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Special Vereinigtes Königreich Digitale Wirtschaft

Digital Health im Vereinigten Königreich

Das britische Gesundheitssystem galt schon vor der Coronakrise als überlastet. Digitale Lösungen werden angesichts langer Wartelisten auf Arzttermine in der Krise attraktiver. 

Das Gesundheitssystem fällt in die Zuständigkeit der jeweiligen Landesteile England, Schottland, Wales und Nordirland. Dieser Artikel befasst sich vorwiegend mit England.

  • Digital Health im Vereinigten Königreich: Voraussetzungen und Ziele

    In der Coronakrise wird die App des Gesundheitsdienstes National Health Service (NHS) zum Dreh- und Angelpunkt der digitalen öffentlichen Gesundheitsversorgung.

    Digitales Königreich: Hohe Internetnutzung und gute Infrastruktur

    Das Vereinigte Königreich zählt zu den digitalisiertesten Ländern Europas. Im Digital Economy & Society Index (DESI) 2020 der Europäischen Union (EU) belegen die Briten den achten Platz vor Belgien und hinter Estland, haben aber seit 2018 zwei Ränge eingebüßt.

    Überdurchschnittlich hoch ist der Bevölkerungsanteil bei den Internetnutzern (95 Prozent) und bei den Onlineshoppern (91 Prozent). Deutlich öfter als im EU-Schnitt nutzen Briten Video on Demand (53 Prozent versus 31 Prozent) und Onlinebanking (81 Prozent versus 66 Prozent). In der Kategorie der digitalen öffentlichen Dienstleistungen liegt das Vereinigte Königreich zwar knapp unter dem EU-Schnitt. Dafür ist der Anteil der E-Government-Nutzer aber mit 89 Prozent (EU: 67 Prozent) vergleichsweise hoch. 

    Rahmendaten zu Digital Health im Vereinigten Königreich

    Indikator

    2019 

    Bevölkerungsgröße (2019; in Mio.)1)

    67,5

    Anzahl Ärzte pro 1.000 Einwohner (2018)2)

    2,9

    Anzahl Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner (2017)

    2,5

    Gesundheitsausgaben pro Kopf (2018; in Euro)3,4)

    3.648

    Anteil der Haushalte mit Internetzugang (in %)5)

    93,0

    Mobilfunknutzer/100 Einwohner (2018)

    118

    1) vorläufige Angabe, Schätzung bzw. Prognose; 2) vorläufig; 3) Deutsche Bundesbank-Wechselkurs 2018: 1 Euro = 0,88471 GBP; 4); reale Angabe; 5) GroßbritannienQuelle: OECD 2019; Office for National Statistics, Healthcare Expenditure - UK Health Accounts 2020, Internet Access - households and individuals 2019; ITU 2019

    Ein mögliches Risiko liegt im laufenden 5G-Rollout. Die britische Regierung bewertet ihre Haltung zum chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei derzeit neu und könnte seinen Zugang erschweren.

    Der Telekommunikationsriese Vodafone befürchtet, dass ein umfangreicher Ausschluss von Huawei die Verbreitung von 5G im Land behindert und die Insel im weltweiten Wettrennen abgehängt werden könnte. Nach Angaben der Financial Times nutzen Vodafone, BT und Three bislang schon Huawei-Technologie für ihre 5G-Netzwerke.

    Insgesamt gehört das Vereinigte Königreich dank seines großen Marktvolumens zu den höchst attraktiven Absatzmärkten für E-Health-Lösungen. Auch die Bevölkerung steht digitalen Neuheiten im Gesundheitsbereich offen gegenüber. 

    Für die Markterschließung hinderlich ist der fragmentierte Aufbau des NHS über die Landesteile England, Schottland, Wales und Nordirland sowie die dezentrale, teilweise kleinteilige Beschaffungsstruktur.

    Digital Health Index in Großbritannien *)

    Insgesamt

    Policy-Aktivität

    Digital Health Readiness

    Tatsächliche Datennutzung

    69,98

    78,50

    72,14

    59,26

    *) Daten beziehen sich auf England, also den National Health Service England (staatliches Gesundheitssystem)Quelle: Bertelsmann Stiftung 2019

    Regierungsstrategie: Digitale Sprechstunde bis 2024

    Richtungsweisend für die Digitalisierung des britischen Gesundheitssystems ist die im Oktober 2018 vom Gesundheitsministerium veröffentlichte Strategie The future of healthcare: our vision for digital, data and technology in health and care. Anstatt konkreter Projekte zeigt die Strategie vier Prioritäten auf, die verfolgt werden sollen:

    1. Infrastruktur: Die notwendige IT-Ausstattung soll unter anderem Krankenhäuser, Ärzte und Apotheken untereinander und mit Patienten verbinden. Wichtige Punkte sind dabei Interoperabilität, Datensicherheit und offene Standards. Außerdem soll die Beschaffungspraxis verbessert werden.
    2. Digitale Dienstleistungen: Die Nutzerfreundlichkeit digitaler Dienstleistung soll stärker forciert, neue Dienstleistungen stärker nachfrageorientiert entwickelt werden. Teil der Strategie ist die bereits veröffentlichte NHS App.
    3. Innovation: Ein Innovations-Ökosystem soll den NHS bei Innovation und Forschung unterstützen. Als beispielhaft gilt die Kooperation von Hampshire County Council und PA Consulting/Argenti zur Nutzung von Amazon Echo und der Alexa-Sprachsteuerung in der Altenpflege. 
    4. Fähigkeiten und Kultur: Die Belegschaft soll im Programm Building a Digital Ready Workforce geschult werden, um digitale Lösungen besser nutzbar zu machen. Das schließt auch die Entscheidungsträgerebene ein. Die NHS Digital Academy bildet dazu auch über 300 CIOs im Gesundheitswesen zur Effizienzsteigerung durch Digitalisierung aus. Der NHS zählt bereits rund 60.000 Informatiker und Digitalisierungsexperten. Es dreht sich aber nicht alles nur um Digitalisierung: Auch eine offene Arbeitskultur soll Kooperationen effektiver machen.

    Die Regierungsstrategie findet sich auch im zehnjährigen NHS Long Term Plan wieder, der die mittel- bis langfristige Ausrichtung des NHS festhält. Eine ausführliche Erklärung hält der Think Tank The King's Fund bereit. Laut Plan soll die Sekundärversorgung bis 2024 vollständig digitalisiert werden. Außerdem strebt die Strategie bis zum Geschäftsjahr 2023/2024 an, dass alle Patienten das Recht auf ärztliche Sprechstunde per Telefon oder via Internet haben. Zum Ende der zehnjährigen Periode 2028/2029 sollen die gesundheitliche Unterstützung durch Wearables und zusätzliche Software ergänzt sein.

    Videosprechstunde über die NHS App möglich

    Eine zentrale Rolle übernimmt dabei die NHS App, die sich seit Januar 2019 im Umlauf befindet. Über die App können Patienten zum Beispiel digitale Rezepte abwickeln, Hausarzttermine ausmachen und private Gesundheitsdaten einsehen. Allein für März 2020 hat NHS Digital mehr als 119.000 Neuanmeldungen erzielt. Bis zum 5. April 2020 verzeichnete die App insgesamt rund 520.000 Nutzer.

    Das Ausbaupotenzial der NHS App bleibt dennoch groß. Laut NHS England waren im Juni 2020 noch über 60,4 Millionen Patienten nicht in der App registriert. Davon verweigern 2,6 Prozent die Verwendung ihrer Daten für Forschungs- und Planungszwecke (Stand: Juni 2020). 

    Das NHS-System Spine verbindet 20.500 Gesundheitsakteure im britischen E-Health-Netzwerk. Zu seinen Bestandteilen gehören unter anderem die digitalen Patientenakten (Summary Care Record, SCR), der Informationsaustausch von Patientendaten zwischen den Akteuren des Systems über GP Connect und das digitale Rezept (Electronic Prescription Service, EPS). 

    Die Coronakrise beschleunigt dabei die Digitalisierung des Gesundheitssystems. So wurde kurzerhand der Zugang der Ärzte auf die digitalen Krankenakten deutlich erweitert. Auch digitale Sprechstunden sind seit Anfang Juni 2020 in größerem Stil möglich.

    Institutioneller Dreh- und Angelpunkt für die Digitalisierung des englischen Gesundheitssystems ist die im Juli 2019 geschaffene Einheit NHSX, die die Kooperation zwischen dem Gesundheitsministerium, den fusionierten Einrichtungen NHS England und NHS Improvement, sowie der Einheit NHS Digital verbessern soll. 

    Weitere Informationen zu den digitalen Dienstleistungen des NHS

    Von Marc Lehnfeld | London

  • Digital Health im Vereinigten Königreich: Marktchancen

    In der Coronakrise profitiert die britische Insel von ihrem E-Health-System. Viele Probleme zeigen aber auch den großen Bedarf nach mehr Digitalisierung. 

    Das Marktforschungsunternehmen LaingBuisson beziffert den britischen Markt für Digital Health und IT-Lösungen auf umgerechnet etwa 5,7 Milliarden Euro. Der Fokus liegt auf dem staatlichen Gesundheitsdienst National Health Service (NHS), da der private Sektor lediglich 285 Millionen Euro am Marktvolumen ausmacht. Wie im Kapitel Marktzugang beschrieben, ist für den Zugang zum NHS ein gutes Netzwerk und Erfahrung mit den komplexen Strukturen des britischen Gesundheitsdienstes nötig.

    Wie attraktiv der große Abnehmer für digitale Lösungen ist, beweist der NHS einmal mehr in der Coronakrise. Die Nutzung digitaler Lösungen im Gesundheitswesen ist rasant gestiegen. Die interne Kommunikation über NHSMail stieg von rund 6.800 Chats am 22. März 2020 auf mehr als 243.900 Chats am 26. März 2020. Die Zahl der Nutzer der NHS App hat sich im März 2020 mit insgesamt 119.500 registrierten Bürgern im Vergleich zum Februar mehr als verdoppelt. 

    Digitale Triage benötigt - Videosprechstunden boomen

    "Alle Aktivitäten des NHS sind derzeit auf die Bekämpfung des Coronavirus und die Entlastung des NHS gerichtet. Große Hoffnungen liegen auf digitalen Lösungen", erklärt Neil Roberts, COO von SEHTA. "Aus meiner Sicht benötigt der NHS dringend digitale Lösungen für die Triage und das Medikamentenmanagement. Auch Videosprechstunden sind gefragt wie nie."

    Die digitale Triage zielt vor allem auf Patienten mit chronischen Erkrankungen, die bei den derzeit langen Wartelisten besser priorisiert werden müssen. Laut Schätzung der NHS Confederation, dem Sprachrohr der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, wird die Warteliste von derzeit 4,2 Millionen ausstehenden Terminen bis Weihnachten auf rund 10 Millionen anwachsen. Hinzu kommen die Maßnahmen zur Infektionskontrolle, die laut der Konföderation die Kapazität des Gesundheitssystems auf 60 Prozent reduziert haben. Bereits drei regionale NHS Organisationseinheiten nutzen die Möglichkeit der digitalen Triage ihrer Patienten über die App des Dienstleisters Babylon. 

    Durch die Ausgangsbeschränkungen und die Angst vieler Patienten vor dem physischen Besuch der Arztpraxis ist die Nachfrage nach telemedizinischer Betreuung deutlich gestiegen. Laut dem Berufsverband Royal College of General Practitioners (RCGP) haben in den vier Wochen bis zum 12. April 2020 die hausärztlichen Sprechstunden mit Patienten zu 71 Prozent per Telefon stattgefunden. Wegen der schlechten IT-Ausstattung von Hausärzten und auch, um Heimarbeit für Ärzte anzubieten, die sich in häuslicher Isolation befinden, fordert RCGP eine schnelle technische Aufrüstung der Praxen sowohl für Videosprechstunden als auch für sichere VPN-Verbindungen von zu Hause. 

    Bereits Ende März 2020 wurden elf Anbieter aus dem Pool der beim Procurement Hub des NHS vorqualifizierten Zulieferer ausgewählt, darunter auch der Marktführer eConsult. Der Anbieter von Praxismanagement-Systeme versorgt nach eigenen Angaben bereits 3.051 Arztpraxen mit der Möglichkeit von Online-Sprechstunden. Andere größere Technologieanbieter für Videosprechstunden sind Docly, TPP, askmyGP, Visiba Care und Push Doctor. Insgesamt sind 7.016 Arztpraxen in der Primärversorgung Englands registriert. Der Beschaffungsprozess des NHS unterstreicht die Wichtigkeit, beim britischen Gesundheitsdienst als Anbieter qualifiziert zu sein.

    Der Nachfrageboom nach Videosprechstunden schiebt aber auch private Dienstleister an. Das 2013 gegründete Londoner Start-up Babylon Health gehört ebenfalls zu den vom NHS qualifizierten Anbietern von Lösungen für digitale Sprechstunden. Das Unternehmen bietet auch jenseits des öffentlichen Systems privatwirtschaftliche Gesundheitsberatung an. Über ein Quartals- beziehungsweise Jahresabo können sich Kunden Beratungen als Flatrate-Paket buchen. Trotz Wachstum auf dem privaten Gesundheitsmarkt zeigt die Entwicklung bei Babylon Health auch Probleme auf. Anfang Juni wurden technische Schwächen im Babylon-System öffentlich, bei der ein Nutzer aufgenommene Videosprechstunden Dritter einsehen konnte. Der Datenzugang durch Dritte konnte nach Unternehmensangaben mittlerweile gesperrt werden.

    HSLI-Regierungsprogramm für rund 466 Millionen Euro

    Zu den großen Investitionsrahmenprogrammen der Regierung gehören neben dem GP IT Futures framework und dem Health Systems Support Framework (siehe Marktzugang) auch das Health System Led Investment (HSLI) Programm von 2018. Aus dem etwa 466 Millionen Euro umfassenden Budget entfällt die Hälfte auf das letzte, derzeit laufende Investitionsjahr 2020/2021. Die Mittel stehen für Digitalisierungsprojekte der über 40 regionalen Zusammenschlüsse, den sustainability and transformation partnerships (STPs) zur Verfügung und zielen auf sechs nationale Prioritäten ab:

    1. Systemübergreifende Inbetriebnahme von elektronischen Patientenakten
    2. Ausweitung der Kapazitätsplanung in Krankenhäusern, zum Beispiel bei der Bettenauslastung
    3. Verbesserung einer flexiblen Personaleinsatzplanung
    4. Verbesserung der Informationsverfügbarkeit durch Echtzeitdaten im nicht-akuten Bereich
    5. Verbesserter Zugang zu klinischen Informationen für Ambulanzen und nicht-akute Bereiche
    6. Informationsaustausch im Gesundheits- und Pflegebereich

    Ein Nachfolgeprogramm ist noch nicht bekannt.

    Gesundheits-Apps durch Corona auf dem Vormarsch

    Die Nachfrage nach Gesundheits-Apps ist in der Coronakrise deutlich gestiegen. Die von Public Health England im Zuge ihres Bewegungsprogramms zur Verfügung gestellte "Couch to 5k"-App wuchs zwischen März und Juni mit 858.000 Downloads gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 92 Prozent.

    Die Marktchancen für Apps steigen mit der Unterstützung durch den NHS oder die im Kapital Marktzugang erwähnte Zertifizierung deutlich, zum Beispiel für die NHS App Library. Laut Einschätzung von SEHTA-COO Neil Roberts könnten Ärzte schon in den nächsten 12 bis 18 Monaten in der Lage sein, Apps per Rezept zu verschreiben. Schon jetzt sei allerdings die Empfehlung der Hausärzte für Apps ein wichtiger Absatztreiber. 

    Ausgewählte Informationsportale zu Digital Health im Vereinigten Königreich

    Healthcare IT News

    DigitalHealth

    HSJ for healthcare leaders

    ComputerWeekly.com

    GPonline

    Von Marc Lehnfeld | London

  • Digital Health im Vereinigten Königreich: Marktzugang und Wettbewerb

    Der britische Gesundheitsmarkt ist für deutsche Anbieter wegen seiner Marktgröße interessant. Die komplexe Beschaffungsstruktur des NHS erfordert Geduld bei der Marktbearbeitung.

    Marktzugang NHS: Komplexe Beschaffungsstruktur

    Der größte Kunde auf dem britischen Markt für digitale Gesundheitslösungen ist zweifelsohne der öffentliche Gesundheitsdienst National Health Service (NHS). Das Problem dabei: Der NHS ist nicht zentral über das gesamte Königreich organisiert, sondern dezentral über seine Landesorganisationen in England, Schottland, Wales sowie Nordirland. Und auch innerhalb des größten Versorgers, NHS England, sind Struktur und Beschaffung sehr dezentral organisiert, was die Marktbearbeitung deutlich erschwert.

    Das Potenzial hingegen ist groß: Bis zum Geschäftsjahr 2023/2024 steigt das Budget für den Gesundheitsdienst in England von derzeit rund 138 Milliarden Euro (2019/2020) jährlich um rund 5 Prozent auf circa 169 Milliarden Euro. Mittelaufstockungen sind nach der verheerenden Gesundheitskrise durch den Coronavirus nicht ausgeschlossen. 

    Auch bei der IT-Beschaffung des NHS sind die Beschaffungsvolumen zwar beeindruckend, der Prozess hingegen komplex. Die Verbesserung der Kommunikationsinfrastruktur für rund 450 Millionen Pfund im GP IT Futures framework wird über einen qualifizierten Kreis von 69 Zulieferern abgewickelt. Die Modernisierung und Vereinheitlichung der Kommunikationsinfrastruktur mit Krankenhäusern, Ärzten und weiteren Einrichtungen für rund 700 Millionen Pfund wird im Health Systems Support Framework über ein ähnliches Vorqualifizierungsmodell abgewickelt. Über die öffentlichen Zuliefererlisten wird für die Wettbewerbsanalyse auch deutlich, welche Anbieter bereits an den NHS liefern.

    Zulieferer können sich zwar auch direkt bei NHS Digital registrieren. Die Beschaffung digitaler Dienstleistungen und Produkte wird allerdings von den NHS Trusts und den regionalen Clinical Commission Groups (CCGs) eigenständig organisiert. Um den Marktbedarf und Beschaffungswege besser abschätzen zu können, lohnt sich die Vernetzung über die 15 regionalen Academic Health Science Networks (AHSN), die als regionale Forschungsnetzwerke die Akteure des Gesundheitswesens mit kommerziellen Anbietern und der öffentlichen Verwaltung verbinden. Ein Fokus liegt auf der Digitalisierung und der Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen im britischen Gesundheitswesen.

    Wer von den öffentlichen Ausschreibungen für digitale Produkte und Dienstleistungen profitieren möchte, sollte sich intensiv mit der Szene vernetzen, um im richtigen Moment positioniert zu sein. Hilfreich ist dafür zum Beispiel das Health-Tech-Netzwerk South East Health Technologies Alliance (SEHTA), das regelmäßig Veranstaltungen offline und online organisiert sowie über die Beschaffungswege des NHS und Zulassungsvoraussetzungen informiert. 

    Ausgewählte Digital-Health-Unternehmen im Vereinigten Königreich

    Firma (Sitz)

    Umsatz 2018 (in Millionen Euro)1,2)

    Mitarbeiter

    Schwerpunkt

    EMIS Group (Leeds)

    181,23)

    1.666

    Digitale Patientenakten, IT-Infrastruktur

    The Phoenix Partnership (TPP, Leeds)

    64,94)

    165

    EDV-Systeme (SystmOne)

    IMS MAXIMS (Milton Keynes)

    5,7

    59

    Software für digitale Patientenakten

    Microtest Health (Bodmin)

    k. A.

    k. A.

    GP Connect Anwendungen

    Babylon Healthcare Services Limited (London)

    5,6

    261

    Digitale Arztpraxis

    BenevolentAI Limited (London)

    7,7

    146

    KI-Unterstützung für Pharmaforschung

    Totalmobile (Belfast)

    14,73)

    83

    Software as a Service (SaaS)-Anwendungen für Gesundheitspersonal

    1) falls nicht anders angegeben; 2) durchschnittlicher Jahreswechselkurs laut Deutsche Bundesbank 2018: 1 Euro = 0,88471 Pfund Sterling (£); 2019: 1 Euro = 0,87777 £; 3) Geschäftsjahr 2019; 4) Geschäftsjahr endend März 2019Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Produktentwicklung über offene Programmierschnittstellen möglich

    Wichtig beim Marktzugang sind außerdem die Kenntnisse über die benutzten Standards und Programmierschnittstellen (API) des NHS England.

    • Ausführliche Erklärungen zu den APIs, einschließlich Registrierung und Tutorials, veröffentlicht NHS Digital hier.
    • Für die digitalen Patientenakten sind diese Regelungen zu beachten. 
    • Der NHSX bündelt Informationen zu den benutzten Standards hier
    • Die rechtlichen Vorgaben zur Registrierung medizintechnischer Geräte fasst die zuständige Behörde Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) hier zusammen.
    • Für Softwareentwickler besonders wichtig ist dieses Schema, um einschätzen zu können, wann gesundheitsbezogene Anwendung unter die Zulassungspflicht für Medizintechnik fallen.

    Unklar ist im Zuge des Brexits und der offenen Verhandlungen über ein britisch-europäisches Freihandelsabkommen noch, welche Zulassungsvoraussetzungen im Vereinigten Königreich ab dem 1. Januar 2021 gelten werden. Insgesamt sollten Entwickler für den britischen Markt den Code of Conduct for data-driven health and care technology des Gesundheitsministeriums beachten.

    Um marktreifen Apps eine hohe Vertrauenswürdigkeit auf dem britischen Markt zu verleihen, können Unternehmen diese nach eingehender Prüfung in der App-Bibliothek des NHS listen lassen. Knapp hundert Programme sind auf der Plattform zu finden, die ihre Bewerbung auf der NHS Library in einem vierstufigen Prüfverfahren erfolgreich absolviert haben. Die externe Prüfung der App führt der private Anbieter Orcha für den NHS durch, darüber hinaus auch App-Reviews nach eigenen Qualitätsstandards.

    Ausblick: Coronavirus beschleunigt Digitalisierung des NHS

    Das britische Gesundheitssystem galt schon vor der Coronakrise als stark überlastet und wurde von der Pandemie härter getroffen als die Gesundheitssysteme der meisten europäischen Länder. Das umfangreiche E-Health-System des NHS hat durch die Krise eine noch größere Bedeutung bekommen. Die Akzeptanz der Bevölkerung für digitale Lösungen wird im Zuge der aufgestauten Terminlast zunehmen.

    Noch können Gesundheitsdaten von Drittanbietern nicht in die digitale Patientenakte eingespeist werden. Eine solche Öffnung der Akte für Datenimporte wird aber seit 2015 angestrebt. Dafür steht die nötige datenschutzrechtliche Gesetzgebung noch aus. Allerdings werden Patienten- und Gesundheitsdaten schon in anonymisierter Form für die kommerzielle Forschung genutzt, vor allem mithilfe künstlicher Intelligenz. Die Rahmenbedingungen und Projektbeispiele, unter anderem mit Amazon Alexa und Googles DeepMind, fasst dieses Briefingdokument des britischen Unterhauses zusammen.

    Marktzugang NHS: Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkung

    NHS England

    Landesorganisation des öffentlichen Gesundheitsdienstes für England

    HSC Northern Ireland

    Landesorganisation des öffentlichen Gesundheitsdienstes für Nordirland

    NHS Scotland

    Landesorganisation des öffentlichen Gesundheitsdienstes für Schottland

    NHS Wales

    Landesorganisation des öffentlichen Gesundheitsdienstes für Wales

    NHS Trusts

    Übersicht aller Organisationseinheiten des NHS

    Clinical Commission Groups (CCGs)

    Übersicht aller CCGs

    Academic Health Science Networks (AHSN)

    Regionale Forschungsnetzwerke

    South East Health Technologies Alliance (SEHTA)

    Health-Tech Netzwerk

    Von Marc Lehnfeld | London

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    GTAI-Brexit-Informationsportal 

    Brexit-Informationen von Germany Trade & Invest

    Deutsch-Britische Industrie-und Handelskammer

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Department of Health & Social Care

    Ministerium für Gesundheit und soziale Betreuung

    NHS England

    Staatliches Gesundheitssystem in England

    NHS Supply Chain

    Online-Portal für das Beschaffungswesen im staatlichen Gesundheitssystem NHS

    NHS Digital

    Verantwortlich für die Umsetzung der Digitalisierung in der Gesundheit und sozialen Fürsorge im staatlichen Gesundheitssystem

    Digital Catapult Center

    Cluster für Digitalisierung aus dem staatlichen Catapult-Programm

    Digitalisierungsadressen im Gesundheitssystem

    Weitere Einrichtungen in der Digitalisierung des britischen Gesundheitswesens

    SEHTA 2020 International MedTech Expo & Conference

    Online-Konferenz für Medizintechnik, Diagnostik und Digitalisierung am 28. September 2020

    Digital Healthcare Show

    Fachmesse für digitales Gesundheitswesen; nächster Termin: 27. bis 28. August 2021; ExCel, London

    Digital Health Technology Show

    Fachmesse für digitales Gesundheitswesen; nächster Termin: 16. bis 17. März 2021; Business Design Centre, London

    The Future Health Show

    Fachmesse für unterer anderem Medizintechnik, Informationstechnologie und Netzsicherheit; nächster Termin: 17. bis 18. März 2021; ExCel, London

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