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Zollbericht Israel Einfuhrverbote und Beschränkungen, übergreifend

Marktchancen durch die "koscher"-Zertifizierung

Der Markt koscherer Produkte wächst und ist längst kein Nischenmarkt mehr. 

Von Karin Appel | Bonn

„Koscher“ wird häufig in reinreligiösem Zusammenhang verstanden. Dabei kann es sowohl einen Markt generieren als auch Einfuhrbeschränkungen für nicht koschere Lebensmittel auslösen.

Immer mehr Menschen interessieren sich für eine umweltbewusste und gesunde Ernährung. Labels wie „bio“, „vegan“ und „glutenfrei“ sind aus unseren Supermärkten nicht mehr wegzudenken. Aber auch „koscher“ wird für die Lebensmittelbranche immer interessanter. Gleichzeitig kann der Marktzugang durch koschere Anforderungen erschwert werden: Israel reglementiert die Einfuhr von Agrarprodukten beispielsweise besonders streng. Eine Zertifizierung, welche die Produkte als „koscher“ ausweist, ist unumgänglich.

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  • Was bedeutet "koscher"?

    Die Bezeichnung "koscher" hat man sicher schon mal gehört, aber was bedeutet sie?

    Speisegesetze, die einen besonderen Umgang mit Lebensmitteln festlegen, nennt man im Judentum „Kaschrut“. Abgeleitet davon, bedeutet das hebräische Wort „koscher“ auf Deutsch so viel wie „geeignet“ oder „rein“. Es beschreibt die Voraussetzungen, unter denen Speisen gegessen werden dürfen. Getrennt werden die Regelungen zwischen tierischen Lebensmitteln und dem Schlachtprozess, pflanzlichen Produkten und auch die Produktion und Verarbeitung der erlaubten Produkte. 
    Eine der wichtigsten Regeln im Kaschrut ist die Trennung von „Fleischigem“ und „Milchigem“. Fleisch und Milchprodukte dürfen weder bei der Produktion noch beim Verzehr kombiniert werden. Neutrale (parve) Lebensmittel wie Getreide, Gemüse und Obst dürfen dagegen beliebig mit fleischigen und milchigen Lebensmitteln gemischt werden. Geregelt wird auch, welche Produkte der einzelnen Kategorien verspeist werden dürfen. 
     

  • Die sieben Stufen von koscher

    In Anlehnung an die bekannte Lebensmittelpyramide lassen sich auch koschere Produkte als eine Pyramide mit sieben Stufen darstellen. 

    1)    Fleisch

    Möchte man koscheres Fleisch essen, dann ist es erlaubt, das Fleisch von Säugetieren, die gespaltene Klauen haben und Wiederkäuer sind, zu essen. Dazu zählen Rind, Lamm, Ziege, Schaf, Büffel, Elch und Reh. Ihr Fleisch ist für den Verzehr jedoch nur dann koscher, wenn es auch auf koschere Weise geschlachtet worden ist. Fleisch von Schweinen, Hasen, Kaninchen und Pferden ist im Umkehrschluss nicht koscher. 
    Vögel bilden eine Sonderkategorie, die Tora gibt hier eine Liste von verschiedenen Vogelarten an. Demnach sind Huhn, Pute, Ente und Gans erlaubt. Pelikan, Strauß und Storch sind verboten, wie auch alle Raubvögel.

    2)    Fisch 

    Nur Fischsorten, die Flossen und Schuppen haben, sind koscher. Meerestierarten, die keinen Rückenknochen haben, wie Tintenfisch, Muscheln, Hummer oder Krabben sind nicht koscher. Katzenfische, z.B. Pangasius und Wels sowie Seeteufel und Aal sind wegen der fehlenden Schuppen ebenfalls nicht koscher. 

    3)    Sch‘chita (koscheres Schlachten)

    Das Fleisch von koscheren Säugetieren und Geflügel gilt nur dann als koscher, wenn es auf eine besondere Weise geschlachtet, d.h. geschächtet, worden ist. Dabei soll das Tier mit einem einzigen, gezielten Schnitt im Hals von einem besonders scharfen Messer getötet werden. Zwei Hauptgründe der Sch’chita sind zum Einen, dass das Tier so wenig wie möglich leidet, und zum Anderen, dass so wenig Blut wie möglich im Fleisch bleibt. In Deutschland ist das Schächten grundsätzlich verboten.

    4)    milchig, fleischig, parve

    Nach Kaschrut lassen sich alle Lebensmittel in eine dieser drei Kategorien einordnen. Parve bezeichnet Lebensmittel ohne Fleisch- und Milchanteile, zum Beispiel Gemüse, Obst, Eier und Fisch. Brot und Kuchen, die ohne Milch gebacken worden sind, gelten auch als parve. Während milchige und fleischige Gerichte auseinander gehalten werden müssen, dürfen parve-Speisen sowohl mit Milchigem als auch Fleischigem zubereitet oder serviert werden.

    5)    Käse

    Ursprünglich war Käse wegen des Labs (wird aus Kälbermägen gewonnen, daher tierisches Produkt) nicht koscher. Mittlerweile habe man sich in weiten Kreisen jedoch darauf geeinigt, dass sich im chemischen Prozess die ursprüngliche Substanz des Labs so sehr geändert habe, dass das Lab nicht unbedingt mehr als Fleischelement anzusehen ist. Deshalb seien Hartkäse sowie Weichkäse erlaubt. Ein Beispiel dafür, wie traditionelle Kategorien mit neuer Erkenntnis in Übereinstimmung gebracht wurden.

    6)    Wein

    Heutzutage wird meist normaler Wein getrunken. Dennoch gibt es koschere Weine, sie gelten im Gemeindeleben als ein wichtiges, gemeinschaftsbildendes und traditionsbewahrendes Symbol. 

    7)    Öko-Kaschrut

    Laut der „Allgemeinen Rabbinerkonferenz“ vereinigt die letzte Stufe „die Essenz aller vorherigen Stufen mit einer modernen Sicht der Kaschrut: eine bewusste Ernährung, die auch auf einem nachhaltigen Konzept von Gerechtigkeit (Zedek) baut“. In den USA entwickeln Teile der jüdischen Lebensmittelbranche hierfür den Begriff Hechscher Zedek (Gütesiegel nach Gerechtigkeitskriterien, eine Art jüdisches fair trade). Danach sind die Produkte nur koscher, wenn zu den rituellen Kriterien zusätzlich soziale und ökologische Anforderungen angewandt wurden. Dazu zählen zum Beispiel eine faire Entlohnung der Arbeiter oder einer artgerechte Tierhaltung.
     

  • Chancen durch Koscher-Zertifizierung?

    Die Zertifizierung von Produkten bietet Unternehmen interessante Chancen, die sie sich nicht entgehen lassen sollten. 

    Koschere Produkte sind im Trend und mittlerweile zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor geworden. Neben veganen und biozertifizierten Lebensmitteln findet man in Supermärkten immer häufiger auch Lebensmittel mit einem Koscher-Zertifikat. Die Nachfrage steigt und die Zertifizierung von koscheren Lebensmitteln eröffnet Unternehmen einen neuen Markt, der in den letzten Jahren um mehr als 15 Prozent gewachsen ist.

    Gerade für einkaufende und produzierende Unternehmen in der Lebensmittel- und der Kosmetikbranche ergibt sich hieraus ein wachsender Verbrauchermarkt, der nicht zu unterschätzen ist.

    Das Koscher-Zertifikat zeigt den Verbrauchern mit nur einem Blick, dass es sich um ein vertrauenswürdiges Unternehmen handelt, welches die Verwendung unbedenklicher Roh- und Zusatzstoffe sowie höchste Hygienestandards im Herstellungsprozess lückenlos nachweisen kann. In den USA leben über fünf Millionen Juden, sodass dort der Umsatz von koscheren Lebensmitteln einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellt. Aber auch in Europa leben viele Menschen, denen die Ernährung mit koscheren Lebensmitteln wichtig ist. Israel importiert ebenfalls den größten Teil seiner Nahrungsmittel, wovon auch immer mehr deutsche Unternehmen profitieren. 

    Interessant ist vor allem auch, dass das Interesse an koscheren Lebensmitteln nicht immer zwingend religiöse Gründe hat. Heutzutage werden über 90 Prozent der Nahrungsmittel vorverarbeitet, mit anderen Produkten vermischt oder mit Zusatzstoffen angereichert. In Zeiten von Gammelfleisch-Skandalen, antibiotikaverseuchtem Fleisch und dem Einsatz von immer mehr Pestiziden bei Obst und Gemüse ist es nur nachvollziehbar, dass Verbraucher sich mehr Sicherheit wünschen. Für Gesundheitsbewusste, Bio-Konsumenten, Vegetarier und auch Veganer verspricht das Koscher-Zertifikat die Reinheit eines Produktes.

  • Wie finde ich die passende Zertifizierungsstelle?

    Wenn ein Unternehmen sich dazu entschlossen hat, koschere Produkte zu vertreiben, stellt sich die Frage, wie man den passenden Zertifizierer findet.

    Selektionsphase

    Eine Orientierungshilfe kann die Koscherzertifizierung/-organisation des/der Kunden sein. Am Anfang stehen zunächst die Fragen „Wer ist meine Kundengruppe und welche Produkte möchte mein Kunde?“. Damit kann man den anstehenden Prozess schon mal auf eine der oben genannten Stufen und die entsprechenden Anforderungen eingrenzen. Denn wie bereits beschrieben, werden Lebensmittel in die Kategorien milchig (dairy), fleischig; fischig (meat; fish) und neutral (parve) unterteilt. Darüber hinaus gibt es auch verschiedene Grade an koscher, nämlich „normal koscher“, „super koscher“ und „koscher für passover“.

    Nach diesen Anfangsfragen ist eine weitere Eingrenzung notwendig, nämlich die Frage nach meinen Zielmärkten: „Wohin möchte ich meine Produkte exportieren?“. Denn auch hier gibt es Unterschiede. Viele Zielmärkte geben vor, welches Zertifikat überhaupt ins Land eingeführt werden darf und welches nicht, es gibt individuell vorgegebenen Standards mit entsprechenden Anforderungen.

    Wenn ich meine Kundengruppe, Produktgruppe, den Zielmarkt und den erforderlichen Koschergrad eingegrenzt habe, kann ich mit der Suche nach einem passenden Zertifizierer starten. Innerhalb dieser Phase ist es hilfreich, einen Blick auf die „Association of Kashrut Organizations (AKO)“ zu werfen, denn dort findet man eine globale Liste mit international anerkannten und akkreditierten Agenturen für Koscher-Zertifizierungen. Diese sind je nach Branche und den dazugehörenden Anforderungen aufgeteilt.

    Bei der Suche nach dem passenden Zertifizierer sind einige Eckpunkte für den weiteren Prozess sehr wichtig. Dazu gehören vor allem die Punkte Kosten, Backoffice, Erreichbarkeit und wie transparent mit diesen Themen umgegangen wird. Die Zertifizierungsstelle würde zukünftig meine Produkte und meine Produktionsstätte durch einen unabhängigen Rabbiner, der auf Kaschrut spezialisiert ist, kontrollieren. Da dieser Prozess auch jede Menge Formalien und Organisation beinhaltet, ist es enorm wichtig, sich darauf verlassen zu können, dass ich jederzeit jemanden erreichen kann und die Zertifizierungsstelle gut organisiert ist.  

    Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit

    Neben den Formalien und rein organisatorischen Bereichen, ist es mindestens genauso wichtig, dass es auf menschlicher Ebene mit der ausgewählten Zertifizierungsstelle, genauer gesagt, dem Rabbiner passt. Ein respektvoller und ehrlicher Umgang zwischen Unternehmen und Rabbiner ist unerlässlich. Der Zertifizierungsprozess ist nicht immer einfach, oft steht man vor Fragestellungen, bei denen sich ein erfahrener Rabbiner besser auskennt, beispielsweise wenn einzelne Inhaltsstoffe nicht koscher sind oder man diese ersetzen muss. Seine Erfahrung sollte man nicht unterschätzen, denn selbst wenn man meint, sich wirtschaftlich besser auszukennen und einen Rabbiner diesbezüglich nicht ernst nimmt, legt man sich damit nicht zu selten selbst einen Fallstrick. Wolf-Dieter Borawitz ist Koscher- und Halal Beauftragter der Uelzena-Gruppe, kann auf eine besonders langjährige Erfahrung als Vertriebsmanager zurückblicken und kennt sich bestens bezüglich der geltenden Koscher- & Halal-Anforderungen aus. Er betonte, wie wichtig gegenseitige Ehrlichkeit und Respekt seien: „Vor allem, wenn es ein Problem gibt und man womöglich Gefahr läuft, eine gewünschte Zertifizierung nicht zu erhalten, macht es immer Sinn, ehrlich zum Rabbiner zu sein, denn nur so findet man gemeinsam die beste Lösung“.

    Ablauf

    Hat man eine passende Zertifizierungsstelle gefunden, kontrolliert diese bzw. der Rabbiner den gesamten Produktionsprozess. Wichtig ist hierbei die Trennung der unterschiedlichen Produktgruppen, der Kontakt bzw. die Trennung zwischen koscheren und nicht-koscheren Produkten und auch eine spezielle, gesonderte rituelle Reinigung der Anlagen.

    Der ganze Ablauf beginnt mit einer Analyse der Inhaltsstoffe eines Produktes, dafür muss der Einblick in die unternehmensinterne Datenbank von Rohstoffen und Inhaltsstoffen gewährt werden. Danach werden Lagerung und Produktionsprozess analysiert. In diesem Zusammenhang macht es Sinn, sich von der Zertifizierungsstelle eine Geheimhaltungsklausel unterzeichnen zu lassen, da sensible Daten in Form von Rezepturen und Ähnlichem offengelegt werden müssen.

    Sind diese Schritte geschafft und erklärt die Zertifizierungsstelle, dass alle Inhaltsstoffe und der Produktionsablauf in der Theorie koscher sind, kann ein Termin für ein Audit mit dem Rabbiner vereinbart werden. Der Rabbiner beaufsichtigt unter anderem die (rituelle) Reinigung der Anlagen.

    Die Abläufe gestalten sich dabei recht aufwändig (sofern die Kontakttemperatur des Produktes mit der Produktionsanlage 40°C übersteigt), vor allem wenn beispielsweise zunächst milchhaltige Produkte und dann neutrale Produkte hergestellt werden. Denn dann ist eine sogenannte Kascherung, eine zusätzliche rituelle Reinigung unter Aufsicht eines Rabbiners, erforderlich. Das bedeutet im Konkretfall, dass auf einen 24-stündigen Stillstand der Anlage eine weitere Reinigung - die je nach Anlagengröße sechs bis zehn Stunden dauern kann- erfolgt. „Jede Kascherung bringt daher natürlich Zeitverlust (= Produktionsstillstand) mit sich, aber auch Stress und somit höheren Verschleiß für die Anlagen. Daher ist die sorgfältige Produktionsplanung unumgänglich.“ bestätigt Wolf-Dieter Borawitz. Die Uelzena-Gruppe gestaltet die durchgängige Überwachung ihrer Produktionsabläufe im Lohntrocknungsbereich durch ein rollierendes Zeitmanagementsystem, welches ihre Produktionen wöchentlich rollierend mit einem vierwöchigen Forecast und den erzielten Produktionsausbeuten ihren Zertifizierern vorlegt. 

  • Aushändigung des Koscher-Zertifikats

    Nach erfolgreichem Audit erfolgt als letzter Schritt die Aushändigung des Koscher-Zertifikats und ein entsprechendes Siegel.

    Das Siegel nach erfolgreicher Zertifizierung kann nun auf den Produkten angebracht werden kann. Dabei kann dieses unterschiedlich ausfallen, damit der Empfänger/Kunde die Zutaten in der Ware erkennt: Bei „parve“ erscheint das Logo der zertifizierenden Koscherorganisation, bei milchigen Produkten das Logo mit einem zusätzlichen „-D“ [dairy] oder, sofern Fisch enthalten ist, das Logo plus „-F“. Das Zertifikat ist ein Jahr gültig und muss daher jährlich re-zertifiziert werden. 


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