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Branche | Ägypten | Öl, Gas

Auch Ägypten und Israel sollen russisches Gas ersetzen

Ägypten soll israelisches Erdgas verflüssigen und nach Europa verschiffen. Unklar ist, ob in relevanten Mengen.

Von Sherif Rohayem | Kairo

In ihrer Pressemitteilung vom 15. Juni 2022 berichtet die Europäische Kommission über den Abschluss einer Absichtserklärung zwischen der Europäischen Union (EU), Ägypten und Israel. Gegenstand dieser Erklärung ist die Lieferung von Flüssiggas (Liquefied Natural Gas - LNG) in die EU. Es ist vorgesehen, israelisches Erdgas in Ägypten zu verflüssigen und dann nach Europa zu verschiffen.

Aus europäischer Sicht gestaltet sich die Lage bei den großen Gaslieferanten gegenwärtig schwierig: So ist der weltgrößte LNG-Produzent Katar durch langfristige Verträge an asiatische Abnehmer gebunden. Erdgaslieferungen aus Algerien nach Spanien sind vor dem Hintergrund des Westsahara-Konflikts mit Unsicherheiten behaftet, und der Brand einer texanischen Verflüssigungsanlage wird auch die US-amerikanischen Lieferungen mindern. Daher richtet sich der Fokus nun auch auf Lieferanten aus der "zweiten Reihe" - wie zum Beispiel Ägypten und Israel, die zwar weniger Gasreserven haben, gemeinsam aber doch einen Beitrag leisten könnten.

Ägypten ist das einzige Land mit LNG-Anlagen im östlichen Mittelmeer

Der ägyptische Beitrag ist in erster Linie der Transport des Energieträgers. Denn es gibt weder eine israelisch-europäische Pipeline, noch besitzt Israel Anlagen zur Gasverflüssigung. Dagegen stehen in Ägypten zwei LNG-Anlagen - eine in Damietta, eine weitere in Idku. Deshalb leitet Israel seit Anfang des Jahres 2020 über eine Pipeline Erdgas an die ägyptische Nordküste, wo es verflüssigt und in die Weltmärkte verschifft wird. 

Nach diesem Muster beabsichtigt Ägypten, sich als regionaler Knotenpunkt für Erdgas zu etablieren. Bis dato ist es das einzige Land in der östlichen Mittelmeerregion mit Verflüssigungsanlagen. An deren Nutzung sind auch Griechenland und Zypern interessiert. Beide Länder planen, ihre Gasfelder über Pipelines mit Ägypten zu verbinden. Wie das israelische Gas soll es dort verflüssigt und reexportiert werden.  

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Israel und Ägypten könnten bis zu 10 Prozent russisches Gas ersetzen

Aus Sicht der EU hat Ägypten den Vorteil, dass es LNG kurzfristig verfügbar machen kann. Denn im Gegensatz zu anderen Exporteuren verkauft Ägypten den Großteil seines LNG an Spotmärkten und nicht im Rahmen langfristiger Lieferverträge. Auf diese Weise exportierte Ägypten im Jahr 2021 6,6 Millionen Tonnen LNG. Diese Menge könnte bei voller Auslastung der beiden LNG-Anlagen auf jährlich 12,2 Millionen Tonnen nahezu verdoppelt werden. Laut einer Analyse der Economist Intelligence Unit (EIU) von Mitte Mai 2022 könnten so kurzfristig 10 Prozent der russischen Gaslieferungen ersetzt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass Ägypten den Großteil seiner LNG-Lieferung von Asien nach Europa umleitet und seine Verflüssigungsanlagen mithilfe der israelischen Lieferungen auslastet.

Ägyptische Gasförderung ist rückläufig

Auch Ägypten soll gemäß der dreiseitigen Absichtserklärung Gas liefern. Allzu große Mengen sind allerdings nicht zu erwarten. Zwar beliefen sich im Jahr 2019 die Überschüsse auf 6 Milliarden Kubikmeter - immerhin etwa 3,7 Prozent der russischen Gaslieferungen. Dennoch: Seit dem vierten Quartal 2021 sinkt die ägyptische Erdgasproduktion. Mit Ausnahme des Zohr-Gasfelds im Mittelmeer sieht der Nachrichtendienstleister MEES bei allen anderen ägyptischen Gasfeldern rückläufige Fördermengen, weil die Reserven zur Neige gehen.

Ägypten konnte nur mithilfe der Importe aus Israel seine LNG-Ausfuhren auf einem konstanten Niveau halten. Diese summierten sich in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres auf 2,5 Millionen Tonnen. Auch die Anfang 2022 vergebenen Konzessionen für die Exploration von Öl und Gas dürften keine Trendumkehr einleiten. Um Exportkapazitäten freizumachen, werden in Ägypten mittlerweile einige Stromkraftwerke mit Öl statt Erdgas befeuert. Denn die Weltpreise für LNG haben mittlerweile die Ölpreise überholt. Laut einem Artikel von Bloomberg kostete im März 2022 das Erdgas-Äquivalent zu einem Barrel Öl 600 US-Dollar.

Gaslieferungen aus Israel sind entscheidend

Um in die Nähe relevanter Mengen zu gelangen, kommt es entscheidend auf die israelischen Gaslieferungen an. In dem 2018 geschlossenen und später modifizierten Vertrag verpflichten sich die Betreiber der beiden größten israelischen Gasfelder, Leviathan und Tamar, den ägyptischen Verflüssigungsanlagen im Zeitraum von 2020 bis 2034 insgesamt 85,3 Milliarden Kubikmeter (billion cubicmeter - bcm) Erdgas zu liefern. Da im vergangenen Jahr nur um die 4,3 bcm ankamen, ist es das erklärte Ziel, jährlich 7 bcm Erdgas zu liefern.

Zunächst gelangte das Gas nur durch die East Mediterranean Gas Pipeline nach Ägypten, seit Februar 2022 aber auch über Jordanien durch die Arab-Pipeline. Auf diese Weise erreichten die israelischen Erdgaslieferungen laut MEES im ersten Quartal 2022 ein Volumen von umgerechnet etwa 1,4 bcm. Dieser Rekordwert wird in den folgenden Quartalen steigen, weil Gas nun über den gesamten Zeitraum durch die beiden Pipelines nach Ägypten ankommt.

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Wenn Israel seine Liefermenge aus dem März 2022 konstant hält, könnten spätestens im Jahr 2023 über 7 bcm Erdgas in Ägypten verflüssigt werden. Mit den ägyptischen Überschüssen kämen so circa 10 bcm zusammen, was knapp 6,2 Prozent der russischen Lieferungen in die EU entspricht. Der Nachrichtendienst Bloomberg schätzt die ägyptischen LNG-Ausfuhren sogar bereits für 2022 auf umgerechnet 11 bcm.

Für Europa sind derartige Mengen zwar kein Befreiungsschlag, immerhin aber ein kurzfristiger Beitrag, der mittelfristig größer werden dürfte. Denn Israel will seine Erdgasproduktion erhöhen. Um größere Mengen nach Ägypten zu transportieren, sollen zwei neue Pipelines gebaut werden. Dazu hat Israel kürzlich neue Konzessionen ausgeschrieben. Dieses Gas wäre aber erst langfristig verfügbar. Langfristig sind auch die Pläne der EU, erneuerbare Energien über grünen Wasserstoff aus Ägypten zu importieren. Schließlich sollen die ägyptischen Stromüberschüsse durch Interkonnektoren Europa versorgen. 

Israelische Erdgasförderung und -exporte (in Milliarden Kubikmeter)

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Förderung

9,7

10,4

11,3

11,3

16,1

19,4

Exporte

0

0,1

0,1

0,2

4,3

7,1

Quelle: EIU 2022


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