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Nach der Zinswende: Muss Afrika nun einen Kapitalabzug fürchten?

Nach der Zinswende im Westen dürfte künftig weniger Geld nach Afrika fließen. Direkte Auswirkungen auf Firmen dort sind aber gering, weil die Kapitalmärkte wenig entwickelt sind.

Von Ulrich Binkert | Bonn

In Afrika dürfte demnächst weniger internationales Kapital verfügbar sein, seitdem Anlagen in den USA und Europa nach den Zinserhöhungen wieder attraktiver geworden sind. Dabei wird es weniger um einen Abzug von Mitteln gehen, als vielmehr um verminderte Zuflüsse. Das erwartet zumindest Thomas Url vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Denn: „Bestehende Kredite haben eine gewisse Laufzeit und können nicht einfach zurückgeholt werden, es werden aber weniger Darlehen nach Afrika vergeben“, so Url.

Wenig westliches "Hot Money" in Afrika

Kredite bilden laut Url, ohne Betrachtung der Direktinvestitionen, den Großteil des privaten internationalen Portfolio-Kapitals in Afrika. Für Anleihen und andere Wertpapiere seien zumindest die Subsahara-Länder insgesamt kein guter Anlageplatz, denn die Kapitalmärkte sind dort zu wenig entwickelt.

Es gebe zu wenige relevante Börsen und Finanzmarktprodukte, in die zum Beispiel Versicherungen oder Hedgefonds investieren könnten, sagt auch ein Banker mit langjähriger Geschäftserfahrung auf dem Kontinent. Zudem seien viele afrikanische Währungen nicht frei handelbar, wodurch Anleger ihr Geld schlecht außer Landes transferieren können. "Im Ergebnis gibt es in Afrika praktisch kein sogenanntes "Hot Money" aus den Industrieländern", so der Banker, der anonym bleiben möchte.

"Die großen Fondsgesellschaften sind nur schwach in Afrika vertreten", bekräftigt Christian Hiller von Gaertringen, der auf seinem Portal "Africa Partners" die Finanzmärkte des Kontinents beobachtet. Und weiter: "JP Morgan hat in seinem Afrika-Fonds nur 110 Millionen US-Dollar (US$) liegen, und die großen Private-Equity-Gesellschaften wie KKR haben sich in den vergangenen Jahren allesamt aus Afrika zurückgezogen." Ein Faktor der aktuellen Krisen, das Einfrieren russischer Konten im Westen, drehe den Kapitalabfluss aus Afrika allerdings gerade um. "Man sieht, dass Anleger aus Entwicklungs- und Schwellenländern, auch in Afrika, aus Angst vor Sanktionen Kapital aus Industrieländern abziehen", sagt Hiller von Gaertringen.

Statistik: noch kein Trend bei Kapital nach Afrika

Bisher lässt sich in den Kapitalbewegungen nach oder aus Afrika kein Trend ablesen. "Das geben die Zahlen noch nicht her", sagt Wifo-Forscher Url mit Verweis auf die letzten Zahlungsbilanzstatistiken des Internationalen Währungsfonds. Dessen Zahlen reichen bis maximal ins 1. Quartal 2022. Damals war die Zinswende im Westen, deren erste eindeutige Signale Url auf spätestens Mitte Dezember 2021 datiert, noch zu jung.

Vor diesem Hintergrund - Fragezeichen zu den tatsächlichen Kapitalbewegungen und unterentwickelte Kapitalmärkte - hat die Zinswende in den Industrieländern wenig direkten Einfluss auf die Finanzierung von Unternehmen in Afrika. Nennenswerte Unternehmensanleihen etwa, mit denen sich Firmen finanzieren können, sind dem genannten Bankmanager in Subsahara-Afrika kaum bekannt. Sie beschränkten sich auf den relativ entwickelten Kapitalmarkt Südafrika und wenige große Unternehmen wie die angolanische Ölfirma Sonangol. Anders als in Industrieländern würden diese Anleihen auch nicht gehandelt.

Makro-Lage zugespitzt

Makroökonomisch allerdings verstärken die international steigenden Zinsen den Sturm, dem viele afrikanische Länder angesichts der aktuellen internationalen Krisen ausgesetzt sind. Steigende Zinsen und der Höhenflug des Dollars verteuern ihre üblicherweise in Devisen gehaltenen Auslandsschulden. Dabei haben sich viele Länder in den langen Jahren des relativ billigen Geldes stark verschuldet.

Die Rückzahlung, die angesichts einer meist schmalen Basis der Staatseinnahmen und einem hohen Anteil der informellen Wirtschaft maßgeblich durch die Exportstärke bestimmt ist, wird immer schwieriger. In Subsahara-Afrika hat sich laut Weltbank das Verhältnis von Auslandsschulden zu Exporteinnahmen zwischen 2011 und 2020 fast verdreifacht, von 70 auf 205 Prozent.

Äthiopien als perfektes Negativbeispiel

Ein Staat, in dem sich einige Probleme des Kontinents bündeln, ist Äthiopien. Dort waren die Auslandsschulden schon 2016 viermal so hoch wie die Ausfuhren. Die nationale Fluglinie Ethiopian Airlines mag viele Devisen ins Land bringen, die Warenexporte jedoch erreichen typischerweise kaum ein Drittel der Importe. Nun sind die Einfuhren noch teurer geworden, namentlich die 4 Fs: food, fuel, fertilizer, freight. "Die Ladung eines Tankers Treibstoff, wovon Äthiopien ja alles importieren muss, kostete üblicherweise 30 Millionen US$", sagt ein Beobachter und fügt hinzu: "Heute sind es über 100 Millionen."

Gleichzeitig sind internationale Kredite immer schwerer zu bekommen, seitdem westliche Regierungen den Kurs der Regierung bei den inneren Konflikten kritisieren und der langjährige Groß-Kreditgeber China sich zurückhält. "Einkommensschwache Länder setzen auf riskante Bankkredite" - so titelte nicht umsonst Anfang August 2022 das Wall Street Journal.

Rohstoffexporteure profitieren

Besser durch die Krise kommen Länder mit wenig Auslandsschulden, Rohstoffexporteure profitieren sogar davon. Zum Beispiel bei Erdgas: Algerien mit besseren Lieferchancen in Südeuropa, Länder in Ostafrika durch einen Schub für laufende Erschließungsprojekte. Gegenläufige Effekte gibt es in Staaten wie dem ebenso ölreichen wie tief in der Kreide stehenden Angola. Relativ rohstoffarm und trotzdem gut gegen die Krise gewappnet ist nach Ansicht von Finanzanalyst Hiller von Gaertringen Marokko, das einen Teil seiner Importe erfolgreich substituiert habe.

Afrikas Kapitalmärkte unterschiedlich entwickelt

Für den Geschmack des Finanzanalysten Christian Hiller von Gaertringen lassen westliche Investoren Anlagemöglichkeiten in Afrika zu Unrecht links liegen. Sie ignorierten zum Beispiel das hohe Plus in den Unternehmensgewinnen dort im 1. Halbjahr 2022, schreibt der Finanzanalyst in einem aktuellen Beitrag.


Ein Marktplatz mit relativ viel Geld aus Übersee sei indes die kenianische Börse Nairobi. Zu bemerken sei das immer dann, wenn offenbar ausländische Anleger vor Präsidentschaftswahlen ihre Mittel abzögen, aus Sorge vor Unruhen im Land.


Deutliche Hinweise auf die durchaus beträchtlichen Unterschiede in der Reife afrikanischer Kapitalmärkte gibt auch die Handels- und Entwicklungsorganisation der UNO (UNCTAD) in ihrem Economic Development Report in Africa 2022. In sechs afrikanischen Ländern entsprachen demnach die inländischen Kredite an den Privatsektor 2019 im Schnitt rund zwei Drittel des Bruttoinlandsprodukts. Auf dem Rest des Kontinents hingegen lag dieser Wert eher bei einem Fünftel. Kenia ist eines der sechs Länder, zu der Gruppe gehören außerdem noch Südafrika, Mauritius, Marokko, Tunesien und Ägypten.

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