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Wirtschaftsumfeld | Afrika | Konnektivität

Chinas "Schuldenerlass" für Afrika in der Kritik

Afrika steuert wie andere Weltregionen auf eine Schuldenkrise zu. Nun hat der große Kreditgeber China einen Schuldenerlass angekündigt. Ein PR-Coup?

Von Ulrich Binkert | Bonn

Am 19. August 2022 verkündete China für 17 afrikanische Länder den Verzicht auf die Rückzahlung von 23 zinslosen Krediten. Die einzelnen Staaten sind nicht aufgeführt, ebenso wenig der insgesamt erlassene Betrag. Wie viel dies sein könnte, haben Forscher der Boston University jetzt versucht abzuschätzen. Bei den bekannten chinesischen Krediten über insgesamt 54 Milliarden US-Dollar (US$), die zwischen 2000 und 2012 an Afrika vergeben und bis Ende 2021 fällig wurden, kamen sie auf einen Erlass von höchstens 610 Millionen US$. Dies entspräche lediglich gut 1 Prozent der Kreditsumme, der untere Rand der Schätzungen (45 Millionen US$) gar nur 0,1 Prozent.

Afrikas Schuldenproblem spitzt sich zu

Die chinesische Ankündigung kommt in einer Zeit, in der Sri Lanka und andere Entwicklungs- und Schwellenländer auf eine Schuldenkrise zusteuern. In Subsahara-Afrika hat sich laut Weltbank das Verhältnis von Auslandsschulden zu Exporteinnahmen zwischen 2011 und 2020 fast verdreifacht, von 70 auf 205 Prozent. Viele Länder hatten sich in Zeiten international niedriger Zinsen umfangreich verschuldet, als sich Kapitalanleger auf der Suche nach Rendite auch in riskante Länder vorwagten. Nach der Zinswende in den Industrieländern fließt nun weniger Kapital zu, höhere Zinsen und ein starker Dollar verteuern die Rückzahlung, und hohe Preise für Nahrungsmittel, Energie und andere Rohstoffe engen den Finanzierungsspielraum weiter ein.

Keine Anzeichen für internationalen Schuldenschnitt

Vor diesem Hintergrund mehren sich die Rufe nach einem Schuldenerlass für die ärmsten Länder in Afrika. Dafür jedoch sieht Thomas Url vom österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo keine Anzeichen. Die Weltbank etwa zähle auf ihrer Webseite die Verschuldungsproblematik aktuell nicht mehr zu ihren Top-Prioritäten, anders als noch vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. "Das ist auch richtig so. Geber müssen die Länder jetzt prioritär bei der Sicherung der Nahrungsmittelversorgung unterstützen", findet Url.

Angesichts zahlreicher Umschuldungen ist dabei nicht immer klar, wann eigentlich von einem Schuldenerlass oder -schnitt die Rede sein kann. "Ein Schuldner wird dies offiziell immer zu vermeiden suchen", sagt der Journalist und Finanzmarktanalyst Christian Hiller von Gaertringen vom Portal "Africa Partners". Und fügt hinzu: "Die Ratingagenturen stufen das als Zahlungsausfall eines Landes ein, das dann nur noch ganz schwer an den Kapitalmarkt zurückkommt."

Auch die Kreditgeber haben an offenkundigen Schuldenerlassen kein Interesse, sagt Wifo-Forscher Url. Sie würden eher die Laufzeit von Krediten verlängern und Zinsen nachträglich senken. "Das lässt sich im Heimatland politisch besser verkaufen", so Url. Mit seinem "Schuldenerlass" vom August prescht China nun zumindest medial nach vorne, ungeachtet der offenbar sehr überschaubaren tatsächlichen Nachlässe.

China verlangt nur halb so hohe Zinsen

Bezogen auf alle Entwicklungsländer ist China laut Weltbank inzwischen der größte offizielle Kreditgeber. Von den 696 Milliarden US$ Auslandsschulden afrikanischer Staaten Ende 2020 entfielen jedoch nur 12 Prozent auf staatliche und private Kreditgeber in China. Das schrieb die Nichtregierungsorganisation Debt Justice kürzlich mit Verweis auf die Weltbank-Schuldenstatistiken. 52 Prozent kämen von Regierungen und multilateralen Gebern, 35 Prozent von privaten Kreditgebern. Außerdem verlangten die Chinesen mit durchschnittlich 2,7 Prozent nur gut halb so viele Zinsen wie private Kreditgeber aus anderen Ländern (bi- und multilaterale Quellen: rund 1,4 Prozent).

Wie viele Schulden hat Beijing ausstehen?

Allerdings ist ein großer Teil der chinesischen Auslandskredite gar nicht bekannt. Die Weltbank taxiert den Anteil, der in ihren Schuldenstatistiken nicht auftaucht, auf rund die Hälfte. Beijing ist bislang kein Mitglied des Pariser Clubs von 22 meist westlichen Ländern, die sich bei Umschuldungen oder anderen Verhandlungen mit Gläubigern abstimmen. China, so der Vorwurf, will sein Geld vor allen anderen in Sicherheit bringen. "Solange es verdeckte Schulden gibt, finanzieren die teilnehmenden Länder die verdeckten Gläubiger", formuliert es Thomas Url. Und ergänzt: "Das verhindert eine internationale Einigung über den Schuldenschnitt."

Zudem würde China zwar häufig Schulden aus zinslosen Krediten streichen, dabei geht es aber laut Weltbank - ähnlich wie bei der jüngsten Initiative - meist um sehr kleine Summen. Seit 2008 habe China zwar öfter Schulden umstrukturiert als alle Staaten des Pariser Clubs zusammen, zu einem tatsächlichen Erlass sei es bei den Transaktionen aus den Jahren 2000 bis 2019 aber bei weniger als einem Zehntel der Kredite gekommen. Bei den Staaten des Pariser Clubs und auch bei privaten Kreditgebern habe dieser Anteil eher bei zwei Dritteln gelegen. Für 33 chinesische Schuldenumstrukturierungen 2020 und 2021 war den Autoren kein einziger Schuldenschnitt bekannt.

China wiederhole damit alte Verhaltensmuster: Bis zur Jahrtausendwende und nach Beginn der Schuldenkrise der Entwicklungsländer in den 80er-Jahren hätten öffentliche wie private Gläubiger aus dem Westen kaum Schulden erlassen. Die Staaten hätten auch nur sehr restriktiv über ihre Kreditvergaben informiert.

Chinesen kooperieren mehr mit anderen Kreditgebern

Inzwischen gibt es aber Anzeichen, dass China mehr mit anderen staatlichen Gläubigern kooperiert, angesichts der Zuspitzung der Schuldenkrise: Die Großmacht in Fernost unterstützte im November 2020 das "Common Framework"-Abkommen für so eine Zusammenarbeit zwischen Pariser Club und den G20-Staaten der führenden Wirtschaftsmächte, denen China angehört. Ein erstes Abkommen dieser Art umfasste einen 1,4 Milliarden schweren Deal mit Sambia, für das China der größte offizielle Kreditgeber ist. Davor hatte China zusammen mit den anderen G20-Staaten im Mai 2020 eine Initiative verabschiedet mit dem Ziel, für die ärmsten Staaten auf deren Bitte hin, den Schuldendienst aus bilateralen Darlehen auszusetzen.

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