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Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) analysiert die globalen Auswirkungen der Corona-Gegenmaßnahmen auf die Arbeitsmärkte. Betroffen ist vor allem der informelle Sektor.
08.05.2020
Von Martin Walter | Bonn
Aufgrund der Grenzschließungen, erheblicher Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sowie des Schließens von Unternehmen mit nicht essenziellen wirtschaftlichen Aktivitäten droht ein weltweit nie dagewesener Verlust von Arbeitsplätzen. Die ILO beobachtet in ihrer Rolle als Sonderorganisation der Vereinten Nationen für die Förderung von Menschen- und Arbeitsrechten die Situation auf den nationalen Arbeitsmärkten und gibt Handlungsempfehlungen für die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik.
In ihrem Bericht vom 29. April 2020 geht die ILO von einem weltweiten Verlust von 305 Millionen Vollzeitstellen in Folge der Corona-Pandemie aus. Dies stellt einen noch düstereren Ausblick dar als die vorhergegangene Prognose von Anfang April, bei der die ILO noch von einem Wegfall von 195 Millionen Vollzeitstellen ausging. Zum Vergleich, in der Finanzkrise 2008 bis 2009 gingen weltweit nur 22 Millionen Vollzeitstellen verloren.
Für den ILO-Generaldirektor Guy Ryder sind die Auswirkungen verheerend: "Für Millionen von Arbeitnehmern bedeutet der Arbeitsplatz- und Einkommensverlust keine Nahrung, keine Sicherheit und keine Zukunft. Millionen von Unternehmen und Geschäften auf der ganzen Welt haben kaum noch Ressourcen zum Atmen. Sie haben weder Ersparnisse noch Zugang zu Krediten. Dies ist die bittere Wahrheit in der Arbeitswelt. Wenn wir ihnen jetzt nicht helfen, werden sie einfach untergehen".
Laut Daten der ILO sind weltweit mehr als 436 Millionen Unternehmen betroffen. Ein Großteil dieser Firmen sind Solo-Selbständige oder kleine Unternehmen mit weniger als neun Angestellten. Zuletzt lebten aber nur noch 68 Prozent der global Beschäftigten in Ländern mit Einschränkungsmaßnahmen. Aufgrund der Öffnung in China ist der Wert von vorher 81 Prozent gefallen.
Besonders gravierend sind die Auswirkungen immer noch auf den Dienstleistungssektor, insbesondere den Einzelhandel, das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie die Touristik- und Reisebranche. Im Bereich der informell Beschäftigten schätzt die ILO, dass bis zu 1,6 Milliarden Menschen betroffen sind, die bis zu 60 Prozent ihres Einkommens in den ersten Monaten der Krise verloren haben. Darüber hinaus haben sie keinen gesetzlichen Anspruch auf Transferzahlungen oder Krankenversicherung. Am härtesten trifft es informell Beschäftigte in Afrika und Lateinamerika. Andere Risikogruppen sind junge und ältere Arbeitnehmer sowie insbesondere Frauen. Die ILO schätzt, dass weltweit 59 Prozent der beschäftigten Frauen im Dienstleistungssektor tätig sind, während es bei den Männern nur 45 Prozent sind. Ebenfalls tragen Frauen in der Corona-Krise eine besondere Last, weil sie überproportional oft in Pflegeberufen tätig sind. Auch Arbeitsmigranten trifft die Corona-Pandemie hart, weil durch die Mobilitätsbeschränkungen ihr Weg zur Arbeit und zurück in ihre Heimatländer erschwert wird.
Ebenfalls warnt die ILO vor anderen gesundheitlichen Schäden. Stress, Isolation und Angst vor Arbeitsplatzverlust können langfristig psychische Krankheiten hervorrufen und zu Berufsunfähigkeit führen.
Die ILO ist damit beauftragt, internationale Standards aufzustellen. Dafür arbeitet sie mit Regierungen, Gewerkschaften und Arbeitgebern zusammen und erarbeitet Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten. Die ILO analysiert die weltweiten Auswirkungen der Corona-Gegenmaßnahmen auf Unternehmen und Beschäftigte in den einzelnen Ländern. Außerdem erfasst sie die von den Staaten beschlossenen Maßnahmen zum Schutz von Einkommen und Beschäftigung in einem Country Response Monitor für 188 Länder.
Viele Beschäftigte müssen in kürzester Zeit erhebliche Einkommensverluste hinnehmen. Dadurch werden die Konsumausgaben verringert und die wirtschaftliche Erholung erschwert. Der Erhalt von Arbeitsplätzen und Einkommen hat daher oberste Priorität. Die ILO empfiehlt gezielt Maßnahmen zum Erhalt von Arbeitsplätzen, unterteilt in vier Schlüsselbereiche.
Stimulierung der Wirtschaft und Beschäftigung |
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Unterstützung von Unternehmen, Arbeitsplätzen und Einkommen |
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Schutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz |
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Für Lösungen auf den sozialen Dialog setzen |
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Die Solo-Selbständigen und Beschäftigte bei kleinen Unternehmen stellen 70 Prozent der weltweiten Arbeitsplätze dar. Die ILO empfiehlt daher für die Erholungsphase gezielte Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung für diese Gruppe gekoppelt mit dem Einsatz von öffentlichen Investitionsprogrammen. In einer Veröffentlichung ihres Employment-Intensive Investment Programme (EIIP) gibt die ILO Empfehlungen zur beschäftigungsintensiven Ausgestaltung von öffentlichen Investitionsprogrammen beispielsweise in den Bereichen Infrastruktur und arbeitsintensive Technologien und bietet den Mitgliedsstaaten bei der Ausgestaltung technische Hilfe an. Ebenfalls fordert die ILO, in der Erholungsphase die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sowie den Klimawandel in den Programmen entsprechend zu berücksichtigen. Nur so lasse sich auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückkehren und nur so können die Wirtschaft und die sozialen Sicherungssysteme widerstandsfähiger gegen Krisen gemacht werden.