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In Argentiniens Energieversorgung dürfte sich die Dominanz fossiler Energieträger in den nächsten Jahren festigen. Die größten Hoffnungen ruhen auf dem Fracking von Schiefergas.
27.11.2020
Von Carl Moses | Buenos Aires
Argentiniens Energiematrix basiert bisher hauptsächlich auf der Nutzung fossiler Energieträger. Das Angebot an Primärenergie wurde 2018 zu 87,5 Prozent aus fossilen Brennstoffen erzeugt. Beim Endverbrauch stammten immer noch fast 68 Prozent aus fossiler Energie. An zweiter Stelle steht die Wasserkraft mit 5,3 Prozent der Primärerzeugung, zum großen Teil aus binationalen Großanlagen wie Yacyretá (mit Paraguay) und Salto Grade (mit Uruguay). Auch die Atomenergie leistet mit drei bestehenden Werken einen wichtigen Beitrag zur Grundversorgung mit Strom.
Die natürlichen Bedingungen für die Nutzung erneuerbarer Energien (neben großen Wasserkraftwerken) sind in Argentinien sehr günstig, allen voran für Wind- und Sonnenenergie, aber auch für Biogas und andere Biotreibstoffe oder für die Erzeugung von grünem Wasserstoff. 2018 stammten jedoch lediglich 3 Prozent der primären Energieproduktion aus EE. Die in den vergangenen Jahren begonnene Energiewende geriet zuletzt ins Stocken.
Vorläufig bleiben Öl und Gas die gesetzten Größen für Argentiniens Energieversorgung. Die Rohölförderung erreichte 2019 ein Volumen von 29.516,1 Millionen Kubikmeter. Der Zuwachs der Produktion um 3,8 Prozent 2019 war auf die rasch steigende Förderung von Schieferöl aus der unkonventionellen Lagerstätte Vaca Muerta zurückzuführen, während die konventionelle Förderung zurückging. Die Entwicklung der Ölreserven war in den vergangenen Jahren wechselhaft. Im langfristigen Trend sanken sie. Von 1999 bis 2013 gingen die Reserven deutlich zurück, zwischen 2014 und 2015 erholten sie sich, fielen aber zwischen 2016 und 2017 erneut. 2018 erholten sie sich wieder stark. Bei dem derzeitigen Produktionsniveau (2019) würden der Bestand der nachgewiesenen Ölreserven für knapp 13 Jahre reichen.
Lokaler Marktführer ist die staatlich kontrollierte Ölgesellschaft YPF, die 46,5 Prozent der Ölproduktion erbringt, gefolgt von Pan American Energy mit 19,0 Prozent; Pluspetrol mit 5,3 Prozent; Sinopec mit 3,8 Prozent, Tecpetrol mit 2,9 Prozent. Der Rest verteilt sich auf eine Reihe von kleineren Unternehmen.
Argentiniens Gasproduktion erhielt in den späten 1970er Jahren einen ersten großen Schub durch die Entdeckung des Feldes Loma la Lata in Patagonien (Provinz Neuquén). Die Erschließung dieses Feldes und der Bau verschiedener Gaspipelines erlaubte die Versorgung privater Haushalte und der Industrie, insbesondere den Aufbau einer petrochemischen Industrie. Argentinien verfügt zudem über eine der größten Flotten gasbetriebener Kfz weltweit. In den vergangenen Jahren sind die nachgewiesenen Reserven aus konventionellen Gasvorkommen allerdings stark gesunken und decken nur noch den Verbrauch von etwa 8 Jahren.
Eine zweite Revolution der Branche wird unterdessen durch die Erschließung der umfangreichen nicht konventionellen Öl- und Gasvorkommen erwartet. Argentinien verfügt nach Schätzung der US-amerikanischen Energiebehörde EIA über die zweitgrößten Schiefergasvorkommen weltweit - nach China, aber noch vor den USA, die mit ihrem Frackingboom in den vergangenen 15 Jahren den Energiemarkt revolutioniert haben. Allein in dem Fördergebiet Vaca Muerta sollen Ressourcen lagern, die nahezu der Hälfte der gesamten Schiefergasvorkommen der Vereinigten Staaten entsprechen. Bei Schieferöl rangiert Argentinien weltweit an vierter Stelle. Ausländische Konzerne wie Chevron, Shell, Total, Dow, Exxon Mobile und Wintershall Dea sind bereits in dem Gebiet tätig, häufig in Partnerschaften mit dem staatlich kontrollierten argentinischen Ölkonzern YPF.
In- und ausländische Ölkonzerne hatten bis 2018 Investitionsvorhaben im Gesamtwert von von 49 Milliarden US-Dollar (US$) angekündigt. Die Hälfte der geplanten Investitionen entfiel auf die staatlich kontrollierte Ölgesellschaft YPF. Inzwischen hat sich das Panorama stark eingetrübt. Im Frackinggebiet Vaca Muerta werde sich die Aktivität vorerst auf den Export von Rohöl konzentrieren, für den ausreichende Infrastruktur bereits vorhanden sei, sagen Branchenvertreter.
Der Ausbau der Gasförderung, die langfristig noch viel größere Chancen bietet, wird wohl erst auf längere Sicht möglich sein, wenn geeignete und stabile Regeln die hohen dafür erforderlichen Investitionen ermöglichen sollten. Die Macri-Regierung erwartete für den Zeitraum 2018 bis 2030 Investitionen von 14 bis 15 Milliarden US$ pro Jahr in die Erschließung von Vaca Muerta. Davon ist derzeit indes nur ein kleiner Bruchteil realistisch.
Große Wasserkraftwerke sind ein wichtiger Rückhalt der argentinischen Energieerzeugung und werden auch beim Ausbau der Kapazitäten eine bedeutende Rolle spielen. Die Macri-Regierung plante den Bau von mehreren Wasserkraftwerken, die bis 2030 rund 3 Gigawatt an neuer Kapazität liefern sollen (Gesamtinvestitionen 10 Milliarden US$). Bereits in Bau sind mit chinesischer Finanzierung und Projektleitung die Wasserkraftwerke Dr. Néstor Kirchner und Gobernador Jorge Cepernic in der Provinz Santa Cruz sowie der Ausbau des binationalen Wasserkraftwerks Yacyretá (Argentinien und Paraguay). Viele Projekte stecken schon seit den 70er Jahren in der Schublade. Das deutsche Unternehmen Voith Hydro kämpft für die Realisierung des Milliardenprojekts Chihuido I. Großes Potenzial sieht Voith Hydro überdies in der Modernisierung bestehender Anlagen, wodurch Argentinien bis zu 2000 Megawatt zusätzlicher Stromerzeugungskapazität erhalten könnte.
Argentinien verfügt über drei Atomkraftwerke (Embalse, Atucha I und II), für deren Betrieb das staatliche Unternehmen Nucleoeléctrica Argentina (http://www.na-sa.com.ar/) zuständig ist. Atucha I und II wurden mit Technologie der ehemaligen Siemens-Kraftwerksunion (KWU) gebaut. Über den Bau eines vierten AKW verhandelt Argentinien mit China, das Technologie und Kapital dafür liefern würde. Auch mit Russland ist man im Gespräch.