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Stehen Chinas Afrika-Kreditverträge zu Recht in der Kritik?

Über Chinas Engagement in Afrika ist hierzulande wenig Gutes zu hören. Kenia und Uganda ächzen unter harten Kreditverträgen, Beschlagnahmungen müssen sie aber nicht fürchten.

Von Ulrich Binkert | Bonn

Der 25. Jahrestag der Übergabe Hongkongs an China am 1. Juli dürfte westliche Kritiker in der Meinung bestärkt haben, dass Vereinbarungen mit China mit Vorsicht zu genießen sind. Von den auf 50 Jahre zugesicherten zwei Systemen, die in der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" vereinbart wurden, ist nur noch eines übrig. In dieses Bild passen auch Nachrichten, China würde sich bei seinen Kreditverträgen als Gläubiger in Afrika mit der Beschlagnahmung ganzer Häfen oder Flughäfen gegen Zahlungsausfälle absichern.

Chinesische Kreditverträge oft im üblichen Rahmen

Die Möglichkeit solcher Beschlagnahmungen weist allerdings nicht nur China weit von sich. Auch westliche Experten widersprechen. Zwei chinesisch finanzierte, kontroverse Projekte bieten hierfür Fallstudien: der milliardenschwere Bau der Bahnlinie von der kenianischen Hafenstadt Mombasa ins Landesinnere sowie die Erweiterung des Flughafens Entebbe in Uganda für 200 Millionen US-Dollar (US$). Die Ergebnisse zeigen, dass sich diese chinesischen Kreditverträge in vielerlei Hinsicht kaum von denen anderer Geldgeber unterscheiden. Gleiches konstatierten bereits 2021 die US-Denkfabrik AidData und das Kieler Institut für Weltwirtschaft in der vergleichenden Studie How China Lends.

Beim Bahnprojekt nach Kenia hatte es Ende 2018 Berichte gegeben, Kenia habe den Hafen Mombasa als Sicherheit bei einem Zahlungsausfall an die Chinesen verpfändet. Im Wesentlichen beruht dies aber auf einem Missverständnis, sagt Deborah Brautigam von der China Africa Research Initiative der Johns Hopkins University. Beim kontroversen Finanzierungsvertrag für Entebbe durch die China Eximbank fand Brad Parks von AidData ebenfalls keinen Anhaltspunkt für eine mögliche Beschlagnahmung. 

Chinesen schieben sich vor andere Gläubiger

Allerdings ist der Entebbe-Vertrag auch ein Beispiel dafür, dass sich chinesische Kreditgeber sehr wohl abzusichern wissen, und zwar durch den exklusiven Zugriff auf die Zahlungsflüsse des Kreditnehmers. Eine solche – meist nicht explizit festgehaltene - Vorzugsbehandlung gegenüber allen anderen Gläubigern vereinbaren chinesische Kreditgeber laut der "How China Lends“-Studie weit häufiger als andere Geldgeber. Da es sich um Kredite an staatliche Partner handelt, haben Rückzahlungen an China damit auch vor etwaigen Umstrukturierungen von Staatsschulden Priorität. Dies widerspricht den Regeln des Pariser Clubs, die eine gleichartige Behandlung der Gläubiger einfordern. 

Doch auch Geschäftsbanken sichern sich den Vortritt bei der Bedienung von Schulden, wendet Deborah Brautigam ein. Für die Expertin sind solche Klauseln nur dann ungewöhnlich, wenn man sie mit Verträgen etwa der Weltbank vergleicht – die sich jedoch auf andere Weise Vorrechte sichern könne. Dies gelte auch für die Aufgabe der staatlichen Souveränität, wie sie auch der Vertrag zur Mombasa-Bahn von den kenianischen Kreditnehmern einfordere. Ein derartiger Passus, der den Rechtsweg gegen staatliche Kreditnehmer vereinfacht, sei Standard in internationalen kommerziellen Kreditverträgen. Sonst ließen sich Geldgeber nicht auf Vereinbarungen mit ausländischen Behörden ein.

Das Entebbe International Airport Upgrading and Expansion Project

Im Entebbe-Vertrag verlangt die China Eximbank als Kreditgeber die Einrichtung eines Kontos, das der Flughafenbetreiber Uganda Civil Aviation Authority (UCAA) als Schuldner befüllen und auf einem Mindeststand halten muss. Aus diesem Treuhandkonto kann sich die Bank bei säumiger Schuldenrückzahlung 20 Jahre lang bedienen.


Für die Einzahlungen auf das Konto muss der Schuldner auf seine gesamten Einnahmen aus dem gesamten, seit Jahrzehnten laufenden Flughafenbetrieb zurückgreifen, nicht nur auf die des chinesisch finanzierten Projektteils. Demnach sind zum Beispiel selbst Gehaltszahlungen der Flughafenbeschäftigten den Ansprüchen der Chinesen untergeordnet. 

Was ist vertraglich normal?

Letztlich geht es also auch um die Frage, was  bei solchen Kreditverträgen als Standard gilt. Eine Beurteilung ist schwer, weil die wenigsten Verträge öffentlich zugänglich sind. Dies gilt nicht nur bei chinesischen Kreditgebern, auch wenn ihnen die "Lends“-Studie von 2021 eine besonders ausgeprägte Neigung zu Vertraulichkeitsklauseln attestiert. Informationen zu den rund 140 Verträgen mit nichtchinesischen Gläubigern, welche die Vergleichsstudie am Beispiel Kamerun heranzog, beruhen ausschließlich auf kamerunischen Angaben. Auskünfte seitens der Kreditgeber fehlen. 

Diese Intransparenz halten Beobachter für einen Hauptgrund, warum Gerüchte wie die über Beschlagnahmungen hochkochen. Der Journalist Eric Olander sieht in seinem Podcast The China in Africa die afrikanischen Regierungen in der Pflicht zu mehr Transparenz und nennt als Vorbild die Webseite des nigerianischen Debt Management Office. Laut Experten scheuten sich beispielsweise die Behörden im Fall der Bahnlinie in Kenia vor einer Veröffentlichung des Vertrags, da die teure Kredittilgung der Bevölkerung schwer zu vermitteln sei. Laut Vijay Balakhi von der China Africa Research Initiative der Johns Hopkins University dürften die Einnahmen der Bahn gerade die operativen Kosten decken, die Rückzahlung des Kredits müsse aber aus dem Staatssäckel erfolgen.

Geheimhaltungsklauseln schüren Misstrauen

Die chinesische Geheimniskrämerei verstärkt das westliche Unbehagen gegenüber der neuen Supermacht in Fernost. "In 20 Jahren haben die Chinesen kein Licht ins Dunkel ihrer Kreditverträge gebracht“, sagt Eric Olander. "Sie dürfen sich nicht über das verbreitete Schuldenfallen-Narrativ wundern“. In manchen Fällen scheint sich China den Regeln des Pariser Clubs anzunähern, merkt Deborah Brautigam jedoch mit Verweis auf das besonders hoch verschuldete Sambia an.

Chinas vielbeklagte Flexibilität im Umgang mit Verträgen könnte afrikanischen Schuldnern indes auch Vorteile bringen. Beim Entebbe-Projekt gab es unter ugandischen Verantwortlichen einen Aufschrei, als die Unterwerfung der Budgetfreigabe des Flughafenbetreibers – einer nationalen Behörde – unter eine chinesische Bank bekannt wurde. Auf Intervention einer ugandischen Delegation in Beijing 2019 schrieben die Chinesen laut Brad Parks den Vertrag zwar nicht um, dennoch sei die Nachverhandlung pragmatisch und erfolgreich gewesen. Ein Memo halte fest, der Vertrag sei "künftig anders zu lesen“.

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Mit seinen Krediten an afrikanische Partner ist China in den letzten Jahren deutlich zurückhaltender geworden. Für 2020 registrierte die Boston University elf Kreditabschlüsse über insgesamt 1,9 Milliarden US$, 77 Prozent weniger als im Vorjahr.

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