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Noch 2019 waren die USA der größte Warenhandelspartner der Briten. Im letzten Jahr hat sich Deutschland wieder an die Spitze geschoben - das könnte sich aber bald wieder ändern.
17.02.2021
Von Marc Lehnfeld | London
Im Coronajahr 2020 mit dem größten britischen Wirtschaftseinbruch der letzten 300 Jahre ist auch der Außenhandel entsprechend deutlich eingebrochen. Das Volumen des britischen Warenaußenhandels ist im vergangenen Jahr um 15,7 Prozent gegenüber 2019 zurückgegangen, wie aus den Daten des britischen Statistikamts hervorgeht.
Rang | Britischer Import | Anteil | Britischer Export | Anteil | Handelsvolumen | Anteil |
---|---|---|---|---|---|---|
EU | 52,1 | EU | 46,5 | EU | 50,2 | |
Rest der Welt | 47,9 | Rest der Welt | 53,5 | Rest der Welt | 49,8 | |
1 | Deutschland | 12,5 | Vereinigte Staaten | 15,2 | Deutschland | 11,7 |
2 | China | 11,5 | Deutschland | 10,2 | Vereinigte Staaten | 11,4 |
3 | Vereinigte Staaten | 9,4 | Irland | 6,9 | China | 9,7 |
4 | Niederlande | 8,6 | Niederlande | 6,4 | Niederlande | 7,5 |
5 | Frankreich | 5,4 | Frankreich | 5,9 | Frankreich | 5,7 |
Die Bundesrepublik eroberte ihren Rang als wichtigster Warenhandelspartner des Vereinigten Königreichs zurück. Diesen hatten im letzten Jahr kurzzeitig die Vereinigten Staaten eingenommen. Das liegt vor allem daran, dass der britische Außenhandel mit den Vereinigten Staaten um rund 22 Prozent deutlich stärker eingebrochen ist als der mit Deutschland (-14,9 Prozent). Schon zuvor war Deutschland seit 2002 wichtigster Warenhandelspartner der Briten.
Die Spitzenposition könnte allerdings schon 2021 wieder wechseln. Im Export profitieren britische Unternehmen von den guten Konjunkturprognosen in den Vereinigten Staaten. Die neue Zollgrenze zur Europäischen Union (EU) macht Exporte in Drittstaaten zusätzlich attraktiv, während der Margenspielraum britischer Produkte wegen der Zollbürokratie auf dem europäischen Markt leidet. Mittelfristig zu beobachten bleibt außerdem, wie stark die Wertschöpfungsketteneffekte auf der britischen Insel nach dem Brexit ausfallen. Möglich ist, dass das Königreich als High-Tech-Produktionsstandort für den EU-Markt an Attraktivität einbüßt. Das würde auch US-Unternehmen auf der Insel betreffen.
Land | in Mrd. Euro1 | in Mrd. brit. Pfund3 | Veränderung ggü. Vorjahresperiode (in %)2,3 |
---|---|---|---|
Gesamter Warenimport | 480,5 | 427,5 | -15,1 |
EU | 254,0 | 226,0 | -15,7 |
Rest der Welt | 226,5 | 201,5 | -14,5 |
Deutschland | 61,7 | 54,9 | -16,0 |
China | 60,8 | 54,1 | 15,0 |
USA | 41,2 | 36,7 | -20,9 |
Niederlande | 40,1 | 35,7 | -16,3 |
Frankreich | 26,9 | 23,9 | -23,5 |
Besonders der Faktor "Automobil" machte den britischen Importen aus Deutschland zu schaffen. Pkw stehen für rund ein Fünftel der deutschen Lieferungen an das Königreich. Weil die britischen Neufahrzeugregistrierungen aber im Zuge der Coronakrise laut Branchenverband SMMT um 29,4 Prozent auf 1,6 Millionen Pkw eingebrochen sind, fielen auch die entsprechenden Einfuhren aus Deutschland um 23,2 Prozent niedriger aus als im Vorjahr. In der Breite bleibt der Ausblick getrübt. Die umfangreichen Ladenschließungen zu Beginn des Jahres betreffen auch Autohäuser, weshalb der Fahrzeugverkauf weiter deutlich unter Potenzial bleibt. Auch wenn SMMT für die Pkw-Neuregistrierungen in diesem Jahr mit einem Anstieg um 15,7 Prozent auf unter 1,9 Millionen Fahrzeuge rechnet, reicht der Schwung nicht aus, um über den Zehn-Jahres-Durchschnitt zu steigen.
Während sich alle Kräfte der britischen Automobilindustrie auf die Erholung vom Doppelschlag durch Corona und Brexit konzentrieren, zeichnet sich die nächste Hürde ab. Die Regierung plant ein Verkaufsverbot für Verbrennungsmotoren ab 2030 einzuführen und erhöht damit den Transformationsdruck in der Branche. Auf der anderen Seite treibt das den Absatz von Elektrofahrzeugen weiter an. Schon 2020 haben sich die Neuregistrierungen von Vollelektro-Pkw mehr als vervierfacht, Plug-In-Hybrid-Neuanmeldung verdoppelten sich.
Kategorie | Einfuhrwert in Mrd. britischen Pfund2 | Veränderung ggü. Vorjahresperiode (in %)1 | Anteil am Gesamtimport aus Deutschland (in %) |
---|---|---|---|
Gesamt | 54,9 | -16,0 | 100,0 |
Pkw | 10,4 | -23,2 | 19,0 |
Kfz-Teile3 | 2,9 | -30,0 | 5,2 |
Chemie | 8,0 | -9,9 | 14,6 |
davon medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse | 2,7 | -9,4 | 5,0 |
Industriemaschinen | 6,2 | -22,6 | 11,3 |
davon als Vorleistungsgüter | 3,3 | -25,1 | 5,9 |
davon als Investitionsgüter | 2,9 | -20,0 | 5,2 |
Deutliche Schäden verursachte die Coronapandemie auch in der britischen Automobilproduktion. Die Hersteller auf der Insel haben 2020 mit knapp 921.000 Pkw 29,3 Prozent weniger produziert als im Vorjahr. Damit fiel die Branche nicht nur auf das Produktionsniveau von 1984 zurück, sondern schmälerte auch die Kfz-Teile-Einfuhren aus Deutschland, die um rund 30 Prozent eingebrochen sind. Zahlreiche Hersteller haben wegen der neuen Zollgrenze und befürchteten Lieferengpässen ihre Werksferien verlängert, weshalb die Produktion schwach ins neue Jahr startet. SMMT prognostiziert für 2021 einen Anstieg der Produktion um mehr als 8 Prozent auf 1 Million Pkw, womit die Hersteller noch etwa ein Viertel unter dem Volumen von 2019 lägen.
Die Prognose steht aber auf wackligen Beinen. Über 80 Prozent der britischen Pkw-Produktion geht in den Export, davon jeder zweite Wagen in die EU. Dabei wirkt die Zollgrenze wie Sand im Getriebe der Hersteller. Auch langfristig, denn erst die Investitionsentscheidungen britischer Produzenten werden zeigen, wie die Zukunft des Vereinigten Königreichs in der internationalen automobilen Wertschöpfungskette aussieht. Die Ankündigung von BMW ihre Produktion von Verbrennungsmotoren im Königreich und in Österreich zu bündeln, stehen nicht für Aufbruchsstimmung auf der Insel.
Der Rückgang im deutsch-britischen Handel setzt sich auch in der Außenhandelsstatistik des Statistischen Bundesamts fort. Laut vorläufigen Daten für das Jahr 2020 ist der Warenaußenhandel der Bundesrepublik mit dem Vereinigten Königreich nominal um 13,6 Prozent gegenüber 2019 auf 101,6 Milliarden Euro gefallen. Damit büßten die Briten einen weiteren Rang unter den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands ein und belegen nun den achten Platz knapp hinter der Schweiz (101,7 Milliarden Euro).
Insgesamt haben deutsche Unternehmen im letzten Jahr 15,5 Prozent weniger auf die britische Insel exportiert als noch 2019. Damit belegt das Königreich weiterhin den fünften Platz. Die deutschen Warenimporte aus dem Königreich schrumpften ebenfalls deutlich um 9,6 Prozent. Die Briten konnten ihren Rang als elftwichtigstes Herkunftsland deutscher Gütereinfuhren halten.