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Branchen | Russland | Öl- & Gasindustrie

Ölkonzerne weiten Förderung aus

In Russland erschließen Unternehmen neue Ölfelder. Rosneft realisiert mit Vostok Oil das weltgrößte Förderprojekt. Der Bedarf an modernen Bohranlagen und digitalen Lösungen steigt.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Russlands Ölkonzerne nehmen gegen den weltweiten Trend die Erschließung neuer Lagerstätten in Angriff. Da vielerorts mit veralteter Technik gefördert wird, ist der Technologiebedarf enorm. Nur rund 15 Prozent der Bohrausrüstung sind weniger als zehn Jahre in Betrieb. In den kommenden Jahren werden daher rund 200 neue Bohranlagen benötigt. Dies eröffnet Absatzchancen für deutsche Lieferanten von Landbohranlagen wie Bentec, Hersteller von Pumpen wie Lewa oder Kompressoren wie MAN Energy Solutions.

Wintershall Dea zieht sich aus Joint Venture zurück

Zur Erschließung seiner Ölvorkommen setzt Russland nach wie vor auf Kapital und Expertise ausländischer Investoren. Diese reagieren unterschiedlich auf die Offerten. Shell erwägt eine Partnerschaft mit Gazprom Neft zur Erschließung des Vorkommens Meretoyakhinskoe im autonomen Kreis der Jamal-Nenzen. Das deutsche Öl- und Gasunternehmen Wintershall Dea zog sich hingegen Ende Mai 2021 aus dem Joint Venture Wolgodeminoil mit Lukoil zurück.

Aktuelle Investitionsprojekte der Onshore-Ölförderung in Russland (Investitionssumme in Millionen Euro)

Projekt / Standort

Summe

Projektstand

Unternehmen

Bau eines neuen Öl- und Gasförderzentrums, Feld Tazovskoye: 1,1 Mrd. Tonnen Rohöl / Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen

1.744,0

Geplante Inbetriebnahme: 2030

Gazprom Neft

Bau eines Innovationszentrums zur Erprobung neuer Bohrtechnologien / Sonderwirtschaftszone Nowoorlowskaja, Sankt Petersburg

34,8

Geplante Inbetriebnahme: 2023

Gazprom Neft

Bau eines Kesselhauses und Abwassertanks, einer Umspannstation, sowie von Stromleitungen / Ölfeld Ashalchinskoye, Republik Tatarstan

k.A.

Generalplaner: VNIPINeft

Tatneft

Modernisierung der Ölpumpstation Kushchevskaya, u.a. Pumpen, Filtersysteme, Tanks, Luftkühler / Region Krasnodar

k.A.

Generalplaner: Institut po projektirovaniyu magistralnykh truboprovodov; Baubeginn: April 2022

Chernomortransneft

Modernisierung des Ölfelds Jaregskoye, u.a. Pumpen, Anlagen zur Dampfinjektion, Belüftung und Stromversorgung

k.A.

Generalplaner: OOO Lukoil-Engineering

Lukoil-Komi

Bau von Infrastruktur zur Förderung von Erdöl und Erdgas für vier Lagerstätten: Hochdruckwasserleitungen, Öl- und Gaspipelines / Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen

k.A.

k.A.

Gazprom Neft-Noyabrskneftegaz

Exploration schwer erschließbarer Ölvorkommen: Seismische 3D-Untersuchungen, Explorationsbohrungen / Gebiet Orenburg

k.A.

Projekt läuft bis 2023

OOO Novye Tekhnologii Dobychi Nefti (Joint Venture von Tatneft, Gazprom Neft und Lukoil)

Übernahme der Ölförderung der insolventen Juschnaja Neftjanaja Kompanija / Gebiet Astrachan

k.A.

Förderlizenz bis 2025

Technonikol

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Rosneft startet Megaprojekt Vostok Oil

Rosneft begann 2020 mit der Umsetzung des Ölförderprojekts Vostok Oil. Die Vorkommen des Vankor-Clusters, des Pajacha-Feldes und des Zapadno-Irkinskoye-Gebiets auf der Halbinsel Taimyr im Norden der Region Krasnojarsk belaufen sich auf rund 6 Milliarden Tonnen Öläquivalent. Daneben sollen Kraftwerkskapazitäten zur Stromerzeugung, drei Flugplätze, der Seehafen Port Bukhta Sever inklusive Ölterminal mit einer Kapazität von 100 Millionen Tonnen sowie rund 800 Kilometer Pipelines in der schwer zugänglichen und unwirtlichen Gegend entstehen. Hinzu kommen 3.500 Kilometer Stromleitungen sowie 15 Ortschaften.

Das Erdöl der Taimyr-Halbinsel ist leicht (40 Grad API) und enthält nur einen geringen Schwefelgehalt von weniger als 0,05 Prozent. Die niedrigen Gestehungskosten von weniger als 3 US-Dollar (US$) pro Barrel steigern zusätzlich die Wettbewerbsfähigkeit des Rosneft-Vorhabens. Bis 2030 soll die Förderung auf 100 Millionen Tonnen pro Jahr steigen und das Öl über den Nördlichen Seeweg nach Europa und Asien transportiert werden.

Um die geplanten Investitionen von rund 125 Milliarden Euro bis 2030 stemmen zu können, holt Rosneft internationale Partner ins Boot. Im Juni 2021 verkaufte Russlands größter Ölkonzern jeweils 5 Prozent der Projektanteile an die Öltrader Vitol S.A. und Mercantile & Maritime Energy. Bereits Ende 2020 erwarb der Händler Trafigura 10 Prozent der Anteile an Vostok Oil.

Auf dem Sankt Petersburger Wirtschaftsforum 2021 unterzeichnete Rosneft 73 Verträge im Wert von etwa 7,2 Milliarden Euro. Allein für das Vorhaben Vostok Oil schloss der Ölkonzern 50 Verträge im Wert von 6,5 Milliarden Euro ab, darunter in den Bereichen Maschinen- und Straßenbau, Energieanlagen und Metallurgie. Benötigt werden 100 Bohrsysteme für 20.000 Produktions- und Injektionsbohrungen.

Aktuelle Auftragsvergaben im Projekt "Vostok Oil"

Auftrag

Unternehmen

Bau von Wasserkraftwerken

Obedinennaya Energeticheskaya Kompaniya

Projektierungsarbeiten

LenmorNIIProekt

Metallprodukte für Pipelines und Tanklager

Trubnaya Metallurgicheskaja Kompaniya

Aufbau der Stromversorgung, u. a. Gaskraftwerk "Irkinskaya", Überlandleitungen, Kraftwerksblöcke beim Ölpumpwerk Pajacha und am Hafen "Port Bukhta Sever"

InterRAO-Engineering

Logistikdienste

NorNickel

Lieferung von Straßenbaumaschinen

Obedinennaya Mashinostroitelnaya Gruppa

Catering, Herbergen

Sodexo Evroaziya

Lieferung von Lkw und Baumaschinen

Kamaz

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Ölkonzerne setzen verstärkt auf digitale Lösungen

Um ihre Effizienz bei der Erschließung und Förderung zu steigern, setzen Russlands Ölkonzerne verstärkt auf digitale Lösungen. Dadurch könne die Branche jährlich knapp 8 Milliarden Euro einsparen, schätzt das Energieministerium. Die Erschließungs- und Förderkosten könnten um 15 Prozent, die Frist für die Inbetriebnahme von Anlagen sogar um 40 Prozent gesenkt werden. Bis dato beträgt der Anteil Russlands am Weltmarkt digitaler Technologien zur Exploration und Produktion erst 5 Prozent oder 100 Millionen US$. Doch bis Ende 2021 könnte der Marktanteil auf 6 bis 7 Prozent steigen. Bis 2030 wächst in der Öl- und Gasindustrie zudem der Bedarf an Industrierobotern auf 1 Million Stück, schätzen die IT-Konzerne Yandex und JetBrains.

Rosneft entwickelt digitale Technologien für schwer erschließbare Ölreserven. Eine Lösung ermöglicht die Erstellung dreidimensionaler Modelle von Gesteinsproben, die die Bewegung ölführender Flüssigkeiten in Lagerstätten simuliert. Daneben setzt Russlands größter Ölkonzern auf KI-gestützte Systeme zur Überwachung der Bohrdaten. Schließlich will Rosneft bis 2025 von importierter Software für Geologie und Exploration unabhängig werden und diese durch eigene Produkte ersetzen.

Gazprom Neft hat einen digitalen Zwilling des Ölfelds Alexander Zhagrin im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen (Jugra) erstellt. Mithilfe der Simulationen kann das Unternehmen seine Effizienz bis Ende 2023 um rund 11,5 Millionen Euro steigern.

Lukoil setzt bei der digitalen Transformation auf die Kooperation mit Siemens. In einer digitalen Plattform soll ein End-to-End-Prozess für die Entwicklung von Rezepturen und die Qualitätskontrolle von Produkten aufgebaut werden.

Offshore-Förderung unterliegt westlichen Sanktionen

Russlands Ölförderung unterliegt Sanktionen der USA und Europäischen Union (EU). Lieferverbote gelten für Erschließungs- und Förderausrüstungen, die im Offshore-Gebiet nördlich des Polarkreises, in Meeresgebieten mit einer Wassertiefe von mehr als 150 Metern und in der Schieferöl- und -gasgewinnung eingesetzt werden. Eine ausführliche Liste enthält Anhang II der EU-Verordnung Nr. 833/2014.

Unternehmen, die Ausrüstungen oder Dienstleistungen zur Öl- und Gasförderung nach Russland liefern, benötigen einen Freibescheid. Grundsätzlich ist für die Ausfuhr der in der EU-Verordnung genannten Produkte nach Russland eine Genehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) notwendig.

Weitere Informationen finden Sie auf der GTAI-Sonderseite zu den EU-Russland-Sanktionen, auf der Webseite des BAFA sowie unter der BAFA-Hotline (T +49 6196-908-1237).

Russlands Regierung richtete im Januar 2021 beim Institut für Initiativen in den Öl- und Gastechnologien (INTI) eine landeseigene Zertifizierungsstelle für Maschinen und Anlagen im Bereich der Öl- und Gasförderung ein. Unter Umgehung von US-Normen will sich die Branche damit vor weiteren US-Sanktionen schützen. Die Abhängigkeit von Lieferanten aus dem Ausland sinkt. Vor 2014 importierte die Ölindustrie mindestens 80 Prozent ihrer Ausrüstung. Bis 2020 sank dieser Anteil auf 50 Prozent.

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