Albanien setzt auf eine neue Tourismusstrategie. Die EU und die Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung unterstützen den Sektor mit 113 Millionen Euro.
Corona bremst Albaniens Wirtschaft - besonders den Tourismus
Eigentlich hätte Albaniens Wirtschaft im Jahr 2020 um 3 Prozent wachsen sollen. So hatte es das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche noch im Herbst 2019 prognostiziert. Nun wurde aus dem Plus ein Minus von 5 Prozent. Hier schlagen fehlende Touristen aufgrund der Coronakrise direkt auf die Konjunkturentwicklung durch. Dabei sollte der Tourismussektor des Balkanlandes laut Prognosen mittelfristig mehr zum Bruttoindsprodukt (BIP) beitragen: gut 9,3 Prozent bis 2028 (2019: 8,5 Prozent). Einschließlich indirekter Faktoren hätte der Tourismus damit Ende der 2020er-Jahre sogar mehr als ein Drittel der albanischen Wirtschaftsleistung ausgemacht.
Die sich in Albanien abzeichnende Entwicklung infolge der Coronapandemie widerspiegelt die tiefe Krise im gesamten internationalen Tourismusgewerbe. Nach Angaben der Tourismusorganisation der Vereinten Nationen (United Nations World Tourism Organization, UNWTO) könnten 2020 weltweit bis zu 1,1 Milliarden internationale Touristenankünfte ausbleiben und bis zu 120 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen. Der Talfahrt der Branche bremst auch den Wirtschaftsmotor weltweit.
Neue Tourismusstrategie setzt Fokus auf Branding
Albaniens bisherige Tourismusstrategie zielte vor allem auf das kulturelle Erbe und die Vermarktung als hochwertiges Reiseziel. Seit 2019 gibt es eine neue Strategie für nachhaltigen Tourismus. Ziel ist es, Albanien als gastfreundliches, authentisches und attraktives Urlaubsland zu präsentieren. Das Angebot soll konsolidiert und unter eine Marke gepackt werden. Der Grund: Albanien hat nach wie vor ein Imageproblem. Das Land an der Adria wird nicht in erster Linie mit Tourismus und Urlaub in Verbindung gebracht.
Albaniens Regierung investiert zunehmend in die Vermarktung der Region als attraktives Urlaubsziel: Im Jahr 2014 lagen die Ausgaben noch bei rund 500.000 Euro, 2017 waren es bereits über 2 Millionen Euro.
Anvisierte Ziele dieser Strategie bis 2023 sind:
- ein BIP-Anteil des Tourismus von 10 Prozent,
- ein Umsatz von 2 Milliarden Euro und
- 300.000 direkt oder indirekt Beschäftigte in der Branche.
Ein ambitionierter Plan, der allerdings noch aus der Zeit vor der Coronapandemie stammt.
Albaniens Tourismusbudget im Zeitraum 2019 bis 2023 in Millionen in Euro
| 2019 | 2020 | 2021 | 2022 bis Anfang 2023 |
---|
Programm zur Entwicklung des Tourismus | 1,6 | 3,0 | 3,0 | 3,9 |
Quelle: Ministerium für Tourismus und Umwelt
Kaum Standards und Vergleichbarkeit
Um das Image zu verbessern, wären einheitliche Standards ein erster Schritt. Bisher ist es kaum möglich, Anbieter zu vergleichen. Dafür sollen künftig Zertifizierungen sorgen. Die Regierung hat sich bis 2023 zum Ziel gesetzt, Standards zu konsolidieren und Unterkünfte zu klassifizieren. Zudem soll es ein Verzeichnis aller Betriebe geben.
Dasselbe gilt für den Servicebereich. Hier ist geplant, die Aus- und Weiterbildung zu intensivieren. Neue Curricula sollen entstehen und duale Aus- und Weiterbildungen gestartet werden. Hindernis ist dabei die informelle Beschäftigung. Diese führt nicht nur zu einem volkswirtschaftlichen Schaden, sondern erschwert auch das Einhalten von Standards im Dienstleistungsbereich.
Infrastruktur muss weiter ausgebaut werden
Mit einem gewissen Maß an Chaos umzugehen, ist man in Albanien, durchaus positiv gemeint, gewohnt. Was sich allerdings in den Urlaubsmonaten an der Küste abspielt, ist manchmal nur noch schwer zu handhaben. Die Regierung hatte vor einiger Zeit noch das Wunschziel von 10 Millionen Touristen pro Jahr ausgegeben. Das wäre mehr als das Dreifache der Einwohnerzahl.
Damit Tourismus in größerem Umfang möglich ist, muss die Infrastruktur deutlich ausgebaut werden. Es fehlt vor allem an Unterkünften im Bereich der 3- bis 5-Sterne -Hotels. Nach Wunsch der Regierung sollen insbesondere 4- und 5-Sterne- Häuser entstehen. Bislang werden Übernachtungen größtenteils von Privatpersonen angeboten, was die Einhaltung von Standards nicht leicht macht. Große Hotelketten findet man bislang nicht.
Auch die weitere Infrastruktur erfüllt nicht immer die Anforderungen: So ist die Energie- und Wasserversorgung nur unzureichend ausgebaut. Verbindungsstraßen sind dem Verkehrsaufkommen nicht gewachsen. Das Ausweichen auf den ÖPNV ist oft nicht möglich, da dieser kaum bis gar nicht vorhanden ist. Auch an Parklplätzen und Leitsystemen mangelt es. Digitale Angebote, die unterstützen könnten und weitere Informationen bieten, sind nur spärlich vorhanden.
In Kürze wird ein neues Infrastrukturprogramm mit einem Volumen von 113 Millionen Euro anlaufen. Dieses soll die Rahmenbedingungen für den Tourismus verbessern. Die Finanzierung kommt von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und der Europäischen Union.
Infrastrukturprojekt der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung
Projektname: Albania Infrastructure and Tourism-Enabling Programme |
Projektvolumen: 113,3 Millionen Euro |
Finanzierung: Kredit der EBWE über 60 Millionen Euro und Förderung der EU über 40 Millionen Euro |
Projektträger: Albanische Regierung, Albanischer Entwicklungsfonds (ADF) |
Kontakt: Albanian Development Fund, adf@albaniandf.org |
Details: Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) |
Bringt Corona die Diversifizierung voran?
Bereits vor Corona war abzusehen, dass es im "Sonne-und-Strand-Segment" eine gewisse Sättigung in Albanien gibt. Das hat die Analyse "Tourism and Transition in the Western Balkans" von Prof. Daniel Göler und Prof. Dhimitër Doka unterstrichen. Hier steht Albanien in einem starken Wettbewerb mit Nachbarstaaten wie Kroatien und Griechenland. Dorthin sind Pauschalreisen zu teilweise sehr günstigen Preisen bei gleichzeitig hohen Standards buchbar.
Anders sieht es im Nischen- und Kulturtourismus aus. Hier kommen die Gäste hauptsächlich aus Mittel- und Westeuropa. Diese sind grundsätzlich zu höheren Ausgaben bereit, um so nachhaltigen Tourismus zu unterstützen. Die Coronapandemie scheint außerdem den Wunsch nach Angeboten abseits vom Massentourismus zu befördern. Albanien könnte sich diesen Umstand zunutze machen und sein Portfolio weiter in diese Richtung diversifizieren.
Von Martin Gaber
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Belgrad