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Branchenbericht Afrika Kfz-Teile, Zulieferindustrie
Das 1. Deutsch-Afrikanische Automobilforum in Stuttgart nimmt Mobilität auf dem afrikanischen Kontinent in den Fokus. Gebrauchtwagen dominieren noch den Markt.
19.03.2020
Von Michael Monnerjahn | Bonn
Noch wird der afrikanische Markt von gebrauchten Autos dominiert, doch neue Akteure und Ansätze verändern den Markt. Marokko hat etwa in den vergangenen Jahren erfolgreich seine Automobilproduktion gesteigert und Volkswagen investiert gezielt in kleinere afrikanische Märkte. Die Anzahl der verkauften Neuwagen bewegte sich in Afrika im vergangenen Jahrzehnt zwischen 0,9 Millionen und 1,3 Millionen Autos. Das wachsende Interesse am afrikanischen Automobilmarkt wurde beim 1. Deutsch-Afrikanischen Automobilforum (DAAF) des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft am 11. Februar 2020 bei Bosch in Stuttgart deutlich, an dem knapp 200 Branchenvertreter teilnahmen.
„Der politische Wille muss vorhanden sein, um die Automobilindustrie zu ändern“, sagte Thomas Schäfer, Vorsitzender von Volkswagen South Africa, beim DAAF. Nach seiner Ansicht sind der Import von gebrauchten Autos, die häufig mangelhafte Kraftstoffqualität und fehlende Finanzierungsmöglichkeiten für potenzielle Kunden die wesentlichen Gründe für den niedrigen Absatz von Neuwagen in Afrika. „Man benötigt einen Plan und Länder wie Marokko haben einen Plan“, sagte Schäfer.
Den Plan hat Marokko nach Ansicht des General Managers für Industrie des marokkanischen Ministeriums für Industrie und Handel, Ali Seddiki, umgesetzt. Das Land hat den Import von gebrauchten Autos reglementiert. Außerdem, so der Minister, habe Marokko stark in den Ausbau der Infrastruktur investiert. Der Tiefseehafen Tanger-Med ging 2007 in Betrieb. Ein Jahr später begann der französische Automobilkonzern Renault mit dem Bau einer Fabrik, die 2012 eröffnet wurde.
Der Umsatz der marokkanischen Hersteller von Kfz und Kfz-Teilen erhöhte sich seit 2009 von 1,2 Milliarden US-Dollar (US$) auf aktuell über 7 Milliarden US$, berichtete Ali Seddiki. Mehr als 250 Unternehmen sind inzwischen in Marokko aktiv. Im Jahr 2019 wurden nach Angaben von Ali Seddiki 480.000 Autos in Marokko produziert und im laufenden Jahr sollen es 580.000 Autos sein.
Südafrika ist mit einer Produktion von 632.000 Autos im Jahr 2019 derzeit noch der führende Automobilproduktionsstandort in Afrika. Davon wurden 387.000 Autos exportiert. Die deutschen Hersteller vor Ort - BMW, Daimler und Volkswagen - haben 1,4 Milliarden Euro seit 2017 investiert. Das hochgesteckte Ziel der Regierung, mit dem Automotive Production and Development Programme (APDP), das 2013 in Kraft trat, die Produktion auf 1 Million Autos zu steigern, wurde allerdings deutlich verfehlt.
Im kommenden Jahr tritt für die über 300 Unternehmen aus dem Autosektor, die 100.000 Arbeitnehmer beschäftigen, das neue APDP bis 2035 in Kraft. Der Anteil am südafrikanischen Bruttoinlandsprodukt beträgt nach Angaben der National Association of Automobile Manufacturers of South Africa (NAAMSA) sieben Prozent.
Neue afrikanische Märkte nimmt Volkswagen jetzt von Südafrika verstärkt in den Blick. In Kenia seit 2016 und in Ruanda seit 2018 werden bereits die ersten Volkswagen zusammengebaut, aber auch Äthiopien, Nigeria und Ghana sind im Fokus der Wolfsburger. Volkswagen hatte bereits in den 1970er Jahren in Kenia und Nigeria Autos produziert, sich dann aber auf Grund wirtschaftlicher und politischer Probleme zurückgezogen.
In Ghana sollen im 1. Quartal 2020 die ersten Volkswagen hergestellt werden. „Wir glauben, dass Ghana das nächste attraktive Zielland für die Automobilindustrie ist“, sagte Alan Kyerematen, der Minister Ghanas für Handel und Industrie in Stuttgart. Ghana hat den Import von gebrauchten Autos eingeschränkt und den Autoproduzenten zehn Jahre Steuerfreiheit im Land angeboten.
In einer ersten Phase hat die Produktion von Volkswagen eine Kapazität von 5.000 Autos im Jahr. Derzeit werden in Ghana rund 10.000 neue Autos im Jahr verkauft. Der gesamte Autobestand liegt bei etwa einer Million Autos. In Deutschland wurde 2019 knapp acht Prozent des Autobestands erneuert. Das entspräche in Ghana - bei einer entsprechenden Regulierung - einem Neuwagengeschäft von bis zu 80.000 Autos.
Neben der Automobilproduktion überlegt Volkswagen außerdem, neue Dienstleistungen im Bereich der Mobilität in Ghana anzubieten, die bereits jetzt in Ruanda in Betrieb sind. „Viele Afrikaner wollen ein modernes und sicheres Auto nutzen“, sagt Thomas Schäfer von VW. Deshalb hat VW zunächst für Ruanda das Mobilitätskonzept „Move“ entwickelt, das der Konzern gerade in der Hauptstadt Kigali testet. Hier können sich Ruander, die sich einen Neuwagen nicht leisten können oder wollen, ein Auto mieten oder sich wie eine Art Taxi von einem Fahrer abholen lassen.
Rund 40.000 Nutzer haben sich bereits die App „Move Ride“ heruntergeladen. Wer über die App eines der 350 Autos anfordert, wird innerhalb von fünf Minuten am virtuell festgelegten Standort abgeholt. Mehr als 100.000 Fahrten wurden mit „Move Ride“ bereits durchgeführt.
Für eine Entwicklung des afrikanischen Automobilmarkts bedürfte es aber auch einer stärkeren regionalen oder gar kontinentalen Zusammenarbeit, wie sie jetzt mit der African Continental Free Trade Association (AfCFTA) geplant ist. „Bosch interessiert sich nicht allein für ein Land wie Ghana, aber wenn es einen einzelnen Markt gäbe, wäre das für sie interessant“, sagte Alan Kyerematen, der Minister Ghanas für Handel und Industrie.
Wichtig für eine Entwicklung des Marktes wäre das Erreichen einer gewissen Marktgröße. Für Bosch lohnt sich eine Produktion meist erst ab einer Stückzahl von einer Million. Sollte es einzelnen Wirtschaftsgemeinschaften oder sogar dem ganzen Kontinent gelingen, die derzeit noch vorhandenen Handelshindernisse zwischen den Ländern zu beseitigen, könnte eine bisher ungeahnte Dynamik im afrikanischen Automobilmarkt entstehen.