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Branchen | Ägypten | Abfallentsorgung, Recycling

Steigende Müllmenge verlangt nach Lösungen

In Ägypten fehlt ein landesweites Müllsammelsystem. Strukturelle Probleme verhinderten bisher eine schnelle Entwicklung des Abfallsektors. Dennoch entstehen mehr Projekte.

Von Friedrich Henle | Berlin

Im Januar 2022 bezifferte der ägyptische Minister für lokale Entwicklung, Mahmoud Shaarawy, den im Jahr 2021 eingesammelten Müll auf insgesamt 47 Millionen Tonnen. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge fallen im Land jedoch 95 bis 100 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr an. Damit ist ein Hauptproblem des Abfallsektors in Ägypten schon beschrieben: Zu wenig Müll wird registriert und eingesammelt, fachgerecht deponiert oder wiederverwertet. Vielmehr landet er auf den Straßen, in der Natur und auf illegalen Müllkippen.

Gesetzgebung kommt ein Stück weiter

Der Bedarf nach einer Strukturierung und Modernisierung des ägyptischen Abfallsektors ist demnach hoch. Die Regierung will den Sektor reformieren und hat 2020 ein neues Abfallwirtschaftsgesetz (Nr. 202/2020) verabschiedet. Am 22. Februar 2022 sind die entsprechenden Ausführungsbestimmungen zum neuen Abfallwirtschaftsgesetz im ägyptischen Gesetzblatt veröffentlicht worden.

Die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen sehen Investitionsanreize und andere Maßnahmen vor, um Müllsammler, kleine Unternehmen, private Auftragnehmer und Recyclingzentren zu ermutigen, sich der formellen Wirtschaft anzuschließen. Die Regulierungsbehörde für die Abfallwirtschaft (WMRA - Waste Management Regulatory Authority) wird gestärkt und mit der Ausarbeitung einer nationalen Strategie zur Abfallwirtschaft beauftragt. Diese und weitere Bestandteile der neuen Gesetzgebung sollen dafür sorgen, dass das Abfallaufkommen begrenzt wird und das Recycling an Bedeutung gewinnt.

Das Thema könnte im Laufe des Jahres 2022 auf der politischen Agenda noch weiter nach oben rücken: Die ägyptische Regierung möchte es während der Klimakonferenz im November 2022 in Scharm El-Scheich (COP27) mit ihren Partnern verhandeln.

Ägyptens Müllmenge und -struktur nicht genau erfasst

Für die Entsorgungswirtschaft in Ägypten gibt es wenige zuverlässige Daten. Viele Quellen enthalten widersprüchliche Schätzungen der Abfallmengen, unabhängig von ihrer Art. Das ist auch der großen Rolle des informellen Sektors geschuldet. Geschätzte 26 Millionen Tonnen an Siedlungsabfall entstehen jedes Jahr. Organische Abfälle machen etwa die Hälfte davon aus. Im Siedlungsabfall befinden sich laut einer Studie der UNIDO zwischen 3,6 und 5,4 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle.

Landwirtschaftlicher Müll von insgesamt etwa 38 Millionen Tonnen wird nur unzureichend genutzt. Des Weiteren schlagen medizinische Abfälle jedes Jahr mit etwa 3,5 Millionen Tonnen zu Buche. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) schätzt, dass die Abfallmenge jährlich um 3,4 Prozent zunimmt - noch stärker als das ohnehin hohe Bevölkerungswachstum von 1,8 Prozent.

Laut ägyptischem Umweltministerium verfügt das Land offiziell über 28 Recyclinganlagen. Nach Plänen des Ministeriums soll sich diese Zahl in den nächsten Jahren verdoppeln. Geplant sind auch neun zusätzliche Müllumladestationen und 20 neue Mülldeponien.

Wenig große Projekte im Bereich Abfall und Recycling

Da die Abfall- und Recyclingwirtschaft in Ägypten noch nicht so weit entwickelt ist, halten sich Projektankündigungen privater Unternehmen in Grenzen. Einige Unternehmen haben jedoch trotz der Herausforderungen und der bisher unklaren rechtlichen Rahmenbedingungen ihren Platz in der Branche gefunden.

Ein Beispiel ist die ägyptische Firma BariQ, die sich selbst als einen der größten Player für das PET-Recycling in Ägypten bezeichnet. Das Unternehmen hat bereits von Finanzierungen der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) profitiert. Im Februar 2022 unterzeichnete das Unternehmen einen Vertrag mit dem norwegischen Technologieanbieter Tomra, um eine weitere Recyclinganlage zu errichten. Deren Kapazität soll 35.000 Tonnen recyceltes PET im Jahr betragen.

Ausgewählte Projekte im Abfallbereich in Ägypten

Projektbezeichnung

Investitionssumme (Mio. US$)

Projektstand

Projektträger

Waste-to-Hydrogen-Anlage in East Port Said

3.000

Studienphase

H2-Industries

Bau und Upgrade von Mülldeponien im Rahmen des Projekts „Kitchener Drain Depollution“

150

Studienphase; Auftragsvergabe geplant: 4. Quartal 2022

Egypt Ministry of Water Resources and Irrigation

Recyclinganlage für Elektronikschrott in Sadat City

12,7

Durchführung; Fertigstellung geplant: 4. Quartal 2022

Recycle Key

Recyclinganlage für Kunststoffabfälle in Gizeh

unbekannt

Fertigstellung geplant: 1. Quartal 2023

BariQ; Hauptauftragnehmer: TOMRA Group (Norwegen)

Quelle: MEED Projects März 2022; Recherchen von Germany Trade & Invest


Bei einem im Februar 2022 angekündigten Großprojekt des US-Unternehmens H2-Industries in East Port Said am Suezkanal sollen mittels Thermolyse aus etwa 4 Millionen Tonnen Bio- und Kunststoffabfällen pro Jahr rund 300.000 Tonnen Wasserstoff erzeugt werden. Die Anlage hätte eine Leistung von 1.000 Megawatt. Wird das Vorhaben umgesetzt, könnte ein signifikanter Teil der jährlich anfallenden Müllmenge Verwendung finden.

Auch große internationale Unternehmen wie Dow Chemicals, Nestlé, Coca-Cola oder Henkel arbeiten in Ägypten in kleineren, lokalen Recyclingprojekten. 

Start-ups engagieren sich für das Thema

In den letzten Jahren sind immer mehr Start-ups und zivilgesellschaftliche Initiativen in der ägyptischen Abfallwirtschaft entstanden. So hat das Unternehmen Bekia ein Online-Tauschsystem entwickelt, über das recycelfähiger Müll gegen Güter des täglichen Bedarfs eingetauscht werden kann. Die Firma Plstka bietet eine ähnliche Dienstleistung an. Baramoda will die Kompostierung landwirtschaftlicher Abfälle voranbringen. Ebenso entstehen Upcycling-Initiativen, um etwa Plastikabfälle in Mode umzuwandeln. Insgesamt dürften diese Initiativen das ägyptische Abfallmanagement nicht gravierend verändern, dafür aber ein Bewusstsein in der Bevölkerung für effizientes Ressourcenmanagement schaffen.

Ausländische Partner unterstützen die Branche

An der Gestaltung und Finanzierung eines moderneren ägyptischen Entsorgungs- und Recyclingsystems wirken auch internationale Partner mit. So ist die GIZ seit vielen Jahren in die Weiterentwicklung der institutionellen Rahmenbedingungen in Ägypten involviert. Die KfW finanziert Investitionen in die Abfallinfrastruktur wie beispielsweise Deponien, Umladestationen oder Müllsortieranlagen.

Im Oktober 2021 beantragte die ägyptische Regierung ein Darlehen über 10 Millionen US-Dollar bei der Weltbank, um im Raum Kairo ein Abfallwirtschaftsprojekt durchzuführen im Bereich Elektroschrott und medizinische Abfälle. Die EU finanziert seit 2013 auch in Ägypten über die Initiative SwitchMed die Förderung einer Kreislaufwirtschaft im südlichen Mittelmeerraum. Daneben unterstützen weitere Partnerländer und -banken, wie beispielsweise die EBRD, entsprechende Projekte.

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