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Branchenbericht Afrika, übergreifend Beratung, Planung und Forschung, übergreifend
Bonn (GTAI) - In der Aus- und Weiterbildung in Afrika herrscht Aufbruchsstimmung. Digitalisierung, Wagniskapital sowie ein Mix aus lokalen und internationalen Anbietern verändern das Bildungswesen.
04.02.2020
Sie heißen Obami, OkpaBac oder AhadooTec - digitale Lernangebote für den afrikanischen Kontinent. Entwickelt wurden sie von dortigen Unternehmen für den heimischen Markt. Sie stehen damit im Wettbewerb mit westlichen Anbietern wie Coursera, Udemy oder OpenLearn. Ihnen gemeinsam ist: Per App oder Internetseite sollen Kinder und Jugendliche auch jenseits afrikanischer Ballungszentren am Smartphone, Tablet oder PC lernen, studieren oder Berufstätige sich weiterbilden können.
Spielerische Ansätze - Stichwort Gamification - sollen helfen, die Lernenden bei der Stange zu halten und den Lernerfolg zu verbessern. "Ganz entscheidend ist dabei, Lehrer in Afrika digital aus- und weiterzubilden. Sie müssen lernen, über digitale Angebote die Lerninhalte besser aufzubereiten", sagt Rebecca Stromeyer, Gründerin der Fachmesse eLearning Africa. An der Messe in der ivorischen Wirtschaftsmetropole Abidjan nahmen mehr als 900 Bildungsexperten aus 72 Ländern teil.
Neben Anbietern aus Europa und Nordamerika sind inzwischen auch chinesische Unternehmen in Afrikas Bildungsmarkt unterwegs. So arbeitet die chinesisch-französische Weidong Cloud Education Group mit der Regierung in der Republik Kongo zusammen. Ziele sind die Digitalisierung der höheren Bildung und der Aufbau einer virtuellen Universität.
Die Beispiele zeigen: Internationale Konzerne und lokale Start-Ups wetteifern um den wachsenden Bildungsmarkt in Afrika. Auf dem Kontinent entwickelt sich ein wahres Ökosystem an Apps und Angeboten zum Lernen. Wie bei anderen digitalen Angeboten auch, geht es um die Etablierung von Plattformen: das nächste Uber, diesmal für Bildung. Dann winkt später vielleicht das große Geschäft. Denn die Umsätze im afrikanischen Bildungsmarkt steigen Jahr für Jahr.
Nach Angaben der Weltbank haben inzwischen vier von fünf Kindern in Subsahara-Afrika die Chance, mindestens eine Grundschule zu besuchen. Länder wie Nigeria, Simbabwe, Kenia und Ghana verfügen mittlerweile über ein relativ gut entwickeltes Bildungswesen. Aber in Krisenstaaten wie der Demokratischen Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik oder dem Südsudan sind Schulen - wenn vorhanden - schlecht ausgestattet, Lehrkräfte ungenügend ausgebildet und bezahlt, das Ausbildungsniveau mangelhaft und zu wenig praxisorientiert.
Selbst innerhalb einzelner Länder wie Nigeria können die Bildungsangebote regional stark unterschiedlich sein. Vor allem die Kluft zwischen Stadt und Land ist vielerorts enorm. Insgesamt mache das Bildungswesen in Afrika aber Fortschritte, darin sind sich viele Experten einig. Digitale Angebote sind da sicherlich kein Allheilmittel. Aber es entwickelt sich in Afrika ein teilweise grenzüberschreitender Markt jenseits klassischer Bildungseinrichtungen - und als dessen Ergänzung.
Besonders in Südafrika haben die Trends im digitalen Bildungssektor einen Boom ausgelöst. Wieviel Geld mittlerweile im Spiel ist, zeigt die Übernahme des südafrikanischen Anbieters GetSmarter. Für mehr als 100 Millionen US-Dollar wurde das Unternehmen vom amerikanischen Großkonzern 2U aufgekauft. Ein weiteres erfolgreiches Start-Up aus Südafrika ist Lesson Desk. Es gilt mittlerweile als einer der größten Anbieter von eLearning-Programmen im südlichen Afrika. Auch auf dieser Plattform können sich Berufstätige mit interaktiven Lerninhalten weiterbilden.
Deutsche Anbieter können mit solchen Größenordnungen noch nicht mithalten, aber auch sie sind in Afrika aktiv: Das saarländische Unternehmen IMC ist bislang vor allem in kleineren und weniger entwickelten Märkten des Kontinents tätig. Mit seiner Lernplattform GO-GA hat es nach eigenen Angaben bislang mehr als 60.000 Schüler in Zentralafrika erreicht. Die Lernplattform wird dort von hunderten Lehrern eingesetzt und erlaubt die Steuerung virtueller Experimente für MINT-Fächer, beispielsweise den Bau eines Schaltkreises oder mathematische Übungen.
Ursprünglich wurde das Angebot unter dem Namen GoLab im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union (EU) für Schüler und Lehrer in Europa entwickelt und finanziert. Seit 2018 wird es mit EU-Mitteln auch erfolgreich in mehreren afrikanischen Ländern eingesetzt. "Unser Konzept sind Unterrichtseinheiten des selbstständigen Lernens und Interagierens. Sie erlauben das Vorbereiten, Durchführen und Nachbereiten eines virtuellen Experiments und sind nicht nur Links zu Videoseiten", sagt IMC-Vorstand Christian Wachter. "Das wichtige ist, die Lehrkräfte vor Ort in die Lage zu versetzen, die Inhalte für den Unterricht aufzubereiten. Der Lehrgegenstand muss auf das jeweilige Lernnutzungsverhalten vor Ort angepasst werden."
Eine Präsenz vor Ort und die richtigen Partner sind für den Erfolg solcher Projekte entscheidend. "Man muss das Land und Kultur kennen, die Abläufe verstehen und sich einbringen. Und man braucht gute Partner. Das ist für den geschäftlichen Erfolg entscheidend", sagt Christian Zange, Geschäftsführer und Mitgründer von think modular in Wien.
Gemeinsam mit der österreichischen E-Learning Beratungsfirma common sense und im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) entwickelt sein Team unter anderem eine eLearning-Plattform für die Mitarbeiter der Afrikanischen Union. Außerdem berät es das Bildungsministerium in Malawi (MoEST) zur Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie bei der Ausbildung von Grundschullehrern.
Die GIZ schickt mittlerweile mit Atingi eine eigene Lernplattform ins Rennen um die Gunst der Wissenshungrigen in Afrika. Entwickler können auf dieser Plattform mit dazugehöriger App ihre digitalen Lernangebote kostenfrei anbieten. Der Fokus liegt auf Fort- und Weiterbildungsinhalten für Schulabsolventen oder Mitarbeiter kleiner Betriebe. Angeboten werden Themen für Landwirte oder technische Informationen für Mitarbeiter in Kleinbetrieben. "Dadurch sollen technologische und methodologische Standards gesetzt werden, die von Entwicklungsprojekten genutzt werden", sagt Projektleiter Volker Lichtenthäler.
Die mit Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit entstandene Plattform will damit eine Messlatte für digitale Bildungsangebote setzen. Und sie soll auch Gruppen erreichen, die für kommerzielle Anbieter nicht interessant sind. Die auf Atingi angebotenen Lerninhalte werden dabei für die Nutzung online wie offline verfügbar sein. Schritt für Schritt sollen sie nicht nur auf Englisch, Französisch, Portugiesisch und Arabisch abgerufen werden können, sondern auch in afrikanischen Sprachen wie Hausa oder Swahili.
Weitere Informationen zu Wirtschaftslage, Branchen, Geschäftspraxis, Recht, Zoll, Ausschreibungen und Entwicklungsprojekten in Afrika können Sie unter http://www.gtai.de/afrika abrufen.