Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Special | Russland | Smart Farming

Digitalisierung der Landwirtschaft in Russland

Russlands Landwirtschaft weist bei der Digitalisierung einen großen Nachholbedarf auf. Es gibt aber eine rege Entwicklerszene und enormes Potenzial für Smart-Farming-Technologien.

Von Gerit Schulze | Moskau

  • Ziele: Weniger Ernteverluste und höhere Felderträge

    Russlands Landwirtschaft eignet sich mit ihren riesigen Feldern und den finanzstarken Agrarholdings ideal für digitale Lösungen. Der Staat unterstützt den Prozess.

    Auf Russland entfällt mehr als ein Zehntel der globalen Ackerfläche. Die Hektarerträge erreichen jedoch bei vielen Getreidearten kaum die Hälfte des Wertes westlicher Industrieländer. Daraus ergibt sich ein enormes Potenzial für den Einsatz digitaler Technologien, um die Tier- und Pflanzenzucht effizienter und produktiver zu gestalten.

    Nach Einschätzung von Experten gibt Russlands Landwirtschaft bislang 1 bis 2 Prozent ihrer Investitionen für digitale Technologien aus. Das entspräche einem Wert von 50 bis 100 Millionen Euro pro Jahr. Bis 2026 sollen sich die Ausgaben laut Landwirtschaftsministerium verfünffachen.

    Erhebliches Einsparpotenzial durch vernetzte Technik

    Untersuchungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC zeigten, dass bis 2025 die massive Einführung von IoT-Lösungen (Internet of things) in der russischen Landwirtschaft zu Einsparungen von rund 470 Milliarden Rubel führen kann.

    Die Regierung erwartet, dass sich die Produktivität der Agrarbranche mit Investitionen in smarte Technologien bis 2024 verdoppelt. Das Landwirtschaftsministerium hatte 2019 ein Konzept zur digitalen Landwirtschaft mit folgenden Schwerpunkten veröffentlicht:

    • Digitales Management und Informationssysteme für die Landwirtschaft
    • Digitalisierung der Feldnutzung (Datensammlung, Prognosen, Empfehlungen)
    • Smarter Ackerbau (Automatisierte Feldbearbeitung, Ernte, Düngung, Pflanzenschutz)
    • Smarter Gartenbau
    • Smarte Gewächshäuser (Minimierung der menschlichen Arbeitskraft durch Automatisierung und Vernetzung)
    • Smarte Tierzucht (Automatisierung der Aufzucht, Fütterung, Überwachung)

    Um zu demonstrieren, welche Vorteile mit der Digitalisierung der Agrarwirtschaft einhergehen, sind 23 Pilotbetriebe geplant. Dort sollen die neuesten Technologien in großem Stil eingesetzt werden.

    Mithilfe der staatlichen Smart-Farming-Konzeption sollen bis 2024 mindestens 25 Prozent aller Investitionen der russischen Landwirtschaft in digitale Produkte fließen. Das erscheint sehr ambitioniert. Nach Angaben des Agrarministeriums lag dieser Wert 2018 erst bei 0,5 Prozent. Einem Bericht der Wirtschaftszeitung RBK zufolge wenden bislang sieben bis zehn Prozent der russischen Agrarbetriebe digitale Technologien an. In der EU hingegen wird dieser Wert auf 69 Prozent geschätzt.

    Regierung unterstützt Smart Farming finanziell

    Der Nachholbedarf ist somit groß. Die Umsetzung des Regierungskonzepts für Smart Farming kostet 300 Milliarden Rubel (rund 3,3 Milliarden Euro; Wechselkurs am 20. Mai 2021: 1 Euro = 89,83 Rubel). Die Hälfte davon soll aus dem Staatshaushalt bereitgestellt werden.

    Zur Finanzierung und Subventionierung von Investitionen in Smart Farming stehen verschiedene Institutionen bereit. Über die staatliche Landwirtschaftsbank Rosselchosbank will die Regierung maßgeschneiderte Finanzierungspakete für Agrarbetriebe bereitstellen, damit diese in digitale Technologien investieren können. Die Landwirte können sich dabei elektronisch identifizieren und Anträge online einreichen. Ab 2024 sollen Subventionen nur noch über digitale Anträge vergeben werden.

    Das Landwirtschaftsministerium vergibt im Rahmen der Agrarförderung kurzfristige und zinsgünstige Kredite für die Beschaffung von Software und anderen Produkten, die dabei helfen, die Herstellung und Verarbeitung von Agrargütern zu digitalisieren. Dazu gehören autonom fahrende Landmaschinen, automatisierte Aussaat- und Düngesysteme, der Aufbau von drahtlosen Netzwerken oder digitale Geodäsie-Ausrüstung (Anordnung Nr. 779 vom 22. Dezember 2020).

    Der Fonds für Industrieentwicklung vergibt über das Förderprogramm „Digitalisierung der Industrie“ günstige Kredite an Agrarbetriebe, die neue Technologien einführen.

    Schwieriger Zugang zu Risikokapital

    Der fehlende Zugang zur Finanzierung und Kommerzialisierung ihrer Ideen ist ein Problem für russische Start-ups, die Smart-Farming-Lösungen entwickeln. In diese Lücke springt teilweise der Staat. Der Fonds für die Entwicklung von Internet-Initiativen (FRII) steigt bei aussichtsreichen Unternehmen mit Venturekapital ein und finanziert ihr Wachstum.

    Darüber hinaus investieren russische Risikokapitalgeber in Innovationen der Landwirtschaft. Dazu gehören Skolkovo Ventures, Sistema_VC und TealTechCapital. Deutsche Gründer stehen hinter dem Moskauer Startup-Accelerator Terraforma, der in innovative Unternehmen der Lebensmittel- und Agrarbranche investiert. Ziel ist es, Startups und ihre Ideen mit Agrarunternehmen zusammenzubringen.

    Staat forciert Aufbau von Online-Datenbanken

    Das Landwirtschaftsministerium lässt derzeit verschiedene Informationssysteme aufbauen, mit denen Smart Farming erleichtert werden soll. Dazu gehören:

    • Zentrales Informations- und Analysesystem ZIAS SCh, das durch Auswertung großer Datenmengen verschiedener Behörden wie Rosstat, Zolldienst oder Wetteramt Vorhersagen zur Entwicklung der Landwirtschaft erlaubt;
    • Aufbau der einheitlichen föderalen Datenbank zu landwirtschaftlichen Flächen in Russland EFIS ZCh. Sie soll einen Überblick zum genauen Standort, zu den angebauten Kulturpflanzen, zum Zustand der Felder und zu Brachflächen bieten. Das ermöglicht eine regionale Spezialisierung auf die effektivsten Kulturen, für die es in der Nähe Transport- und Verarbeitungskapazitäten gibt;
    • Datenbank über selbstfahrende Landtechnik, die in Russland eingesetzt wird;

    Außerdem ist geplant, eine elektronische Weiterbildungsplattform „Semlja snanii“ („Land des Wissens“) zu starten. Beschäftigte des Agrarsektors sollen mit ihrer Hilfe Kompetenzen für Smart Farming entwickeln.  

    Ein wichtiger Standort für die Gründung von Startups im Bereich Smart Farming ist das Innovationszentrum Skolkowo bei Moskau.

    Im südrussischen Gebiet Rostow am Don wird darüber hinaus ab 2021 ein Forschungszentrum für die Digitalisierung der Landwirtschaft gegründet. Das „Dolina Dona“ (Don-Tal) entsteht auf dem Gelände der Technischen Universität DGTU und soll junge Unternehmen mit Steueranreizen und schnellen Genehmigungsverfahren anlocken.

    Von Gerit Schulze | Moskau

  • Agrarwirtschaft: Vom Importeur zum Global Player

    Russlands Landwirtschaft kann auf einen großen Entwicklungssprung zurückblicken. Die Regierung will den Sektor ausbauen und das Land zum großen Exporteur von Agrarprodukten machen.

    Die Landwirtschaft gehört zu den wachstumsstärksten Wirtschaftszweigen in Russland. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der angestrebten Diversifizierung der Exportstruktur. Ein Erlass von Präsident Putin sieht die Steigerung der Agrarausfuhren von 25 Milliarden US-Dollar (US$) im Jahr 2018 auf 45 Milliarden US$ im Jahr 2024 vor. Die Branche gilt als strategisch wichtig, um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.

    Embargo für EU-Produkte und schwacher Rubel helfen

    Noch vor rund einem Jahrzehnt war Russland bei vielen Grundnahrungsmitteln wie Getreide, Milch und Fleisch von Importen abhängig. Staatliche Subventionen, das russische Einfuhrverbot für Lebensmittel aus der EU und Nordamerika sowie Investitionen großer Agrarholdings haben die Situation grundlegend geändert. Der schwache Rubel verbessert die Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Agrarprodukte.

    Das größte Land der Erde ist sogar zum weltweit führenden Weizenexporteur aufgestiegen und kann sich mit Getreide, Zucker und Pflanzenöl inzwischen weitgehend selbst versorgen. Rindfleisch und Milch müssen aber weiterhin im Ausland hinzugekauft werden.

    Die Branche entwickelt sich dynamisch und hat riesiges Potenzial. Während Deutschland ein Drittel seiner Landfläche als Ackerland nutzt (11,7 Millionen Hektar), beträgt der Anteil in Russland nur 7 Prozent (116 Millionen Hektar). Deshalb sollen in den kommenden zehn Jahren weitere 10 Millionen Hektar gewonnen und mehr Brachland kultiviert werden.

    Eckdaten zur Landwirtschaft und Infrastruktur in Land

    Kennziffer

    Wert

    Einwohner (in Millionen, 1. Januar 2021)

    146,2

    Landwirtschaftliche Nutzfläche (in Millionen Hektar, 2019)

    197,8

      Ackerfläche

    116,2

      Weideland

    57,2

      Brachflächen

    4,4

    Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des BIP (in Prozent, 2020)

    4,1

    IMD Digital Competitiveness Ranking 2020 (Rang unter 63 untersuchten Ländern) 

    43

    Quelle: Rosstat; Föderaler Dienst für Staatliche Registrierung, Kataster und Kartographie; Institute for Management Development (IMD)

    Ländlicher Raum bleibt eine Problemregion

    Moskau subventioniert die Landwirtschaft jährlich mit rund 3 Milliarden Euro. Entwicklungshemmend wirken die geringe Attraktivität der Branche für Arbeitnehmer, die schlechte Infrastruktur im ländlichen Raum und die allgemeine Landflucht. Die Digitalisierung der Branche bietet ein großes Potenzial, um den Einsatz von Arbeitskräften zu verringern und den Agrarsektor zu modernisieren.

    Die Dominanz großer Holdings dürfte sich als Vorteil erweisen, um die Branche schneller zu digitalisieren. Bei der Produktion von Schweine- und Geflügelfleisch kontrollieren wenige Agrarkonzerne, die häufig auch riesige Flächen besitzen, bis zu 90 Prozent des Marktes.

    Fleischproduzent Miratorg ist laut Fachportal Agra-Europe Eigentümer von 1 Million Hektar Agrarland. Weitere wichtige Landbesitzer sind der Zuckerproduzent Prodimex mit 900.000 Hektar, der Agrokomplex N.I. Tkatschewa, die Holding Step und die Firmengruppe Rusagro.

    Auch kleine Agrarbetriebe kaufen digitale Technik

    Kleinere Agrarbetriebe produzieren häufig für den regionalen Markt. Sie haben eine starke Position bei Freilandgemüse und Obst, bei Rohmilch und Rindfleisch. Als Abnehmer für smarte Technologien sind Unternehmen mit 5.000 bis 40.000 Hektar ein interessanter Kunde, sagt Bjoerne Drechsler, Vorstand bei Ekotechnika, einem der größten Landtechnik-Händler in Russland. „Diese Betriebe haben oft keine eigene IT-Abteilung und sind auf externe Dienstleister angewiesen, um ihre Prozesse zu optimieren“, so der Marktkenner. „Die mittelgroßen Agrarfirmen wachsen meist organisch, sind schuldenfrei und finanzieren ihre Investitionen aus den gut laufenden Einnahmen.“ Damit seien sie für Smart-Farming-Lösungen eine ideale Zielgruppe.

    Ekotechnika vertreibt in Russland vor allem Ausrüstungen von John Deere, aber auch von rund 20 anderen Landtechnik-Herstellern. Bislang entfallen rund 5 Prozent des Jahresumsatzes auf Anwendungen für Smart Farming. „Kommerziell ist das noch kein bedeutender Geschäftszweig, aber die Wachstumsraten sind sehr stark“, erklärt Bjoerne Drechsler.

    Auf Pilotfeldern mit einer Fläche von insgesamt 30.000 Hektar sammelt Ekotechnika seit mehreren Jahren Erfahrungen mit digitaler Technik wie Applikationen auf Basis von Satellitenfernerkundung, N-Sensoren für die präzise Stickstoffausbringung, mit Bodenscannern, Systemen für autonomes Fahren und mit landwirtschaftlichen ERP-Lösungen (Enterprise-Resource-Planning).

    Das Unternehmen gehört zur EkoNiva-Holding, die mit 630.000 Hektar Ackerfläche und über 40 Milchbetrieben ein wichtiger Akteur in der russischen Landwirtschaft ist.

    Autonomes Fahren ist ein wichtiges Einsatzgebiet

    Drechsler sieht in Russland zwei Hauptrichtungen, bei denen der Einsatz von Smart Farming sinnvoll ist: bei automatischen Systemen und selbstfahrender Technik sowie in der Agronomie, also der Dokumentation, Planung von Düngung, Aussaat, Pflanzenschutz und Ernte. „Bislang befassen sich aber höchstens 5 Prozent der Agrarunternehmen in Russland mit digitaler Technik“, sagt der Ekotechnika-Vorstand. Die Kunden seien oft junge Quereinsteiger im Agrargeschäft. „Viele Agrarmanager dagegen sind sehr konservativ und mental nicht für den Einsatz solcher Technologien bereit.“ Dabei könnten sie Kostenersparnisse von 30 bis 40 Prozent erzielen.

    In Russland lohnt sich der Einsatz vor allem bei Feldern mit Mischböden, etwa in Sibirien oder beim Übergang von den Schwarzerdegebieten zu Sandböden. 

    Der Bedarf an digitalen Technologien in Deutschland und Russland ist nicht deckungsgleich, erklärt Alexander Haus, Experte für internationale Märkte und Technologien beim Fachverband Landtechnik im VDMA. „Zwar setzen großflächige Betriebe in beiden Ländern Lösungen für Precision Farming ein, darunter exakte Dosierungssysteme, Teilbreitenabschaltung und Controlled Traffic Farming (CTF). Deutsche Landwirte bedienen sich dabei gern digitaler Hilfen wie Farm Management Systeme, um die Bürokratie in den Griff zu bekommen.“ In Russland seien eher Überwachungssysteme nötig, „zum Beispiel, um in den Tanks die Konzentration von Pflanzenschutzmitteln zu prüfen, die häufig entwendet werden.“

    Außerdem setzen russische Landwirte Drohnen nicht nur zum Feld-Monitoring ein, sondern auch, um Pflanzenschutzmittel gezielter auszubringen. „Wegen der großen Ackerflächen gibt es mehr Pilotprojekte für Schwarmsysteme“, erklärt Experte Haus. Dabei fahren mehrere Fahrzeuge parallel nebeneinander, wobei nur eines von einer Person gesteuert wird.

    Von Gerit Schulze | Moskau

  • Marktstruktur: Starke Position bei Software und autonomem Fahren

    Russische Hersteller im Bereich Smart Farming sind vor allem bei Software, Drohnensteuerung und autonomem Fahren erfolgreich. Die Technik muss meist importiert werden.

    Start-ups in Russland forschen bislang weitgehend unabhängig voneinander an Smart-Farming-Lösungen. Eine strategische Planung, die den Bedarf des Agrarsektors und die Angebote der Technologiefirmen aufeinander abstimmt, fehlt noch.

    Immerhin erfasst das Landwirtschaftsministerium die in Russland entwickelten Lösungen für Smart Farming in einem „Katalog digitaler Lösungen“. Die Datenbank ist unterteilt in die Abschnitte Big Data/Künstliche Intelligenz, Internet der Dinge (IoT), Automatisierung und Dienstleistungen. Ende Mai 2021 waren dort 190 Anwendungen und Unternehmen eingetragen, die meisten im Bereich Datenanalyse.

    Im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums erstellt der Systemintegrator Lanit-Integrazija eine übergreifende Plattform für Smart Farming in Russland.

    Nach Einschätzung von Marktkennern entwickeln in Russland rund 20 Startups Anwendungen für Smart Farming. Sie platzieren am Markt Produkte für Enterprise-Resource-Planning (ERP), Buchhaltung und elektronischen Dokumentenaustausch. Darüber hinaus haben sie eine gute Position bei Navigationssystemen und Flächenkartierung zur optimalen Ackernutzung, Technologien für autonomes Fahren und bei der Steuerung von Drohnen. Auch bei künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen sind russische IT-Unternehmen traditionell stark.

    Einsatz von Drohnen

    Der Einsatz von Drohnen im russischen Agrargeschäft ist ein wichtiges Wachstumssegment. Mehrere Unternehmen haben sich darauf spezialisiert, unbemannte Fluggeräte an die Bedürfnisse der Landwirte anzupassen. Große Agrarholdings nutzen diese Technik bereits in der Praxis. Salathersteller Belaja Datscha setzt Drohnen mit Multispektralkameras ein, die Problemstellen auf den Feldern ausfindig machen.

    Das Sankt Petersburger Unternehmen Geoscan entwickelt Flugdrohnen und Software, die bei der Kartierung von Ackerflächen helfen und den Zustand der Anpflanzungen kontrollieren. 

    Die Agro Drone Group arbeitet an Drohnen, die dabei helfen, den Einsatz von Düngemitteln zu dosieren, die Erntereihenfolge zu bestimmen oder Moor- und Sumpfbildung vorherzusagen.

    Weitere Anbieter von Agrar-Drohnen:

    Autonomes Fahren

    Cognitive Pilot ist eines der bekanntesten Branchenunternehmen in Russland. Das Start-up entwickelt Systeme für autonom fahrende Vollerntemaschinen und Traktoren. Diese lassen sich an herkömmliche Fahrzeugmodelle anschließen und ermöglichen Effizienzsteigerungen von bis zu 25 Prozent bei der Ernte. Das gelingt mit Sensoren, die fortlaufend Hindernisse und Abweichungen von der Fahrspur erkennen, den Radlauf der Fahrzeuge messen, die Schneidkante überwachen und entsprechend reagieren. Auch der Einsatz bei schwierigen Wetterbedingungen wird vereinfacht. Im Herbst 2020 gelang bei Orenburg erstmals die vollautomatisierte Ernte eines verschneiten Maisfeldes.

    In der Erntesaison 2020 bearbeiteten russlandweit 350 Mähdrescher mit der neuen Technik eine Fläche von 160.000 Hektar. Im Jahr 2021 sollen 1.230 Kunden hinzukommen. Das Unternehmen will weltweit expandieren und hat dabei große Agrarnationen wie Brasilien, Argentinien und China im Blick.

    Auch Russlands größter Landmaschinenhersteller Rostselmasch entwickelte bereits mehrere Systeme für das autonome Fahren von Mähdreschern, Futtererntemaschinen und Traktoren.

    Precision Farming

    Ein weiteres Wachstumssegment ist die zielgerichtete Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen („Precision Farming“). Unter anderem investierte der Pflanzenöl- und Majonäsehersteller Efko in das Moskauer Unternehmen Exact Farming, das sich auf Precision Farming spezialisiert hat. Dazu gehören die Digitalisierung und Überwachung von Ackerflächen, Wetterprognosen, ein effizienterer Düngereinsatz und die Ernteplanung.

    In diesem Bereich ist auch das Unternehmen RoboProb tätig. Dessen speziell entwickelte Roboter mit Kettenantrieb entnehmen auf den Feldern Bodenproben, um so den Nährstoffgehalt zu messen.

    Ebenso beschäftigt sich Agronote mit Precision Farming. Seine Produkte kommen eigenen Angaben zufolge bereits auf 1,5 Millionen Hektar Ackerfläche in Russland zum Einsatz. Die IT-Systeme unterstützen die Aussaat, analysieren den Boden, optimieren die Ackerbearbeitung und helfen bei der Unkrautbekämpfung und Düngung.

    RoboProb und Agronote sind neben weiteren Smart-Farming-Start-ups im Innovationscluster Skolkowo bei Moskau angesiedelt, einem bedeutenden Zentrum für die Entwicklung digitaler Agrartechnologien.

    Weitere Anbieter von digitalen Technologien für die Landwirtschaft

    Unternehmen

    Produkt

    ISBC

    RFDI-Funketiketten zur Markierung von Nutztieren

    InfoBiz

    Datensammlung und Auswertung zu Aussaat-, Wachstums- und Ernteprozessen im Ackerbau

    Intterra

    Algorithmen für den Einsatz von Düngemitteln und Saatgut, Finanzierungen, Absatz- und Marketingaktivitäten

    SmartAgro

    Cloud-Lösungen zur Optimierung der Geschäftsprozesse; Analysen von Feldarbeiten und des Pflanzenwachstums

    Agrodosor

    Auswertung von Wetterprognosen und Fernerkundung der Erdoberfläche zur Planung für die Applikation von Pflanzenschutzmitteln

    Pig's Big Brother 

    Verfahren der künstlichen Intelligenz (KI) zur Optimierung der Schweinemast; Verhaltensüberwachung, Früherkennung von Krankheiten 

    Connectome.ai

    Überwachung neugeborener Kälber

    BumbTech 

    Überwachung und Steuerung des Mikroklimas in Bienenstöcken

    iFarm

    Vertikale Gewächshäuser, inklusive Softwaresteuerung des Mikroklimas und der Bewässerung

    Marktzugang

    Das Regierungskonzept für die digitale Landwirtschaft sieht vor, dass bis 2024 rund 80 Prozent aller Investitionen für Smart-Farming-Technologien in russische Produkte fließen.

    Bis dahin ist noch viel Entwicklungsarbeit nötig. Laut VDMA-Experte Alexander Haus haben deutsche Landtechnikhersteller einen großen Vorsprung bei Dosierungs- und Sätechnik sowie beim Vorgewende-Management (Randbereich der Felder zum Maschinenwenden). Auch bei der Vernetzung der Landmaschinen untereinander, mit der Zentrale und den Abnehmern sei Deutschland bislang führend, während russische Hersteller überwiegend Insellösungen anbieten könnten.

    Anders als bei konventioneller Landtechnik, wo Moskau mit hohen Entsorgungsabgaben die Importe stark verteuert, sind digitale Technologien bislang noch nicht von Einfuhrbeschränkungen betroffen. Marktkenner gehen aber davon aus, dass einheimische Hersteller bevorzugt werden, sobald sie eine gewisse Marktreife erreicht haben.

    Von Gerit Schulze | Moskau

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    AHK Russland

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Landwirtschaftsministerium

    Soll die Konzeption zur digitalen Landwirtschaft umsetzen

    Deutsch-Russischer Agrarpolitischer Dialog

    Kooperationsprojekt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zur Förderung der deutsch-russischen Zusammenarbeit im Agrarbereich

    AgTechInventum

    Plattform zum Austausch der Anbieter und Nutzer digitaler Technologien in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft

    Verband der Landtechnik-Händler ASChod

    Wichtige Vereinigung in- und ausländischer Hersteller von Landtechnik

    Fachmesse Smart Farm

    1. bis 2. Dezember 2021, Expoforum Sankt Petersburg

Dieser Inhalt gehört zu

Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.