Etwa 40 Prozent der italienischen Landwirtschaftsbetriebe wollen in den nächsten drei Jahren in die Digitalisierung investieren. Der Staat fördert den Kauf von 4.0-Ausrüstung.
Italiens landwirtschaftliche Betriebe sind in der Regel klein und stehen zahlreichen Herausforderungen gegenüber: Coronakrise, Generationswechsel, scharfer und zum Teil unlauterer internationaler Wettbewerb sowie natürliche Unwägbarkeiten, wie die Bewässerungssituation oder die Bodenstabilität der oft an Hängen gelegenen Agrarflächen. Trotz ihrer traditionellen Ausrichtung öffnen sich immer mehr Betriebe dem digitalen Wandel und erhoffen sich mehr Effizienz und Resilienz.
Bereits sechs von zehn Betrieben verwenden derzeit mindestens eine digitale Lösung, 40 Prozent mindestens zwei, 22 Prozent mindestens drei und 11 Prozent mindestens vier, das geht aus der Studie Smart Agrifood des Mailänder Politecnico hervor. Am häufigsten wurden Managementsoftware genannt (37 Prozent), es folgen Monitoring- und Kontrollsysteme für Maschinen (33 Prozent), Dienstleistungen für die Kartografierung von Anbauflächen und Böden (27 Prozent), Monitoring- und Kontrollsysteme für Anbauflächen (17 Prozent), Systeme zur Entscheidungsunterstützung (15 Prozent) und ferngesteuerte Monitoringsysteme für die Unternehmensinfrastruktur (15 Prozent).
Zwei von zehn Landbetrieben gaben an, noch im laufenden Jahr Investitionen in die Digitalisierung vornehmen zu wollen, dabei standen Monitoringsysteme für Maschinen und Instrumente zur Kartografierung von Anbauflächen ganz oben auf der Liste. Vier von zehn Landbetrieben wollen in den kommenden drei Jahren investieren, besonders in Monitoringsysteme für Maschinen und Präzisionssysteme für die Bewässerung und in ferngesteuerte Kontroll- und Monitoringsysteme.
In Farm Roboter wollen in diesem Jahr 2 Prozent und in den kommen drei Jahren weitere 4 Prozent der Betriebe investieren. Über 40 Prozent gaben aber an, keine Kenntnisse bezüglich des Marktangebotes an Farm Robotern, ferngesteuerten Monitoringsystemen oder Entscheidungssupportsystemen zu haben. Bevorzugte Informationsquellen für digitale Neulinge sind die Agrarverbände und andere Landwirte, während erfahrenere Firmen sich in spezialisierten Medien, Blogs, Social Media, auf Messen und bei technischen Lieferanten kundig machen.
Schwerpunkt: Ressourcen sparen
Den größten Nutzen von Smart Farming sehen die vom Politecnico Mailand befragten Landwirte derzeit bei der Reduzierung des Wasserverbrauchs und einer Verbesserung der Boden- und Produktqualität, zum Beispiel durch einen technologiegestützten effizienteren Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln (jeweils 3,3 von 5 möglichen Bewertungspunkten). Weitere Vorteile sind eine geringere Schädigung des Grundwassers und der Luft (3 Punkte), mehr Arbeitssicherheit, Kosteneinsparungen und höhere Erträge (jeweils 2,9 Punkte).
Gemessen an ihren eigenen Prioritäten sehen die Landwerte in digitalen Tools eine Lösung besonders bei der Düngung (4,1 Punkte, fünfthöchste Priorität), bei der Optimierung des Einsatzes von Agropharmaka (4,2 Punkte, zweithöchste Priorität) und der Optimierung der Bewässerung (4,0 Punkte, sechsthöchste Priorität). Auch bei den Themen Zurückverfolgung entlang der Produktionskette und Umweltschutz (jeweils 3, 8 Punkte) bietet die Digitalisierung nach Einschätzung der Landwirte gute Möglichkeiten, obwohl diese Punkte für die Landwirte selber keine primären Ziele sind (13. und 14. Rang).
Mittlere bis gute Bewertungen erhalten die Möglichkeiten zur Optimierung der Maschinen (3,8 Punkte), mehr Kenntnisse über das eigene Unternehmen (3,7 Punkte), eine Optimierung des Arbeitseinsatzes (3,7 Punkte), eine Aufwertung des Produktes (3,5 Punkte), eine Reduzierung des Schädlingsbefalls (3,4 Punkte) sowie als Support für unternehmerische Entscheidungen (3,4 Punkte). Für den dringendsten Bedarf - weniger Aufwand für Bürokratie, Normenerfüllung - schätzen sie den Nutzen digitaler Instrumenten eher gering ein (3,2 Punkte). Auch um die Reduzierung der Arbeitskräfte scheint es den Unternehmen bei der Digitalisierung nicht zu gehen (3,1 Punkte, 15. Priorität). Niedrig ist auch die Hoffnung auf eine Vermeidung von Wetterschäden (2,8 Punkte).
Europäische und nationale Förderinstrumente
Die italienische Regierung hat die Landwirtschaft in ihr Förderinstrumentarium für den Übergang zur Industrie 4.0 (Transizione 4.0) aufgenommen. Folglich können für Anschaffungen von digitalen Maschinen und Ausrüstung sowie für Software umfangreiche Steuergutschriften geltend gemacht werden.
Ein wichtiger Akteur für Innovationen ist das Agrar-Forschungsnetzwerk Crea (Consiglio per la ricerca in agricoltura e l’analisi dell’economia agraria), das dem Landwirtschaftsministerium zugeordnet ist. Lokale oder regionale Entwicklungsprojekte und Innovationstests finden meist im Rahmen des Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums der Europäischen Union (EU) statt. Crea koordiniert die zahlreichen Unterprojekte, zum Beispiel die Agridigit-Initative für den Test und Einsatz digitaler Instrumente, die voerst bis 2021 läuft.
Ein weiteres Instrument sind die europäischen Partnerschaften für Innovation im ländlichen Raum (EIP Agri). Hier haben sich über regionale Ausschreibungen operative Gruppen (gruppi operativi) gebildet, typischerweie bestehend aus Bauernhöfen, Agrar- und anderen Landbetrieben, Forschungszentren, Universitäten und Beratern, um gemeinsam Innovationen zu testen und zu verbreiten.
Im Zentrum der gemeinsamen EU-Agrarpolitik 2023 bis 2027 steht für Italien der Erhalt der kleinen Betriebe, besonders angesichts des Generationenwechsels, und die Belebung der ländlichen Regionen. Der Recovery Fund wird diesen Prozess mit seinem Schwerpunkt Digitalisierung und Nachhaltigkeit flankieren. Das gilt auch für das Food Coalition Programm der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Natioinen, die kleine Betriebe und resiliente Agrarketten unterstützt.
Initiativen wie "Farm to Fork" der EU erhöhen den Druck auf die Betriebe, weniger Pestizide einzusetzen und mehr biologische Produkte anzubauen, zumal die Transparenz der Lieferkette deutliche zunehmen wird.
Von Oliver Döhne
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Mailand