des gesamten Wiederaufbaus des Landes belaufen sich, nach aktuellen Schätzungen des libyschen Wirtschaftsministers Salama al-Ghwel, auf umgerechnet 100 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren.

Libyen besitzt die größten, nachgewiesenen Ölreserven Afrikas, die sich nach Angaben der Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC) auf 48,4 Milliarden Barrel belaufen. Das Potenzial ist demnach riesig, das politische Umfeld und die Sicherheitslage stellen aber weiterhin große Herausforderungen dar. Zuletzt hatte es auch Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem langjährigen NOC-Geschäftsführer Mustafa Sanallah und dem Öl- und Gasminister Mohamed Aoun gegeben. Die für Dezember 2021 geplanten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen könnten das Land stabilisieren sowie die Einheit fördern und die wirtschaftlichen Aussichten verbessern. Allerdings hatte es in den vergangenen zehn Jahren schon öfters die Hoffnung gegeben, dass sich das Land stabilisiert.

Expertise aus dem Ausland gefragt

Ausländische Unternehmen sehen die Geschäftschancen im Wiederaufbau des Landes und positionieren sich bereits für neue Projekte im Öl- und Gasbereich. Die Anzahl der Delegationsbesuche hat in den letzten Monaten deutlich zugenommen. So führte die NOC beispielsweise im Juni 2021 Gespräche mit der russischen Öl- und Gasfirma Tatneft, unter anderem über Explorationsprojekte in den Regionen von Ghadames und Sirte. Anfang September 2021 machte das britische Unternehmen Petrofac bekannt, dass es einen Vertrag über 100 Millionen US$ mit der Zallaf Libya Oil & Gas Exploration and Production Company, einer 100-prozentigen Tochterfirma der NOC, abgeschlossen habe. Dabei geht es um die Erschließung des Erawin-Ölfeldes im Südwesten des Landes. Eine Verbindungspipeline zum 100 Kilometer entfernten Ölfeld al-Sharara gehört ebenso zum Auftrag. Auf ihrer Internetseite veröffentlicht die NOC Ausschreibungen zu konkreten Projekten.

Das südafrikanische Veranstaltungsunternehmen Energy Capital & Power organisiert am 22. und 23. November 2021 eine zweitägige Präsenzveranstaltung in Tripolis, um in- und ausländische Akteure der libyschen Öl- und Gasbranche zu vernetzen.

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.