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Optimismus und Skepsis begleiten geplante Lebensmittel-Holding
Polen will mehrere staatliche Lebensmittelbetriebe in einer Holding zusammenschließen. Diese soll heimische Landwirte beim Vertrieb unterstützen. Doch es gibt Bedenken.
25.01.2022
Von Christopher Fuß | Warschau
Polens Landwirtschaftsminister Henryk Kowalczyk will, dass die Dachgesellschaft Polski Holding Spożywczy (PHS) noch vor Ende des 2. Quartals 2022 ihren Betrieb aufnimmt - oder genauer: vor Beginn der Weichobstsaison. Das Ministerium für Staatsaktiva leitet die neue Firmengruppe. Bereits im November 2021 unterzeichneten beide Ministerien eine Kooperationsvereinbarung. Mehrere staatliche Agrarbetriebe treten nun unter die Aufsicht des Ministeriums für Staatsaktiva. Polens Wettbewerbsbehörde (Urząd Ochrony Konkurencji i Konsumentów; UOKiK) hat dem Zusammenschluss bereits zugestimmt.
Die neue Holding umfasst voraussichtlich 10 Lebensmittelbetriebe. Leiten wird die Firmengruppe Polens größter Zuckerproduzent, die ebenfalls staatliche Krajowa Spółka Cukrowa (KSC). Unter den übrigen Betrieben sind unter anderem mehrere Pflanzen- und Tierzüchter.
Firmenname | Tätigkeitsfeld |
---|---|
Krajowa Spółka Cukrowa | Zuckerproduktion, Obst- und Gemüseverarbeitung |
Danko | Saat- und Pflanzenzucht, Rinderzucht |
Poznańska Hodowla Roślin | Saat- und Pflanzenzucht |
Małopolska Hodowla Roślin | Pflanzenzucht |
Elewarr | Landhandel |
Kutnowska Hodowla Burak Cukrowego | Saat- und Pflanzenzucht |
Hodowla Zwierząt i Nasiennictwo Roślin Polanowice | Saat- und Pflanzenzucht, Rinderzucht |
Pomorsko-Mazurska Hodowla Ziemniaka | Kartoffelanbau |
Zamojskie Zakłady Zbożowe | Getreidemühle |
Kombinat Rolny Kietrz | Getreide- und Ölsamenanbau, Milchproduktion |
Regierung erhebt schwere Vorwürfe
Mit der Gründung der PHS will Polen auf dem heimischen Lebensmittelmarkt einen starken Teilnehmer unter staatlicher Aufsicht etablieren. Er soll Landwirte bei der Lagerung und dem Vertrieb ihrer Waren unterstützen. Die Firmengruppe wäre damit grob vergleichbar mit einer Erzeugergemeinschaft in Deutschland.
Hintergrund der geplanten Unternehmensgründung sind Vorwürfe mehrerer Regierungsvertreter. Landwirtschaftsminister Kowalczyk etwa beschuldigt große Einzelhandelsketten und verarbeitende Betriebe, sie würden ihre Marktposition ausnutzen. Polnische Landwirte seien gezwungen, ihre Waren unter Wert zu verkaufen. "Wir haben es sehr oft mit Preisabsprachen und unfairen Verträgen zu tun. Die Holding wird versuchen, solche Absprachen zu durchbrechen", erklärte der Minister auf einer Pressekonferenz im November 2021.
Im Gespräch mit der polnischen Presseagentur (Polska Agencja Prasowa; PAP) verwies er auf die Situation beim Anbau von Beerenobst: "Da die Erzeuger keine Lagermöglichkeiten haben, sind sie gezwungen, ihr Obst schnell zu verkaufen. Mit einer staatlichen Gesellschaft wird es möglich sein, Hilfe zu leisten, zum Beispiel durch Lagermöglichkeiten oder den Ankauf von Obst. Das kann einen Impuls zur Erhöhung der Preise sein."
Den Angaben der Regierung zufolge würde mit der PHS ein sichtbarer Marktspieler entstehen. Der Minister für Staatsaktiva, Jacek Sasin, schätzt, die neue Unternehmensgruppe könne Jahresumsätze in Höhe von 700 Millionen Euro generieren.
Das polnische Ministerium für Staatsaktiva verwaltet einen Großteil der Firmen im Staatsbesitz. Im Jahr 2020 hielt das Ministerium laut eigenen Angaben Anteile an 349 Unternehmen. |
Vorerst kein staatlicher Einzelhandel geplant
Vom Tisch scheint die Idee, im Rahmen der PHS ein Netz aus Einzelhändlern im Staatsbesitz aufzubauen. Die Regierung dachte zeitweise über den Kauf einer Lebensmittelkette nach. Unterstaatssekretär Andrzej Śliwka erklärte im polnischen Parlament, diese Pläne hätten aktuell keine Priorität. Er fügte aber hinzu: "Wir sprechen natürlich mit einer Reihe von Unternehmen über Verkaufsnetze oder Vertrieb."
Laut Angaben der Tageszeitung Rzeczpospolita hatte die genossenschaftliche Handelskette Społem im August 2021 Interesse an einer Zusammenarbeit signalisiert. Sie umfasst etwa 4.000 Geschäfte. Eine finanzielle Beteiligung schloss die Konsumgenossenschaft aber aus. Der Vorsitzende der Społem Landesgesellschaft, Ryszard Jaśkowski, erklärte der Rzeczpospolita: "Wir sind an einer kommerziellen Zusammenarbeit interessiert, allerdings ohne Kapitalverflechtungen. Die Genossenschaften sind in dieser Hinsicht unabhängig."
Eingriffe in den Markt befürchtet
Andere Einzelhändler reagieren skeptischer. Die Vorsitzende des polnischen Handelsverbandes (Polska Organizacja Handlu i Dystrybucji; POHiD) Renata Juszkiewicz erklärte im Interview mit der Agentur eNewsroom: "Sollte eine solche Holding-Gesellschaft entstehen, dann gehe ich davon aus, dass sie nach denselben Marktprinzipien arbeitet wie wir - ohne jegliche Unterstützung und staatliche Beihilfen, nur nach den Grundsätzen des freien Marktes und der Nichtdiskriminierung." Die Mitglieder des POHiD, zu denen auch die polnischen Töchter von Lidl und Kaufland gehören, würden bereits eng mit heimischen Landwirten zusammenarbeiten. "Über 90 Prozent der in unseren Geschäften verkauften Lebensmittel stammen von polnischen Landwirten und Produzenten", bekräftigte Juszkiewicz.
Auch Agrarverbände äußern sich zurückhaltend. Witold Boguta vom Verband der Obst- und Gemüseproduzenten (Krajowy Związek Grup Producentów Owoców i Warzyw; KZGPOiW) sagte der Zeitung Dziennik Gazeta Prawna: "In der Holding gibt es kein Unternehmen, das direkt mit Obst handelt. Bei Beeren reicht die Lagerung allein möglicherweise nicht aus. Man braucht nicht nur die richtige Infrastruktur, sondern auch überzeugende nachgelagerte Vertragspartner."
Ein Projekt mit langer Vorgeschichte
Die Idee der PHS ist nicht neu. Bereits 2018 stellte das Landwirtschaftsministerium entsprechende Pläne vor. Anschließend machte das Projekt lange Zeit keine großen Fortschritte. Dziennik Gazeta Prawna verweist auf Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Landwirtschaftsministerium und dem Ministerium für Staatsaktiva. Demnach hätte sich der ehemalige Landwirtschaftsminister Grzegorz Puda gewehrt, staatliche Betriebe unter seiner Aufsicht an das Ministerium für Staatsaktiva zu übergeben. Rechtlich war dieser Vorgang eine zentrale Voraussetzung, um die Holding gründen zu können. Das Landwirtschaftsministerium wies diese Vermutungen zurück.
Der Lebensmittelmarkt sorgt in Polen regelmäßig für Diskussionen. Im Einzelhandel dominieren ausländische Ketten aus Portugal und Deutschland. Polens Regierung wirft den Unternehmen vor, einheimische Lieferanten zu benachteiligen und Preisdumping zu betreiben. Die Unternehmen weisen die Anschuldigungen entschieden zurück. Seit Anfang 2022 gilt für Großunternehmen mit hohen Umsätzen und niedrigen Gewinnen eine neue Steuer. Beobachter glauben, die Abgabe ziele insbesondere auf den Einzelhandel.
Name | Umsatz1) | Herkunft |
---|---|---|
Biedronka | 13,6 | Portugal |
Lidl | 5,2 | Deutschland |
Auchan | 2,4 | Frankreich |
Kaufland | 2,4 | Deutschland |
Żabka | 2,3 | Polen |