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Wirtschaftsumfeld | Ukraine | Verhandlungspraxis

Regeln für den Geschäftskontakt

Persönliche Beziehungen spielen im Geschäftsleben eine wichtigere Rolle als in Deutschland.

Von Fabian Nemitz | Kiew

In der Ukraine sind persönliche Kontakte sehr wichtig. Auch im Geschäftsleben läuft vieles über Bekanntschaften. Chancen, Kontakte zu knüpfen, bieten Messebesuche oder Unternehmerreisen. Wichtige Veranstalter sind die AHK Ukraine, der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und das Deutsch-Ukrainische Forum. Präsenzveranstaltungen sind seit dem Frühjahr 2020 wegen Covid-19 aber selten. Die AHK Ukraine unterstützt Firmen bei der Geschäftspartnersuche.

Eine gute Vorbereitung der Verhandlungen mit Geschäftspartnern ist wichtig. Beim ersten Treffen ist ein Austausch von Visitenkarten und Infomaterialien üblich. Da die Hierarchie eine wichtige Rolle spielt, sollte die Visitenkarte einen eindeutigen Rückschluss auf die Position ermöglichen. Termine mit langem Vorlauf sollten sich Geschäftsleute aus Deutschland vorab kurzfristig nochmals bestätigen lassen.

Imagebroschüren und Produktkataloge sollten auf Ukrainisch vorliegen. Im Geschäftsleben ist Russisch häufig immer noch die Lingua franca. Bei jüngeren Geschäftsleuten liegt Englisch aber zunehmend im Trend.

Die Pflege der Kontakte ist wichtig. Dabei sollte schriftliche Korrespondenz mit Telefonaten oder Videokonferenzen flankiert werden, um sicherzustellen, dass Mitarbeitende oder Geschäftspartner involviert sind. "Man kann nicht davon ausgehen, dass aktiv nachgefragt wird, falls etwas nicht verstanden wird oder unklar geblieben ist", sagt Alexander Markus, Vorstandsvorsitzender der AHK Ukraine.

Ablauf von Besprechungen

Besprechungen laufen in der Ukraine meist hierarchisch ab. Bei offiziellen Verhandlungen sitzen sich die Fachverantwortlichen der beiden Parteien gegenüber. In der Regel gibt es eine klare Agenda.

Deutsche Unternehmen sollten sich vorab über die formalen Kompetenzen des Verhandlungspartners informieren. Viele Entscheidungen darf nur der Generaldirektor treffen. Stellvertretende Direktoren und Abteilungsleiter haben oft nur wenige Befugnisse. Deshalb bleiben in den Verhandlungen ohne Generaldirektor häufig viele Punkte offen, die dann nachträglich geklärt werden müssen. Bei Problemen sollten deutsche Geschäftsleute konstruktive Lösungsansätze einbringen und keine offene Konfrontation mit dem Gegenüber suchen. Sachliche Kritik im Rahmen eines positiven Gesprächskontexts ist aber möglich.

Ukrainische Geschäftsleute haben bei Verhandlungen in der Regel ein großes Sicherheitsbedürfnis. Die Fachhochschule des Mittelstandes betont in ihrem Kulturguide daher die Bedeutung, Vertrauen aufzubauen. Ukrainische Geschäftspartner sehen sich darüber hinaus gerne in der Rolle des Verhandlungsführers. "Da Konzessionen nur bei Gegenkonzessionen erteilt werden, sollten im ersten Vertragsentwurf einige Punkte eingebaut werden, die man im Laufe der Verhandlungen gegebenenfalls als Konzession abgeben kann."

Da es vorkommt, dass bereits getroffene Vereinbarungen in der nächsten Runde wieder neu verhandelt werden, ist es ratsam, alle Verhandlungsergebnisse schriftlich und möglichst detailliert festzuhalten. Auf mündliche Zusage sollte man sich nicht verlassen. Um eine Vertrauensbasis mit dem ukrainischen Geschäftspartner aufzubauen, sollten deutsche Unternehmen die Aufzeichnung und Abstimmung der Verhandlungsergebnisse am besten mit einer engen telefonischen Kommunikation begleiten.

Für Verhandlungen sollten Unternehmen viel Zeit einplanen. Häufig starten diese verspätet und werden unterbrochen. Telefonate oder kurzes Verlassen sind bei Meetings üblich und sollten nicht als respektlos bewertet werden.

Im Nachgang der Verhandlungen empfiehlt es sich, den Gesprächsfaden aufrechtzuhalten. "Um beim Markteintritt erfolgreich zu sein, sollte man die notwendigen Management-Ressourcen nicht unterschätzen. Regelmäßige persönliche Besuche sind ein wichtiger Bestandteil, um ein Projekt in der Ukraine erfolgreich werden zu lassen. Dies gilt vor allem in der Startphase und bei der Suche nach neuen Geschäftspartnern. Längere Abwesenheit wird oft als mangelndes Interesse am gemeinsamen Projekt oder als nicht hinreichende Kontrolle interpretiert", erläutert AHK-Chef Markus.

Verträge gut prüfen

Ein Vertrag ist aus ukrainischer Sicht häufig nur der Beginn der Zusammenarbeit und setzt den rechtlichen Rahmen. Änderungen und Ergänzungen nach der Unterzeichnung sind kein Tabu. Vorsicht ist jedoch angebracht: "Verträge sollten sowohl auf Entsprechung mit deutschem und europäischem Recht überprüft werden als auch auf die Übereinstimmung mit ukrainischem Recht. Die Durchsetzung von Verträgen in der Ukraine ist kompliziert", führt Markus aus.

Neben professionell erstellten und gut geprüften Verträgen empfielt er den Einbau von weiteren "Haken und Ösen" in den Geschäftsbeziehungen, um die Risiken minimieren. Hierzu zählt beispielsweise eine vollständige Vorauszahlung. Große Vorsicht ist bei ungesicherten Vorauszahlungen oder Warenkrediten an nicht schon langjährig bekannte Geschäftspartner geboten.

Geschäftsessen

Nach oder auch im Laufe der Verhandlungen lädt die ukrainische Seite häufig zu einem Geschäftsessen ein. Dieses dient nicht nur der Erörterung dienstlicher Fragen, sondern auch dem besseren Kennenlernen. Die Rechnung übernimmt der Gastgeber. Eine Teilung ist unüblich. Das Trinkgeld sollte etwa fünf bis zehn Prozent betragen und ist meist nicht Bestandteil der Rechnung.

Alkohol gehört in der Ukraine zum Feiern. Jedem wird aber zugestanden, maßzuhalten. Wird Horilka (Wodka) bestellt, muss man sein Glas nicht mehr vollständig leeren. Ukrainer lieben Trinksprüche, die jedes Mal obligatorisch sind, wenn das Glas gehoben wird. Wer einlädt, bringt den ersten Toast aus. Dann folgt die Gegenseite. Der Gast sollte sich darauf mit einem witzigen, rührseligen oder philosophischem Spruch über den Geschäftspartner, die gegenseitigen Beziehungen und die gemeinsamen Geschäfte vorbereiten.


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