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Äthiopiens Pharmamarkt hat eigene Vertriebsregeln

Patienten im Elend, Umsätze im Minus: In Äthiopien fehlen Dollar für Medikamente. Ausländische Hersteller sehen eher aus der Ferne zu. Sie könnten einen Wachstumsmarkt verpassen. 

Von Ulrich Binkert | Bonn

Äthiopiens Pharmamarkt wächst langfristig kräftig. Die bislang schlechte Versorgung zeigt das Potenzial an: Die über 120 Millionen Einwohner im Land mit der zweitgrößten Bevölkerung Afrikas verbrauchten 2015 Medikamente im Wert von gerade einmal 450 Millionen US-Dollar (US$). Diese Umsätze sollen bis 2025 auf immerhin gut 1,3 Milliarden US$ steigen. 2030 könnten es sogar 3,7 Milliarden sein, wobei dies eine über fünf Jahre alte Prognose der Ethiopian Investment Commission ist und die meisten Marktzahlen nicht gesichert sind. 

Wachstumsbranche mit Umsatzdelle

Aktuell läuft es weniger gut für die Branche. Bis 2021 stiegen die Importe, die den größten Teil der Nachfrage abdecken, noch deutlich. Die Datenbank UN Comtrade registrierte für medizinische und pharmazeutische Produkte (SITC 54) 821 Millionen US$, im Jahr darauf noch 793 Millionen US$. Für 2023 liegen noch keine Einfuhrdaten vor. Die EU als wichtige Lieferantin verzeichnete bei ihren Branchenexporten 2023 aber einen Einbruch um ein Drittel. Immerhin konnte Deutschland laut Eurostat seine Lieferposition halten. Die Daten sind allerdings wenig aussagekräftig: Die meisten Lieferungen der EU gehen über Belgien und Luxemburg.

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Grund des Einbruchs ist der weiter verschärfte Mangel an Fremdwährung. Bei strenger Devisenbewirtschaftung durch den Staat kommen private Firmen kaum an Dollar für Importe. Ein befragter Apotheker wartet seit vier Jahren darauf. In der Branche vergeben die Behörden die wenigen Devisen ganz überwiegend an den Ethiopian Pharmaceuticals Supply Service (EPSS). Die zentrale staatliche Beschaffungsagentur versorgt die öffentlichen Krankenhäuser und Apotheken. 

Absatzkanäle mit Untiefen

Der Anteil des Vertriebs über den EPSS wird mit rund drei Vierteln angegeben. Hinzu kommen geringe Beschaffungen der Provinzbehörden (Health Bureaus), die dem Vernehmen nach aber kaum Devisen dafür aufbringen können. Einige Branchenvertreter taxieren den EPSS-Anteil höher, andere schreiben dem Privatmarkt eine größere Dynamik zu und eine Beteiligung von eher einem Drittel. Private Apotheken verkaufen zudem einiges unter der Hand, behauptet ein Insider. Sie können Medikamente theoretisch ebenfalls über die EPSS beziehen. Die scheitert aber regelmäßig am Devisenmangel. 

Ausländische Hilfsorganisationen wie das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und das Entwicklungsprogramm (UNDP) beschaffen ihre Medikamente für Äthiopien dem Vernehmen nach über ihre zentrale Beschaffungsabteilungen im Ausland. Finanzierungen durch die Weltbank oder andere Geber gehen demnach üblicherweise an die EPSS.

Bei vielen Medikamenten schließt der Staat eine offizielle Devisenzuteilung de facto aus. Maßgeblich dafür ist eine Beschaffungsliste des EPSS. Die Behörde beschränkt ihre Einkäufe darin auf lediglich 359 Medikamente. Dabei stuft eine weitere EPSS-Liste 659 Präparate als "essenziell" ein. Darin sind noch nicht einmal gebräuchliche Mittel etwa gegen Krebs enthalten. Die Listen seien zudem veraltet und enthalten viele Moleküle nicht, sagt Ruth Deneke von der Branchenberatung CHS Advisory. Dies zwinge die Behörde zu Einzelfallentscheidungen. 

Im Ergebnis versuchen sich etliche Importeure und Apotheken ihre Dollar verstärkt auf dem Schwarzmarkt zu beschaffen. Dies fördert die Korruption und treibt die Preise für die Patienten, die oft ganz leer ausgehen.

Der EPSS beschafft Arzneien per Ausschreibung. Ein Anbieter im Ausland muss sein Angebot dafür über eine in Äthiopien ansässige Firma einreichen. Die Mehrzahl der Ausschreibungen beschränken sich angesichts der geringen inländischen Produktion auf ausländische Lieferanten ("ICB").

Die Apothekenlandschaft ist geprägt durch Einzelgeschäfte. Größte Kette ist die staatliche Kenema Pharmacy, deren Filial-Anzahl Beobachter im niedrigen dreistelligen Bereich ansiedeln. Daneben gebe es ein rundes halbes Dutzend kleiner Ketten. Die größte davon sei Gishen mit 10 bis 50 Geschäften, so abweichende Angaben. 

Ausländische Pharmaanbieter machen sich rar in Äthiopien

Bayer hat ein eigenes Büro in Addis Abeba, ist unter den internationalen Pharmaherstellern damit aber eher eine Ausnahme. Die ausländischen Lieferanten arbeiten nach Angaben von Ruth Deneke üblicherweise mit mehreren örtlichen Vertretern zusammen. Ein Partner alleine könne wegen der Devisenbeschränkungen nur begrenzt Umsatz erzielen. Die Vielzahl dieser Vertriebspartner, die untereinander wenig kommunizierten, mache den Markt zusätzlich unübersichtlich. Gefragt sei hier mehr Koordination durch die ausländischen Hersteller.

Vertriebspartner in Äthiopien wiederum vermissen generell Unterstützung durch ihre ausländischen Lieferanten. Das gelte namentlich bei Ausschreibungen durch den EPSS. Gerade deutsche Anbieter hätten keine Mitarbeiter, die hier unterstützen könnten. Der Kontakt laufe über externe Firmen oder Angestellte in Nairobi oder Dubai, die sich mit tatkräftiger Unterstützung zurückhielten.

Lokale Vertriebspartner hoffen auf mehr Unterstützung

Bei einer Kontaktaufnahme per Mail nach Deutschland, so eine andere Stimme aus der Branche, bekomme man praktisch nie eine Antwort. Man müsse die Partner schon kennen oder im Rahmen einer offiziellen Veranstaltung treffen. Die große Bedeutung von Verbänden in Deutschland sei äthiopischen Vertriebspartnern oft nicht bewusst. Das deutsche Desinteresse indes gelte für Firmen und Verbände gleichermaßen. 

Kontakte

Organisation

Anmerkungen

Ministry of HealthGesundheitsministerium

Ethiopian Pharmaceuticals Supply Service (EPSS)

Beschaffungsbehörde

Ethiopian Food and Drug Administration

Regulierungsbehörde, früherer Name: Food, Medicine and Health Care Administration and Control Authority (FMHACA)

Ethiopian Pharmaceuticals Suppliers & Manufacturers Sectoral Association (EPSMSA)

Herstellerverband; hat laut Presse 24 Mitglieder

Ethiopian Pharmaceutical Association (EPA)

Berufsverband

Delegation der Deutschen Wirtschaft für Ostafrika

Für Äthiopien zuständige Auslandshandelskammer in Nairobi

Quelle: Recherche von Germany Trade & Invest 2024

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